Von der Schule in den Arrest
Autor: Tom Müller
Kitzingen, Mittwoch, 12. Dezember 2012
Weil er von der Schule flog, ließ ein 14-Jähriger seiner Wut freien Lauf. Er schlug auf einen Mitschüler ein und verlangte Geld von ihm. Wegen räuberischer Erpressung stand er nun vor Gericht.
Später, wenn man versucht, kriminelle Karrieren da zu verstehen, wo sie ihren Anfang genommen haben, stößt man oft auf familiäre Probleme im Elternhaus. Oft wird hier die Saat gestreut, die in späteren Jahren aufgeht und leider viel zu oft zu schweren Verbrechen führen kann. Ob ein derartiges Schicksal dem 14-jährigen Schüler erwartet, der wegen räuberischer Erpressung nun vor dem Amtsgericht Kitzingen stand, steht heute noch in den Sternen. Den ersten Schritt in diese Richtung hat der Schüler jedenfalls mit seinem Wutausbruch im Sommer 2012 unternommen.
Angestiftet zur Gewalt
Es war der letzte Schultag vor den Sommerferien. "Das ist doch normalerweise ein Tag, an dem man froh ist, weil man einige Wochen Ferien vor sich sieht", meinte Richter Wolfgang Hülle. In diesem Fall war es aber ganz anders. Der Jugendliche war soeben von der Schule geflogen.
Schuld waren angeblich andere, die den Jungen gemobbt haben sollen. Jedenfalls hatte er mit dem Zeugnis auch ein Schreiben im Schulranzen, das einen Wechsel an eine andere Schule nötig machte. Reichlich frustriert saß der Junge nun an der Bushaltestelle und ließ gegenüber seinen Freunden durchblicken, dass er jetzt gerne irgendein Ventil für seine Wut hätte. Die Blicke fielen auf einen unbeteiligten Mitschüler, der nicht weit entfernt ebenfalls auf den Bus wartete.
Ob er sich traue, diesen Jungen zusammenzuschlagen und von ihm Geld zu erpressen, sollen die Freunde den 14-Jährigen gefragt haben. Der traute sich und sprach den kleineren und körperlich auf den ersten Blick unterlegenen Mitschüler an. "Eigentlich wollte ich gar kein Geld von ihm", gestand der Schläger. "Ich brauchte nur einen Vorwand, um losschlagen zu können". Den bekam er dann postwendend und schon setzte es Hiebe.
Als der Kleinere im Schwitzkasten lag, gab ihm der Aggressor kurz Zeit, im Schulranzen nach Geld zu suchen. 30 Cent betrug die Ausbeute, mehr hatte der Schüler nicht bei sich. "Was hättest du denn gemacht, wenn er dir einen Hunderter hingehalten hätte", wollte der Richter wissen. "Das wäre zu viel gewesen", so der Angeklagte. "Ich hätte das nicht annehmen können".
Das Kleingeld jedenfalls wollte er auch nicht, schlug es dem Opfer aus der Hand und trat noch ein paar Mal auf den Jungen ein. "Besser gefühlt hab ich mich danach nicht", räumte er im Gerichtssaal ein. "Das hat nicht wirklich geholfen".
Der Vater schießt quer
Stattdessen führte es den geständigen Jugendlichen auf die Anklagebank des Amtsgerichts. Dort versuchten Richter, Staatsanwältin und die Pflichtverteidigerin das Motiv für einen derartigen Ausbruch zu ergründen. Licht ins Dunkel brachte vor allem der Bericht der Jugendgerichtshilfe, die sich eingehend mit dem Schüler und seiner Mutter unterhalten hatte. Beide hätten ein gutes Verhältnis, allerdings sei der Junge auch gegenüber ihr schon mehrmals mit cholerischen Ausbrüchen aufgefallen.
Dieses Verhalten sei auch für den vor langem geschiedenen Vater typisch gewesen, zu dem sein Sohn erst seit kurzem wieder Kontakt habe. Er sei zwar nicht mehr erziehungsberechtigt, übe aber trotzdem Druck auf die Mutter aus und habe untersagt, dass sie für ihren Sohn psychologische Hilfe in Anspruch nehme.
Der Junge gab auch auf der Anklagebank zu verstehen, dass er sich der Einschätzung seines Vaters anschließe und von einem derartigen Angebot keinen Gebrauch machen wolle. "Für einen Anti-Aggressionskurs ist er eigentlich noch zu jung", urteilte der Vertreter der Jugendgerichtshilfe. "Und ihn in eine Therapie zu zwingen, macht auch wenig Sinn".
So war guter Rat teuer. "Er ist das erste Mal, dabei aber gleich ziemlich heftig in Erscheinung getreten", erinnerte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. "Es müssen Maßnahmen getroffen werden, damit sich derartiges nicht wiederholt". Auch sie forderte neben sozialen Hilfsdiensten eine psychotherapeutische Maßnahme.
60 Stunden sozialer Hilfsdienste
Das Gericht wurde in seinem Urteil noch deutlicher. Es sprach den Jugendlichen der räuberischen Erpressung schuldig. "Der Strafrahmen ist zwar ein anderer, die Wirkung aber die gleiche wie im Erwachsenenbereich", so der Richter. Ein Jahr Gefängnis wäre bei Erwachsenen kaum zu vermeiden gewesen. Auch aufgrund der Tatsache, dass "erhebliche Gewalt angewendet" worden war, verhängt das Gericht ein Wochenende Freizeitarrest und 60 Stunden sozialer Hilfsdienste.