Druckartikel: Uhren aus Bocksbeuteln gibt es in Volkach

Uhren aus Bocksbeuteln gibt es in Volkach


Autor: Peter Pfannes

, Sonntag, 02. Sept. 2012

Der 72-jährige Herbert Dinkel hat ein ungewöhnliches Hobby: Er baut Uhren aus Bocksbeuteln. Damit die Flaschen heil bleiben, ist Fingerspitzengefühl gefragt.
Blaue Bocksbeutel sind rar und deshalb ein Highlight in Dinkels Uhrensammlung.


"Ich habe ganz schön viel Lehrgeld bezahlen müssen", sagt Herbert Dinkel und lacht dabei. Der 72-jährige Rentner aus Volkach baut seit 25 Jahren Uhrwerke und Zifferblätter in Bocksbeutel. Gerade in den Anfängen seiner Leidenschaft sind ihm beim Aufbohren der bauchigen Flaschen einige Exemplare zu Bruch gegangen. "Bis ich den richtigen Bohrer gefunden habe, gab es reichlich Scherben", erzählt der gelernte Beton- und Kunststeinhandwerker. In seinem Einfamilienwohnhaus hat der dreifache Familienvater eigens eine kleine Werkstatt für sein Hobby eingerichtet. Blaue und grüne Exponate seines Kunsthandwerks zieren die Regale und Wände seiner Wohnung.

Auf die Idee, die nicht alltäglichen Uhren zu basteln, kam Dinkel vor über 30 Jahren. Als Werkstoff verwendet er zunächst keine Bocksbeutel, sondern sogenannte Solnhofener Platten. Die Schichtflächen dieser Natursteinplatten sind wegen ihrer vielfältigen Struktur ein Blickfang für die Augen. Auf ihnen finden sich häufig Dendriten, die wie Farne oder Bäume aussehen können. Die Solnhofener Platten gelten als eine der bedeutendsten Fossil-Vorkommen der Welt. Der Abdruck eines kleinen Fisches in Dinkels Sammlung stellt dies eindrucksvoll unter Beweis.

Mit Steinplatten begonnen


Die Idee für die ersten Steinplattenuhren kommen Dinkel, als er mit seinen Enkeln im Altmühltal in Steinbrüchen unterwegs ist, um nach besonderen Steinen zu suchen. In einem Geschäft in der Stadt sieht er seine ersten Steinuhren. "Da dachte ich mir, das kann ich doch auch." Von Solnhofen nimmt er einige Platten mit nach Hause und lässt sie mit einem Mittel ein, "damit die Struktur besser zum Vorschein kommt". Mit einem speziellen Steinbohrer, mit dem er an seinem Arbeitsplatz bereits vertraut ist, bohrt er Löcher in die Platten. Noch ein gekauftes Quarzuhrwerk, drei Zeiger und ein Zifferblatt, und sein erstes Werk ist vollendet.

Die Erfahrungen, die er in seinem Beruf mit dem Werkstoff Stein gesammelt hat, kommen ihm natürlich bei seinem Hobby zugute. 41 Jahre arbeitet Dinkel bei dem Volkacher Natursteinbetrieb Haupt, bis er 1996 in Rente geht. In seiner Familie, bei Freunden und als Geschenke werden Dinkels Steinplatten-Uhren schnell zum absoluten Renner. "Ich habe mehrere hundert Stück hergestellt", sagt er. Seine Frau Elfriede ist begeistert: "Er macht schon schöne Uhren." Es hat ihr nie etwas ausgemacht, wenn er sich stundenlang in seine Bastelstube zurückzog.

Ein reges Tauschgeschäft


Durch einen Zufall kommt er zu den Bocksbeuteln. Als er beruflich in Iphofen unterwegs ist, lernt er einen Einheimischen kennen, der bereits Bocksbeutel uhren baut. "Der Iphöfer hat sich gefreut, weil er schlecht an Steinplatten herankam", erinnert sich Dinkel. So habe sich ein reges Tauschgeschäft entwickelt: "Bocksbeutel aus Iphofen gegen Steinplatte aus Solnhofen."

Dass eine Bocksbeuteluhr viel schwieriger zu bauen ist als eine Steinuhr, muss Dinkel sehr schnell feststellen. Weil er nicht die richtigen Bohrer verwendet, landen die ersten Bocksbeutel leider im Glascontainer. Mit einem Diamanthohlbohrer und Wasserzuführung gelingen ihm schließlich die notwendigen Löcher im Boden der Bocksbeutel. Durch zwei vier Zentimeter große Löcher in der Bodenplatte kann der Uhrenbauer mit der Hand das Quarzwerk einführen. In den Bauch der Flasche kommt ein weiteres Loch mit einem Durchmesser von einem Zentimeter für die Antriebswelle der Uhr.

Am liebsten blaue Flaschen


Am liebsten verwendet Dinkel blaue Bocksbeutel. "Das ist meine Lieblingsfarbe", erzählt er. Bedauerlicherweise gibt es die blauen Werkstücke nicht immer. Dinkel sammelt die Exemplare, die teilweise mit wunderschönen Ornamenten wie König Ludwig, verschiedenen Schlössern oder Goethe bestückt sind. "Da war es besonders ärgerlich, wenn einer beim Aufbohren gebrochen ist."

Später kommen noch die Drei-Liter-Bocksbeutel hinzu, die allerdings noch schneller zerspringen als die kleineren Varianten. "Sobald man den Bohrer ein bisschen verkantet, ist der große Bocksbeutel sofort kaputt." Auch das Aufkleben der Zifferblätter sieht Dinkel als heikle Sache, denn wenn der Sekundenkleber erst einmal hart ist, dann lässt sich nichts mehr verändern.

Mittlerweile ist Dinkels Verwandtschaft mit tickenden Bocksbeuteln umfassend versorgt. "Die Nachfrage ist nicht mehr groß", schildert er. Das ist auch gut so, denn die erforderliche Fingerfertigkeit lässt natürlich mit zunehmendem Alter nach. Sollte dennoch ein Interessent aus der Familie an der Haustür klingeln, dann geht dieser bestimmt nicht leer aus, denn in Dinkels "tickender Schatztruhe" schlummern noch einige filigrane bauchige Uhren.