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Tour der Religionen in Kitzingen


Autor: Tom Müller

Kitzingen, Mittwoch, 26. Sept. 2012

Islam-Video und Mohammed-Karikaturen sorgen für Gewalt und Aufruhr in der Welt. In Kitzingen kommen sich die Gläubigen bei einer "Interreligiösen Shuttle-Tour" näher.
Gemeindereferentin Sieglinde Schraut stellt den Mitgliedern der verschiedenen Religionen die katholische Kirche St. Johannes vor.   Fotos: Müller


Ohne Zweifel ging es am Dienstagabend in Kitzingen um einer der wichtigsten Fragen unserer Zeit: Wie denken, leben und feiern Juden, Christen und Moslems? An welchen Gott glauben sie und wie drücken sie diesen Glauben aus? Und vor allem: Wo gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen?
Fragen wie diese bewegten den Integrationsbeirat der Stadt Kitzingen, zu einer "Interreligiösen Shuttle-Tour" einzuladen. Diese wurde im vergangenen Jahr mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt. "Da war der Sprung zu den Erwachsenen nicht mehr sehr groß", so Stadträtin und Integrationsbeauftragte, Astrid Glos. Dass der Termin in eine Zeit fällt, in der den Propheten Mohammed verunglimpfende Kino-Filme die islamische Welt erschüttern, ist ein Zufall, der aber eindrucksvoll die Bedeutung solcher religionsverbindender Veranstaltungen unterstreicht.
Das Schmähvideo war für die Teilnehmer allerdings nur am Rande ein Thema. "Es ist ein abscheulicher Blödsinn, so etwas in die Welt zu setzen", wetterte der evangelische Dekan, Hans-Peter Kern, und erntete damit einhellige Zustimmung. "Man versucht wohl auszuloten", so Saffyie Klein, Dialogbeauftragte des Türkisch-Islamischen Kulturvereins e.V., "wo wirklich die Grenze freiheitlicher Meinungsäußerung liegt und ob man nicht noch einen Schritt weiter gehen kann". Respekt vor der "anderen Religion" sehe anders aus.
"Wir sollten uns gegenseitig kennen lernen und Vorurteile abbauen wollen", erklärte der Kitzinger Imam Arslantasch einladend. In dieser Geisteshaltung machten sich die Teilnehmer auch auf den Streifzug durch die Religionen. Ausgangspunkt war das Judentum mit der Alten Synagoge. Dagmar Voßkühler vom Förderverein Alte Synagoge führte in die jüdische Welt ein. Sie erklärte, dass die Juden im September das Neue Jahr begrüßen, verwies auf den Stammvater Abraham, den alle monotheistischen Religionen gemein haben, und ging auf die Gegenstände ein, die in einer Synagoge Bedeutung tragen wie den Tora-Schrank und das ewige Licht. Kaum war ihr Vortrag beendet, prasselten auch schon Fragen auf sie ein, die an Tiefe und Neugier nicht zu wünschen übrig ließen. "Woran erkennen die Juden den Messias?", wollte die gläubige Muslimin Emine Yildirim wissen. "Hat das, was Moses überbracht hat, denn nicht gereicht?" lautete eine andere Frage.

Begegnung auf Augenhöhe


Fragen und Antworten bewiesen, dass die Shuttle-Tour im besten Fall Appetit auf das Entdecken des Anderen machte. Den Hunger gänzlich stillen, konnte und sollte keiner der rund halbstündigen Besuchstermine. "Dafür laden wir gerne zu Kirchenführungen oder zum Tag der offenen Moschee am
3. Oktober ein", erklärte die katholische Gemeindereferentin, Sieglinde Schraut.
Ihre Heimatgemeinde, die katholische Kirche, war dann auch der nächste Stopp auf der Shuttle-Tour. Getraud Rosenberger erläuterte die Bedeutung der Heiligen, der Kunst und der Musik in der katholischen Kirche. Auf dem Spaziergang in die evangelische Stadtkirche wurde erneut viel diskutiert: "Sie haben viel von Jesus gesprochen - wo aber ist die Rede von Gott?" oder "Wie kann es sein, dass ein Vater die Welt erschaffen hat und jetzt alle nur noch von seinem Sohn reden?". Dekan Kern hatte sichtlich Freude am interreligiösen Dialog.
Wie ein roter Faden zog sich Gemeinsames durch die Religions-Tour. Was viele überraschte: Sogar in der Moschee fanden sich Parallelen zu den vorangegangenen Glaubensrichtungen. Die Worte über Allah in der Thron-Sure, die in der Moschee den Gebetsschrein umgibt, "stehen eins zu eins so in der Bibel", staunte Dekan Kern. Eylen Tamahkar aus der muslimischen Gemeinde steigerte das Staunen dann noch, als sie erwähnte, dass "wir Muslime vielleicht mehr über Maria wissen als die Christen". Zwanzig Seiten im Koran handeln vom Leben der Mutter Jesu.
"Ich bin sehr beeindruckt", verriet Helmut Then, der zwölf Jahre im Kirchenvorstand von Albertshofen saß und "ein großes Interesse an dieser Entdeckungsreise" hatte. "So etwas sollte man unbedingt wiederholen".

Zu diesem Thema hat sich Tom Müller in einem Kommentar Gedanken gemacht:


Zu heiß gekocht


Beim Kochen kann manches gelingen und vieles schief gehen. Vor allem, wenn man sich an fremde Speisen heranwagt. Oft kennt man die Gewürze noch nicht mal, mit denen landestypisch gekocht wird. Schnell geht da mal der Teig nicht auf, das Fleisch verbrennt oder das, was man im Urlaub noch so lecker fand, wird plötzlich zu scharf.
Ähnlich verhält es sich mit den Religionen. Wir bestaunen im Urlaub die Hagia Sophia oder die Blaue Moschee und bewundern islamische Kunstwerke, machen im eigenen Land aber einen geradezu heiligen Bogen um alles Islamische. Ignoranz mag man vielleicht ja noch tolerieren. Vorsicht ist aber angezeigt, wenn mit Gewürzen hantiert wird, die man nicht kennt und nicht im Griff hat. Welchen Gewinn soll es zum Beispiel bringen, auch in deutschen Kinos oder eben im Internet ein Video zu zeigen, in dem mit Halbwissen und Beleidigungen auf Andersdenkende eingedroschen wird? Ist es wirklich ein Segen unserer westlichen Welt, andere Religionen dermaßen in die Pfanne zu hauen? "An ihren Werken werdet ihr sie erkennen", heißt es in unserer Bibel. Verbranntes Essen ist so ein Werk. Es lässt nie auf einen guten Koch schließen.