Therapie von Pferd zu Mensch in Mainbernheim
Autor: Ralf Dieter
Mainbernheim, Dienstag, 10. Dezember 2013
Auf einem Reiterhof bei Mainbernheim leben zehn besondere Pferde. Sie helfen den Menschen bei einer Therapie.
Können Pferde traumatisierten Kindern neues Selbstvertrauen geben? Können Pferde hyperaktiven Kindern zur Ruhe verhelfen? Und können sie perfektionistisch veranlagten Menschen Gelassenheit beibringen? Tatjana Prantl und Christine Thiergärtner sind davon überzeugt. Aus gutem Grund: Sie erleben die positive Wirkung der Tiere auf ihre überwiegend jungen Patienten Tag für Tag.
Seit 15 Jahren gibt es den Therapiehof am Seesteig in Mainbernheim. Seit drei Jahren bieten die beiden jungen Frauen zusammen mit Nicola Prantl die so genannte Pferdegestützte Pädagogik und Therapie (PPT) an. Etwas außerhalb des Städtchens und unmittelbar neben dem Erich-Kästner-Kinderdorf gelegen, hat Tatjana Prantl einen ehemaligen Stall in ein gemütliches Haus umgebaut. Im offenen Stall direkt daneben sind zehn Pferde untergestellt.
Drei Therapiekinder hat Christine Thiergärtner betreut, acht bis neun pro Woche Tatjana Prantl. "Die jüngste war zwei Jahre alt", erzählt sie. Ihr Problem: Muskelschwund. Der Kontakt mit den Pferden hat geholfen, die Muskeln stabilisiert. "Es kommen aber auch Erwachsene zu uns", berichtet Thiergärtner.
Ums Reiten geht es bei den Stunden der ausgebildeten Reittherapeutinnen nur am Rande. "Wir nutzen alle Möglichkeiten für unsere Arbeit, die ein Pferd und sein direktes Umfeld bieten", erklärt Prantl. Will heißen: das Striegeln, das Putzen, das Aufsatteln oder Anbinden sind Teil der Therapie. Genauso wie das Massieren der Tiere.
"Die Pferde sind ein idealer Spiegel", erklärt Prantl und berichtet von einem Mädchen mit einer ausgeprägten Wahrnehmungsstörung. "Es konnte nicht einschätzen, wo eine Gefahr besteht und wo nicht." Und so hat es sich ausgerechnet das größte Tier aus der Herde ausgesucht, um es anzubinden. "Sie war heillos überfordert und gestresst", erinnert sich Prantl. Also haben die beiden das Pferd aus der Distanz beobachtet und bemerkt, dass es ganz ruhig und entspannt war. "Das hat sich dann auf das Mädchen übertragen", erzählt die gelernte Erzieherin. Die Folge: das Mädchen ist selbstsicher geworden und hat das Pferd schließlich ohne Stress anbinden können. Ein wichtiges Erfolgserlebnis.
Raus aus dem Kontakt von Mensch zu Mensch und rein in den Kontakt von Mensch zu Pferd. Gerade für Kinder mit Traumata oder Bindungsstörungen ein hilfreicher Weg. "Diese Kinder haben oft kein Vertrauen mehr in Menschen", erzählt Thiergärtner. Über das Pferd lernen sie, wieder zu kommunizieren. Sie kümmern sich um "ihr" Pferd, spüren dessen Bedürfnisse und bauen eine Beziehung auf, die sich später idealerweise positiv auf ihre Beziehung zu Menschen auswirkt.
30 Stunden sollte die Therapie mindestens umfassen, zwischen 30 und 50 liegt der Schnitt. Die 45 Euro pro Stunde kann sich nicht jeder leisten. Zumal die Krankenkassen in der Regel nichts zuzahlen. "Ganz selten schießen Jugendämter, Bezirke oder die Lebenshilfe etwas zu", berichtet Thiergärtner. Fast immer müssen die Eltern alleine für die Kosten aufkommen. Prantl und Thiergärtner bieten auch deshalb eine Gruppentherapie an mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass Menschen mit Handicap und "ganz normale Menschen" miteinander in Kontakt kommen.
Info PPT Definition
Die Pferdegestützte Pädagogik und Therapie ist eine Arbeitsweise, bei der Menschen durch Pferde ganzheitlich unterstützt und gefördert werden. Mögliche Ziele: Steigerung des Selbstbewusstseins, Lernen mit Ängsten umzugehen, Vertrauensaufbau, Stabilisierung des Sozialverhaltens und viele mehr.
Kontakt: Therapiehof am Seesteig, Großer Seesteig 2, Mainbernheim, Tel. 0170/7320261, Email: tatjana.prantl@seesteig.de