Druckartikel: Stoff für eine lebendige Erinnerung in Kitzingen

Stoff für eine lebendige Erinnerung in Kitzingen


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Dienstag, 17. Sept. 2013

Werden herausragende Persönlichkeiten und Orte der Stadt Kitzingen ausreichend gewürdigt? Die Antwort geben die Räte am Donnerstagabend.
Am Landratsamt weist eine Erinnerungstafel an die Heiligen Frauen hin, die damals im Kloster lebten.


"Wir haben schon noch Luft nach oben bei der Würdigung von Persönlichkeiten." Ralph Hartner lässt keinen Zweifel aufkommen: Er sieht Nachholbedarf bei der Stadt. Die Kitzinger Räte können am Donnerstagabend einen würdigen Beschluss fassen.

Der Kitzinger Verleger und Heimatforscher Gerd Högner hat bereits vor fünf Jahren eine Idee an die Stadt herangetragen, die jetzt umgesetzt werden könnte: Eine Erinnerungstafel an herausragende Persönlichkeiten aus der Kitzinger Geschichte wird an deren Wohnhaus angebracht. Ein Vorschlag, der nicht nur Hauptamtsleiter Ralph Hartner, sondern auch die Archivleiterin Doris Badel begeistert. "Das wäre eine ganz wichtige Aktion", sagt sie und nennt zwei Gründe: "Für die Kitzinger selbst würde es die Identifizierung mit ihrer Heimatstadt erhöhen. Und auch die Gäste würden Wissenswertes erfahren.

Gebäude, an denen sie möglicherweise achtlos vorbeilaufen würden, sprechen plötzlich zu ihnen und erzählen ihre Geschichte."

Vorgesehen sind etwa 20 auf 30 Zentimeter große Bronzetafeln mit dem Porträt der entsprechenden Persönlichkeiten und einem erklärenden Text. Ein paar Kriterien müssten dabei allerdings unbedingt erfüllt sein: Die Person müsste beispielsweise Herausragendes geleistet haben, in Kitzingen geboren worden sein oder hier gewohnt haben und das Wohnhaus müsste eindeutig identifizierbar sein. "Es macht keinen Sinn, eine Erinnerungstafel irgendwo anzubringen", warnt Badel. Also muss das Wohn- oder Geburtshaus unbedingt identifizierbar sein. Gar nicht so einfach, wie es klingt.

Dennoch: Badel fallen "auf Anhieb" zehn Persönlichkeiten ein, die alle Kriterien erfüllen, um mit solch einer Tafel gewürdigt zu werden. Ein Mann, auf den die Kriterien auf jeden Fall zutreffen, ist Bartholomäus Dietwar. Die Erinnerungen des evangelischen Pfarrers, geboren 1592, stießen laut Gerd Högner nicht nur im damaligen Deutschen Reich, sondern auch in Holland und in der Schweiz auf großes Interesse. Dietwars Chronik sei für Historiker unverzichtbar. Dem gemeinen Kitzinger dürfte der Name Bartholomäus Dietwar dagegen alles andere als geläufig sein. Eine Erinnerungstafel könnte dem Abhilfe schaffen.

Dietwar beschreibt selber ganz genau, wo er damals lebte: "In der Kirchgasse gegenüber dem Pfarrhofe." Eine absolute Ausnahme. Normalerweise sind Namen und ihre Wohnorte in Kitzingen erst seit 1628 genauer zuzuordnen. Da erschien die Topografie des evangelischen Dekans Salomon Codomann, die sich im Original in der Vatikanischen Bibliothek in Rom befindet und in einer maschinengeschriebenen Abschrift im Stadtarchiv Kitzingen. Diese Topografie versteht sich als eine Art Bestandsaufnahme der seit 1443 vom verschuldeten Hochstift Würzburg an die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach verpfändeten Stadt, die beweisen sollte, wie sich Kitzingen innerhalb von 200 Jahren durch die "Erweiterung und den entstandenen Wohlstand der Stadt" beträchtlich im Wert gesteigert hat. Das Hochstift Würzburg wollte Kitzingen nach etwa zwei Jahrhunderten zum gleichen Preis zurückkaufen. Codomanns Bestandsaufnahme und ein detailgetreues Gemälde von Georg Martin, das die Stadt aus der Vogelschau zeigt, sollten den Landesherren zeigen, dass die Rückkaufsumme mit Recht höher ausfallen müsse.


Achtlose Einheimische und Besucher

In der im Stadtarchiv aufbewahrten Abschrift der Topografie werden auf 63 Seiten Namen von Hausbewohnern exakten Wohnorten zugeordnet. "Vorher wurde in den Steuerbüchern lediglich festgehalten, wie der Hausbesitzer hieß und wie viele Häuser sowie Grundstücke ihm gehörten. So hieß es beispielsweise Georg Holtzmann, 1 Haus ufm Marckt, was nun nicht sehr aussagekräftig war", erklärt Badel. Die Folge: Selbst so verdiente Persönlichkeiten wie Paul Eber oder Konrad Stürzel können nicht zu hundert Prozent einem Geburts- oder Wohnhaus zugeordnet werden.

Trotz aller Schwierigkeiten: Zehn Personen hat Badel aus der umfangreichen Vorschlagsliste von Gerd Högner schon einmal herausgefiltert. Außerdem kann sie sich Erinnerungstafeln an Gebäuden und Plätzen, wie der heutigen Volkshochschule und Stadtbücherei oder am Königsplatz vorstellen.

Anlässlich des Jubiläums 450 Jahre Rathaus Kitzingen (erbaut von 1561 bis 1563) hat sie auch schon einen Vorschlag gemacht: Die eiserne Elle an der Rathausecke sollte mit Hilfe einer Tafel erklärt werden. Die Elle diente im Mittelalter als gültiges Maß der Stadt Kitzingen. Mit ihrer Hilfe konnte die korrekte Länge der Tuchwaren und Stoffe überprüft werden, die die Händler damals auf dem Markt feilboten. 83,3 Zentimeter weist die eiserne Elle in Kitzingen auf.

Tausende Einheimische und Besucher sind in den letzten Jahrhunderten achtlos an ihr vorbeigegangen. Eine Erinnerungstafel könnte dieses wichtige Zeugnis Kitzinger Geschichte zurück in die Gegenwart holen.


Info:

Die Mitglieder des Kitzinger Finanzausschusses beratet am Donnerstag, ab 18.30 Uhr, öffentlich über dieses Thema im Rathaus. Weitere Themen: Verkehrsrechner, Fahrzeuge für den Bauhof und die Erneuerung der Heizungstechnik im Rathaus.