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Versuchter Totschlag mit einer Glasscherbe


Autor: Franz Barthel

Würzburg, Freitag, 18. Januar 2013

Mit einer Glasscherbe hat ein 29-Jähriger seiner Freundin in den Hals gestochen und dabei nur knapp die Schlagader verfehlt. Wie sehr ihm das alles leid tut, bekundete er tränenreich in der Gerichtsverhandlung am Freitag in Würzburg.


Der Schnitt ging ganz knapp an der Halsschlagader vorbei: Ein Kubaner hat bei einer feucht-fröhlichen Geburtstagsfeier in Würzburg seine Freundin mit einer abgebrochenen Bierflasche dafür "bestraft", dass sie sich seiner Meinung nach zu wenig um den gemeinsamen neun Monate alten Sohn kümmerte.
Vor dem Schwurgericht beantragte Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen am Freitag für den 29-jährigen Küchenhelfer wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und die Unterbringung in einer Entziehungsklinik wegen seines langjährigen Alkoholproblems. Das Urteil wird am Mittwoch verkündet.

Die Verteidigung hielt eine Strafe von vier Jahren für ausreichend.

Blind vor Wut

Der Küchenhelfer hatte sich bei Vernehmungen durch die Kriminalpolizei unmittelbar nach der Tat und erneut in der Gerichtsverhandlung selbst schwer belastet: Wenn ihn nicht ein Sanitäter oder Polizist von der Freundin weggezogen hätte, dann hätte er weiter gemacht, "bis sie ruhig gewesen wäre". Er sei blind vor Wut gewesen. Dass die Stelle, an der er zugestochen hat, höchst gefährlich war, sei ihm dabei bewusst gewesen. Er hatte Glück, die drei Zentimeter langen Schnittverletzungen konnten ambulant genäht werden. Eine "unglückliche" Bewegung des Opfers hätte ausgereicht, so der Oberstaatsanwalt, und es würde in dem Prozess um ein vollendetes Tötungsdelikt gehen. Polizeibeamte und Rettungssanitäter konnten sich übrigens nicht mehr erinnern, wer von ihnen als "Lebensretter" tätig geworden sein und den tobenden Angeklagten weggezogen haben soll.

Lautstarker Streit

Anlass für lautstarke und handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Täter und Opfer (35) soll bei der Geburtstagsfeier, erst in der Wohnung, später im Hof und auf der Straße, gewesen sein, dass die Freundin das neun Monate alte Kind nach Meinung des Angeklagten und seiner Mutter zu häufig in einem Kinderwagen "geparkt" oder Mit-Feiernden in den Arm gelegt habe. Mit einer Glasscherbe, die er angeblich im Garten der Wohnanlage gefunden hatte, will der Kubaner seine Freundin (35) wiederholt bedroht und an ihre Mutterpflichten erinnert haben. Doch die habe ihn nicht ernst genommen, ihn vielmehr beleidigt und schließlich auf die Palme gebracht, als sie androhte, dass er seinen Sohn "ab morgen" nicht mehr sehen werde.

Die Frau lag am Boden

Als der Angeklagte mit den Resten einer Bierflasche zugestochen hat, lag die Freundin auf der Straße und beugte sich schützend über das Baby. Der Kubaner hatte sie verfolgt und zu Fall gebracht, dabei empfand er den Hals der Frau "wie eine Einladung". Zu der Zeit waren wegen der lautstarken Auseinandersetzungen vorher bereits ein Rettungs- und zwei Streifenwagen am Tatort. Als Polizeibeamte und Sanitäter in der Menschenmenge die Ursache für die Randale erkunden wollten, ging neben dem Rettungswagen die Mutter mit dem Kind zu Boden, der Angeklagte stürzte sich auf sie und oben drauf lag dann auch noch ein Jugendlicher, bei dem die Polizeibeamten zunächst nicht sicher waren, auf wen der nun schlug und boxte: Es war, wie sich später herausstellte, ein anderer, damals 15 Jahre alter Sohn der Alleinerziehenden, der seiner Mutter zu Hilfe kommen wollte.
Selten hatte in einem Prozess vor dem Schwurgericht ein Angeklagter bisher einen so großen Bedarf an Papiertaschentüchern wie der Mann aus der Karibik, er weinte häufig und heftig: Immer dann, wenn er sich entschuldigte, bei der Ex- Freundin und deren Kindern, wenn er hörte, dass die Frau nur durch viel Glück überlebt hat, dass sie ohne den Alkohol mit Sicherheit noch bei ihm wäre, dann schluchzte er sofort, hörte aber auch gleich wieder auf, wenn das Gericht meinte, "es reicht".

Einschlägig vorbestraft

Frühzeitiges Geständnis, glaubwürdige Reue, knapp zwei Promille, Spannungen zwischen der damaligen Freundin und seiner Mutter und ein möglicherweise anderes Rollenverständnis von Mutter und Baby im Heimatland des Angeklagten waren für den Oberstaatsanwalt Anlass, beim Strafantrag nicht zu hoch einzusteigen.
Berücksichtigen müsse man allerdings auch, so Boris Raufeisen, eine einschlägige Vorstrafe, auch wegen des Einsatzes einer Glasscherbe bei Streit in einer Disko, dann den schmalen Grat fürs Überleben des Opfers und dass er die Situation ausnutzte, als die Frau sich am Boden schützend über ihr Baby legte.