Wer eine Wiese mit Streuobst bepflanzen oder pflegen möchte und nach Fördermöglichkeiten dafür sucht, findet eine ganze Reihe verschiedener staatlicher Programme. Da gibt es Unterstützungen nach Flächengröße oder für einzelne Bäume, für landwirtschaftliche Betriebe und für Freizeit-Obstgärtner. Geld gibt es von der EU oder vom Freistaat, in manchen Regionen auch Zuschüsse von Kommunen. Wer wissen möchte, was für die eigene Streuobstwiese zutrifft, kann sich bei den Landwirtschafts- und Landratsämtern beraten lassen.
Für Winzer Wohlfahrt aus Sommerach ist das nicht mehr interessant. Er geht auf die 70 zu, ein Nachfolger mit Liebe zur Obstgärtnerei ist nicht in Sicht. Er erzählt, wie früher die ganze Familie bei Obstanbau und -ernte zusammen half. Nur so habe sich der Anbau der Früchte rentiert. Nun kommt Wohlfahrt nicht mehr auf seine Kosten. Und die Arbeit auf der Wiese ist für ihn zu viel geworden. „Wenn ein Baum ein paar Jahre vernachlässigt wird, geht es schnell abwärts“, sagt der Winzer. Auch einige seiner Bäume sind schon vom Alter gezeichnet. Sie hätten ersetzt werden müssen. Doch Wohlfahrt entschied sich, die Obstwiese zu roden.
Er ist nicht der Einzige, der den Obstanbau wegen des Alters und der Rentabilität aufgibt. Die immer größeren Lücken auf den Fluren längs der Mainschleife beispielsweise vermitteln ein Bild von diesem Trend. Die Bäume werden sich selbst überlassen und verwildern.
Dabei ist Unterfranken eine der Hauptanbauregionen von Streuobst in Bayern, heißt es bei der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim. Genaue Zahlen gibt es laut Pressesprecherin Meike Maser-Plag nicht. Ein großer Teil der Bestände werde von Privatleuten in der Freizeit oder von Gemeinden bewirtschaftet und deshalb nicht in der landwirtschaftlichen Statistik erfasst. Flächen, Bäume und Sorten im Landkreis Würzburg ließ allerdings die Initiative „Streuobst Mainfranken“ (im Internet: www.streuobst-mainfranken.de ) zusammen mit Landkreis und LWG kartieren.
Das Ergebnis laut Streuobstliebhaber Hubert Marquart, der unter anderem Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands Würzburg ist: Im Landkreis gibt es aktuell 550 Hektar bewirtschaftete Streuobstwiesen mit etwa 50 000 Hochstammbäumen. Allein 190 verschiedene Sorten Äpfel und Birnen ergab die Kartierung in ausgewählten Schwerpunktgemeinden. 120 Hektar Streuobstwiesen liegen im Moment brach.
„Seit der Obstsortenkartierung (von 2007 bis 2010, d. Red.) hat insbesondere in den wichtigsten Streuobstgemeinden des Landkreises, in Erlabrunn und Margetshöchheim, eine Renaissance der Streuobstpflege stattgefunden“, so Marquart. Brachen wurden reaktiviert, Baumpfleger ausgebildet, mit publikumsträchtigen Aktionen Werbung für die Obstwiesen gemacht. Die Main-Streuobst-Bienen Genossenschaft hat sich gegründet und will 2017 die ersten Obstwiesenprodukte unter dem Markennamen „Main Schmecker“ auf den Markt bringen. „Mit einem wirtschaftlichen Erfolg in diesem Sektor schlagen wir ein neues Kapitel bei der Streuobstbewirtschaftung auf“, sagt Marquart. Zusammen mit Baumschulen päppelt die Streuobstinitiative alte Sorten wieder auf, besonders im Hinblick auf die Herstellung sortenreiner Edelbrände.
Gepflegt werden nämlich vor allem jene Sorten, die einen hohen Nutzwert haben und ohne Pestizideinsatz gute Früchte hervorbringen, wissen die Fachleute in der Veitshöchheimer Landesanstalt. Das seien beispielsweise Äpfel wie Roter Boskoop und Jakob Fischer oder Birnen wie die „Gräfin von Paris“, aber auch neue Sorten wie der Apfel namens „Florina“. Etliche ältere Obstsorten entsprächen nicht mehr dem heutigen Geschmacksempfinden und modernen Ansprüchen. So seien Birnensorten, die schnell weich werden und früher zum Dörren verwendet wurden, heute kaum mehr gefragt, so die Fachleute von der Landesanstalt. Bei der Pflanzenwahl für eine moderne Obstwiese unterstützen die Fachberater für Gartenkultur und Landespflege in den Landratsämtern.
Den Forschern in Veitshöchheim ist es ein Anliegen, alte, zum Teil vom Aussterben bedrohte Sorten zu erhalten. Ein Beispiel ist die Röhrlesbirne, die bereits als ausgestorben galt, als 2007 in Uengershausen (Lkr. Würzburg) zwei mächtige, alte Bäume dieser unterfränkischen Lokalsorte entdeckt wurden. Andere Beispiele sind die süßen, aber kleinen Dattelzwetschgen oder die Koch- und Mostbirne „Trockener Martin“ mit hartem Fruchtfleisch.
Die kleine Aufzählung zeigt schon, dass es die traditionellen Streuobstsorten gegen knackiges, hübsches Supermarktobst schwer haben.
Einen tendenziellen Rückgang des Streuobsts sieht denn auch Thomas Riehl, Obstbauberater am Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten (AELF) in Kitzingen in der Region, für die er zuständig ist. Vor allem die zunehmenden Ansprüche der Vermarkter machten den Obstbauern zu schaffen, sagt er. Oder auch die veränderte Lebensweise der Verbraucher. Damit erklärt Riehl beispielsweise das schleichende Verschwinden der Zwetschge, das er beobachtet. Sie sei eine typische Backfrucht. Aber: „Wer von den jungen Familien backt denn heute noch?“
Wenn auch der Zustand der Streuobstwiesen insgesamt verbesserungswürdig sei, so hätten die Initiativen dafür in den vergangenen Jahren zu Verbesserungen geführt, heißt es in der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim. Und auch Brenner Fröhlich sagt: „Ich sehe die Talsohle für die Streuobstflächen durchschritten.“ Denn gesunde Lebensweise, biologische, regionale und selbst erzeugte Produkte nähmen an Beliebtheit wieder zu. Und immerhin: Auch Richard Wohlfahrt aus Sommerach will sich nicht ganz von seinen Obstbäumen trennen.
Eine Reihe Mirabellen längs des Flurweges lässt er stehen. „Die sind für die Touristen. Zum Pflücken. Und vielleicht bleibt ja auch noch etwas für mich übrig.“
Streuobst in Unterfranken
Werbung für den Streuobstanbau in Unterfranken machen mehrere Initiativen. Immerhin sind die extensiv genutzten Streuobstwiesen uraltes Kulturgut. Bis vor wenigen Jahrzehnten lagen sie noch als Gürtel um fränkische Dörfer. Die industrielle Obsterzeugung nahm ihnen die Bedeutung für die Selbstversorgung. Baugebiete ließen die Bestände schrumpfen. Dabei zählen Streuobstwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Allein über 5000 Tier- und 3000 Obstarten sind dort nachgewiesen. Nach Schätzungen des Naturschutzbundes (NABU) existieren bundesweit rund 400 000 Hektar Streuobstbestände, davon über 95 Prozent auf Wiesen, der Rest an Feld- und Wegrändern. Für Erhalt und Pflege der Obstbäume engagieren sich Menschen in allen Regionen. Hier einige Ideen aus Unterfranken:
Der Streuobstlehrpfad Hausen (Lkr. Rhön-Grabfeld) führt durch den noch intakten Streuobstgürtel des Rhöndorfes im oberen Streutal. Besucher können entlang des knapp zwei Kilometer langen Weges auf sieben Schautafeln einiges über Geschichte und Bedeutung des Obstbaus, den Lebensraum Streuobstwiese, die Sortenvielfalt und die Verwertung und Vermarktung erfahren. Im Frühjahr sind dort eine Edelreiserbörse und ein Baumschnittkurs und im Oktober der Hausener Apfelmarkt. Der Bund Naturschutz (BN) im Kreis Haßberge initiierte eine Streuobstbörse nach der Art der Initiative „Mundraub“ (im Internet unter www.mundraub.org ). Früchte, die auf Wiesen und entlang der Straßen nicht geerntet werden, sollen nicht vergammeln, sondern verwertet werden. BN und der Kreisverband für Gartenbau und Landespflege brachten im Herbst Angebot und Nachfrage über eine telefonische Streuobstbörse zusammen. Suchende und Anbieter konnten sich beim BN, im Landratsamt, bei Gemeindeverwaltungen und Straßenmeistereien melden. Die Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) lädt jedes Jahr am zweiten Oktobersonntag zum Streuobsttag.
Dabei informiert sie über die vielen Aspekte des Streuobstbaues. Produkte vom Saft bis zum Brand gibt es zu kosten. Der Würzburger Landschaftspflegeverband als Mitveranstalter informiert über die Möglichkeiten zur Arbeitserleichterung auf der Obstwiese. Der Verein Streuobstinitiative Main-Spessart lenkte mit einem Wettbewerb den Blick auf blühende Obstwiesen, prächtige Apfelbaumalleen oder wuchtige Einzelexemplare von Birn- oder Kirschbäumen. Fotos oder Geschichten konnten eingesandt werden. Die besten wurden prämiert. Für die auf der Homepage des Landratsamtes veröffentlichten Beiträge gab es – Apfelsaft von der Streuobstwiese. Text: bea