Ein umgebauter Schlepper holt neues Anhydritgestein aus dem Labyrinth der Hüttenheimer Grube. Foto: Ronald Rinklef
Hüttenheim liegt südlich von Iphofen am Rande des Landkreises Kitzingen
Blick auf Tannenberg (links) und Bullenheimer Berg (rechts hinten) Foto: Ronald Rinklef
Knauf-Estrichwerk am Fuße des Tannenbergs bei Hüttenheim Foto: Ronald Rinklef
Die Einfahrt in die Grube Hüttenheim erfolgt ebenerdig von der Straße zum Knauf-Werk aus. Foto: Ronald Rinklef
2017 kann das Bergwerk sein 60-jähriges Bestehen feiern. Foto: Ronald Rinklef
Die einzige Zufahrt in die Grube Foto: Ronald Rinklef
Nur wenige Hinweisschilder gibt es in der Grube, die fast zwei Quadratkilometer groß ist. Wer hier eindringt, tut sich schwer, wieder heraus zu finden. Foto: Ronald Rinklef
Gerade Decke und immer wieder mächtige raue Pfeiler: Matthias Reimann (links) und Jens Reimer in der Grube Foto: Ronald Rinklef
Am derzeitigen Grubenende unter dem Bullenheimer Berg wird gerade gebohrt. Foto: Ronald Rinklef
Mit zwei mächtigen Bohrarmen meißelt der Bohrwagen kleine Löcher ins Anhydritgestein. Foto: Ronald Rinklef
Alles Hydraulik: Ein Arbeiter kümmert sich um die Bohrlöcher für die nächsten Sprengungen am Abend. Foto: Ronald Rinklef
Die Markierungen für die Bohrlöcher sind rot auf dem Anhydrit aufgemalt. Foto: Ronald Rinklef
Betriebsingenieur Jens Reimer erklärt die Vorgehensweise: 45 Millimeter breite und drei Meter tiefe Löcher werden im Abstand von 1,20 Meter gebohrt. In ihnen stecken später die Sprengladungen. Foto: Ronald Rinklef
Gebohrt wird mit Wasser, für ein Bohrloch braucht die Maschine ungefähr anderthalb Minuten. Foto: Ronald Rinklef
Dort, wo am Vortag gesprengt wurde, hat sich schon der Radlader postiert. Foto: Ronald Rinklef
Die Sprengung hat den Anhydrit auf passende Brocken verkleinert - bis zu einem Meter lang. Foto: Ronald Rinklef
Die Statue der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, wacht in der Grube über die Arbeiter. Foto: Ronald Rinklef
Da hinten geht's demnächst weiter: Jens Reimer zeigt, was weggesprengt wird und was stehen bleibt. Foto: Ronald Rinklef
Der Radlader belädt ein Schleppergespann mit Hänger Foto: Ronald Rinklef
Auf dem Hänger haben 20 bis 23 Tonnen Gestein Platz. Foto: Ronald Rinklef
Immer wieder Pfeiler, immer wieder Straßenkreuzungen: Diplomgeologe Matthias Reimann (links) und Betriebsingenieur Jens Reimer in der Hüttenheimer Grube, die aussieht wie eine riesige dunkle Tiefgarage. Foto: Ronald Rinklef
Der Schlepper bringt das Anhydritgestein zur Brechanlage. Foto: Ronald Rinklef
Hier werden die Brocken zermahlen. Foto: Ronald Rinklef
Ein 200 langes Förderband bringt das zermahlene Gestein nach oben ins Estrichwerk. Foto: Ronald Rinklef
Das Hüttenheimer Estrichwerk: Hier wird aus Anhydrit Fließestrich hergestellt. Dieser nivelliert sich später am Fußboden selbst und muss nicht nachgearbeitet werden. Er hat aber auch einen Nachteil: Man kann ihn nicht in feuchter Umgebung verwenden. Foto: Ronald Rinklef
Professor Dr. Matthias Reimann Foto: Ronald Rinklef
Betriebsingenieur Jens Reimer Foto: Ronald Rinklef
Tannenberg und Bullenheimer Berg (rechts) bei Hüttenheim: Nichts deutet von außen auf eine Untertage-Grube hin, nur das Estrichwerk am Fuße des Tannenbergs. Foto: Ronald Rinklef
Im unterfränkischen Hüttenheim baut die Firma Knauf Anhydrit ab - ein Gestein, aus dem Fließestrich entsteht. Die Ausmaße der Grube, in die ebenerdig hineingefahren wird, sind riesig.
Platzangst? Hier nicht! Breite Wege ziehen sich gleichmäßig und ausdauernd durch den Berg. Eigentlich passt das Wort "Straßen" besser, unzählige Straßenkreuzungen haben sich seit 1957 gebildet. Es war das Jahr, als die Firma Knauf aus Iphofen begann, unter dem Tannenberg in Hüttenheim (Landkreis Kitzingen) Gestein abzubauen.
Knapp 60 Jahre später zeigt sich die Unterwelt an diesem Ort als ein vier Meter hoher Raum, rund zwei Quadratkilometer groß, gestützt von natürlichen Pfeilern aus Gestein, die stehen geblieben sind. Jede Großstadt hätte damit ihr Parkplatzproblem gelöst. Wie eine gigantische Tiefgarage - nur parken hier keine Autos. 333-PS-starke Lkw-Schlepper sind die einzigen Fahrzeuge, die ihre Runden ziehen. Ihr Ziel: Orte tief drin im Berg, tief im Innern der Grube Hüttenheim, in Bayerns größtem Bergwerk.
Vor 220 Millionen Jahren eine Lagune
Einst gab es hier subtropisches Klima und eine Lagune am Rande eines Meeres. Eine acht Meter dicke Sedimentschicht lagerte sich ab: Anhydrit. Etwa 220 Millionen Jahre ist das her. Nach und nach wurde die Anhydritschicht von anderen Schichten überdeckt. Und nach und nach sorgte die Erosion dafür, dass diese Schichten im Laufe von Jahrmillionen wieder abgetragen wurden. Dort, wo Wasser den Anhydrit erreichte, wurde er - ebenfalls wieder nach Jahrmillionen - zu Gips. Der im Gegensatz zu Anhydrit allseits bekannte Baustoff wird in Hüttenheim schon seit den 1930er Jahren abgebaut - über Tage.
260 000 Tonnen Anhydrit im Jahr
Wer aber an den Anhydrit (aus dem Griechischen: Stein ohne Wasser) gelangen will, muss in der Regel unter Tage aktiv werden, an Stellen, wo die Erosion die aufgelagerten Schichten als Hügel oder Berge hat stehenlassen. Der Tannenberg bei Hüttenheim ist so ein Ort. In der einzigen Untertagegrube Frankens fördert Knauf jährlich rund 260 000 Tonnen Anhydrit.
"Anhydrit wird schon sehr lange zum Abbinden im Zement verwendet", erklärt Matthias Reimann. "Heute nutzen wir ihn zu zwei Dritteln zur Herstellung von Fließestrich, das restliche Drittel geht an die Zement- und Düngemittelindustrie." Reimann, Honorarprofessor an der Universität Würzburg, ist bei Knauf als Bereichsleiter für die Rohstoffsicherung zuständig. 150 Jahre reichen die Vorräte in Hüttenheim noch. Allerdings nicht unter dem Tannenberg. "Der ist durch", sagt Reimann. Die Zukunft der Grube liege seit mehreren Jahren im sich südwestlich anschließenden Bullenheimer Berg, etwa vier Mal so groß.
Mächtige raue Pfeiler
Hinein bis zu den Stellen, wo derzeit Abbau betrieben wird, geht es aber immer noch über den Tannenberg. Es ist die einzige Zufahrt, der zweite Grubenausgang ist nur zu Fuß erreichbar. Von der acht Meter hohen Anhydritschicht sind durchgehend etwa vier Meter abgebaut. Die oberen vier Meter waren zu stark durch Ton- und Kalkeinlagerungen verunreinigt. Aber auch die untere Schicht ist noch sichtbar: in Form von mächtigen rauen Pfeilern. "30 Prozent der Lagerstätte lassen wir stehen", berichtet Jens Reimer, Betriebsingenieur in der Grube Hüttenheim. Die natürliche Stütze wird ergänzt durch Anker aus Eisen, die, in die Decke hineingetrieben, für Stabilität sorgen. "Wir haben in der Grube einen Sicherheitsfaktor von 2, das heißt, wir könnten die Pfeiler auch halb so groß machen, und es würde immer noch reichen", sagt Reimer.
Jeden Abend wird gesprengt
Wer alle bis jetzt befahrbaren Strecken in der Grube zusammenzählt, kommt auf eine Länge von 180 Kilometer. Zehn Mitarbeiter sind in diesem Labyrinth tätig. Sie gehören zu den weltweit 25 000 Knauf-Beschäftigten.
Lärm, gefühlt so laut wie beim Start eines Flugzeugs, dröhnt am derzeitigen Grubenende: ein Bohrwagen, 14 Meter lang, gesteuert von einem Arbeiter. Zwei Bohrhämmer an langen Armen fressen sich im Abstand von 1,20 Meter in das Gestein. Löcher entstehen, 45 Millimeter breit und drei Meter tief, passend für den Sprengstoff. Jeden Abend am Ende der Spätschicht sorgt der Sprengmeister für den Nachschub am folgenden Tag. Über Nacht ziehen die Sprenggase ab, die Frühschicht beginnt mit dem Herausschaffen des gesprengten Anhydritgesteins, bis zu ein Meter lange Brocken. Radlader und Schleppergespanne mit Hänger sind ununterbrochen im Einsatz. 20 bis 23 Tonnen je Fuhre werden zum Brecher gebracht, eine Art Steinmühle. Von dort läuft das zertrümmerte Gestein über ein Förderband nach oben direkt ins Estrichwerk am Grubenrand.
Grundeigentümerbergbau
Kostenlos ist die Anhydritförderung für Knauf nicht. Die Firma zahlt einen Abbauzins an die Winzer und Waldbesitzer über dem Hüttenheimer Bergwerk. Als Grundeigentümer gehört ihnen dieser Schatz im Boden: Anhydrit.
Grube Hüttenheim
Eine Führung in der Hüttenheimer Grube ist nur bedingt möglich. Dazu ist eine persönliche Anfrage bei der Firma Knauf nötig, die von Zeit zu Zeit Sonderführungen mit kleinen Gruppen veranstaltet (halbes Jahr Vorlaufzeit!).