Viel Theater um Kuhmist
Autor: Sabine Paulus
, Donnerstag, 07. Juni 2012
Helmut Fuchs, Regisseur des Kitzinger Stadtensembles "Häckerbühne", weiß, was er will. Deswegen wirken die von ihm geleiteten Stücke professionell.
           
Helmut Fuchs läuft im Dekantszentrum hin und her. Der Regisseur des neuen Theaterstücks der Häckerbühne Kitzingen e.V. verfolgt angespannt bei einer der letzten Proben, wie die Schauspieler auf der Bühne ihre Rollen spielen. Es sind nur noch ein paar Tage bis zur Premiere. Fuchs ruft die eine oder andere Bemerkung dazwischen. 
Als im Verlaufe der Handlung Liebschaften bekannt werden, erhebt sich die sonore Stimme des Regisseurs zu einem Hinweis: "Josef, da kannst du ruhig etwas wilder werden." Er spricht den Darsteller Karl Jeschke mit dem Namen an, den er im Stück hat: Josef, Knecht der Bauersfamilie Wassermann. 
Fuchs steht lieber bei der Probe, mit den Händen in den Taschen seiner hellen Hose, er setzt sich nur selten hin. Nacheinander lässt er alle Akte durchspielen. Er liest nicht mit, offenbar hat er fast alle Dialoge im Kopf. Dann wendet er sich wieder an eine Akteurin: "Doris, der Text wäre okay, aber du musst das Ganze etwas ärgerlicher sagen, temperamentvoller, energischer." "Doris" heißt im wahren Leben Beate Zepter.
Lustspiele leben von Übertreibungen. Fuchs ist dies bewusst. Das Stück "Airline Wassermann"  ist zwar nicht ernstes Fach, muss aber mit dem gebührenden Ernst einstudiert werden. Denn der Häckerbühne eilt ihr guter Ruf voraus.
Fuchs arbeitet mit den Kitzinger Laiendarstellern seit der Gründung des Ensembles am 5. März 2002 zusammen. Er ist Gründungsmitglied. "Er ist Vater und Mutter, Priester, Psychologe, Freund, Autor, Schauspieler, Photograph, Kostümbildner, Elektronikfachmann, Musiker, graphischer Künstler und spielt noch ein Dutzend andere Rollen", steht auf der Homepage der Häckerbühne über den 1. Vorsitzenden Fuchs.
Der Verein kam dadurch zustande, dass Fuchs den Stadtrat unter Oberbürgermeister Bernd Moser dazu überreden konnte, Budget für eine eigene städtische Theatertruppe locker zu machen.
1981 wurde die Häckerchronik erstmals neu aufgeführt, auch in den beiden folgenden Jahren.  Später hat der Stadtrat beschlossen, die Häckerchronik nur alle fünf Jahre aufleben zu lassen - dann aber richtig professionell. Dazwischen bietet das Ensemble jedes Jahr zwei weitere Stücke an.
  Das Theaterleben begleitet  Helmut Fuchs schon seit Langem. Der 64-Jährige aus Kleinrinderfeld hat sich in seiner Schulzeit in den 1960er Jahren an einem musischen Gymnasium im Theaterspiel üben können. Mittlerweile hat der Verein Häckerbühne 90 Mitglieder von 14 bis 89 Jahren im Ensemble. Nun gibt es für jeden Charakter, für jede Rolle ausreichend potenzielle Darsteller. Fuchs kann auch bei den Statisten aus dem Vollen schöpfen. Denn ältere Mitglieder schlüpfen gerne in die Rollen derjenigen, die nichts mehr sagen müssen.
Fuchs liebt Boulevard-Stücke wie "Erbe wem Erbe gebührt", 2011 in Kitzingen präsentiert, oder "Die Mausefalle", schon einige Jahre her. "So richtiges Bauerntheater liegt mir nicht", gesteht er. "Airline Wassermann" gehe zwar ein wenig ins Milieu Bauerntheater, aber eben nicht ganz.
  
  Geldgieriger Bauer
 Bei dem Lustspiel des Schweizer Autors Daniel Kaiser geht es um einen Bauern, der im wahrsten Sinne des Wortes abhebt. Der reiche und geldgierige Landwirt Eugen Wassermann kommt auf die Idee, eine Maschine zu erfinden, die aus Kuhmist Trinkwasser machen kann. Er steckt sein ganzes Vermögen in diese Erfindung. Wassermanns Ziel ist es, die Lizenz für diese Maschine zu verkaufen und dann auch noch den speziellen Kuhmist dazu zu exportieren. Dazu braucht er aber einen eigenen Flugplatz und eine Fluggesellschaft, die "Airline Wassermann". Um dies zu erreichen, tyrannisiert der Bauer die ganze Gegend, seine Familie und die Nachbarn. Der Hof wird zur Fabrik umfunktioniert.
Dargestellt wird dies im Bühnenbild dadurch, dass die Technik ins Wohnhaus einzieht. Im Büro hängt eine Schalttafel, die Theo Kehm, der Techniker der Truppe, selbst gebaut hat. Akkuschrauber und Schleifgeräte liegen herum. 
Die Bürgermeisterin wird schikaniert, die Nachbarn werden ruiniert. Sogar die Töchter will der Bauer mit reichen Geschäftsherren verheiraten. Und hier wird die Geschichte wirklich brenzlig, denn Heidi und Katrin haben heimliche  Verlobte.
Für die lustige Frühjahrsinszenierung packen alle mit an. Der 75-jährige Richard Dillig zum Beispiel beteiligt sich am Aufbau der Bühne, des Mobiliars und der Requisiten. Seine Mitstreiter sind nicht viel jünger, aber mit Feuereifer bei der Sache.
Helmut Fuchs hat dafür zu sorgen, dass aus dem ganzen Gewusel im Vorfeld ein harmonisches Ganzes wird. Seine Aufgabe ist es, sich mit dem ausgewählten Stück zu befassen und dessen Inhalt zu interpretieren. Im vorliegenden Fall waren einige Schweizer Besonderheiten auf Kitzinger Verhältnisse anzupassen. Aus der Gemeindepräsidentin zum Beispiel wurde die Bürgermeisterin.
Der Regisseur leitet die Akteure an, wie sie mit dem zu zeigenden Charakter verfahren müssen. Die Beziehung der Figuren zueinander muss passen. Auch über das Bühnenbild dachte er intensiv nach. "Das geben die Autoren nicht immer genau vor", sagt Fuchs. Hinzu kommt, dass im Dekanatszentrum die Bühne nicht sehr breit ist. Damit alle Zuschauer, auch die am Rand sitzenden, etwas sehen, dürfen die Raumteiler nicht zu weit nach vorne an den Bühnenrand gerückt werden. Für die Darsteller wiederum bedeutet dies, dass sie nicht "durch die Wand" gehen dürfen, sondern die Türen benutzen müssen. 
Natürlich hätten die Schauspieler ein Mitspracherecht, wenn es darum geht, eine Rolle auszufüllen. Fuchs versichert, er nehme Rücksicht darauf, sich nach den Fähigkeiten des Einzelnen zu richten. Seine Aufgabe als Regisseur sei es dann, die Darsteller an seine Vorstellung heranzuführen.
Ans Aufhören denkt der
 64-Jährige nicht. Schließlich hat er von der Stadt Kitzingen bereits den Auftrag bekommen, die nächste Häckerchronik im Jahr 2015 zu inszenieren.