Michael Weible und der Marathon seines Lebens
Autor: Eike Lenz
Iphofen, Dienstag, 23. Juli 2019
Der Iphöfer Michael Weible (27) startet in den Weiten Afrikas zu einem verwegenen Abenteuer. Getragen wird er von seinem Glauben an Gott und einer besonderen Begegnung.
Michael Weible ist nicht einfach nur ein Leichtathlet. Ein „normaler“ Leichtathlet trifft seine Entscheidung, wann und wo er startet, auf rein rationaler Basis oder aus dem Bauch heraus. Fragt man Michael Weible, wie er sich auf den Muskathlon in Kenia, einem Marathon auf 2000 Meter Höhe, eingestimmt habe, richtet er den Blick für einen Moment nach oben und sagt dann: „Ich habe Gott in mein Gespräch genommen und meinen Frieden gemacht.“
Was ist das für ein Mensch, der zuerst Gott und danach die eigene Familie fragt, bevor er sich auf ein Abenteuer wie Mitte Mai in Kenia einlässt? Ein junger Mann, den das schlechte Gewissen plagt bei dem Gedanken, allein des eigenen Nervenkitzels wegen 6230 Kilometer in eines der ärmsten Länder Afrikas zu jetten, dort einen Marathon zu laufen und dann auf schnellstem Weg wieder nach Hause zu fliegen. Eine Reise, ohne Spuren zu hinterlassen, außer den eigenen CO2-Fußabdruck, aber davon wird noch die Rede sein. „Es war immer ein Traum von mir“, sagt der 27-Jährige, „den Sport mit meinem christlichen Glauben zu verbinden.“
Grenzen austesten in traumhafter Kulisse
Den Traum gibt es also, aber so richtig konkret wird er an einem Abend im Herbst 2018. Da fällt Michael Weible ein Flyer in die Hände, der wie eine Verheißung klingt: Das Kinderhilfswerk Compassion wirbt darin für ein ungewöhnliches Projekt: einen Marathon im Hochland Afrikas, bei dem es darum geht, in einer traumhaften Kulisse seine Grenzen auszutesten, aber in einem weiteren Schritt eben auch um Spenden und Patenschaften für die vielen notleidenden Kinder in dieser Region. Michael Weible sieht darin eine Chance: für sich, mehr aber noch für andere. Er sagt, ohne diesen Spendenhintergrund wäre er nicht gestartet. Das zeigt, wie ernst es ihm ist in dieser Sache.
Als er der Familie in Iphofen sein Vorhaben eröffnet, reagiert die nicht gerade begeistert. Laufen und Spenden sammeln könne er auch in Deutschland. Michael Weible, der sich als konservativ bezeichnet und im Innovationsmanagement eines globalen Kitzinger Automobilzulieferers arbeitet, ist in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen. Eine dominierende Rolle aber spielte der Glauben nach seinen Worten nicht. Erst als Teenager fand er den Weg zu Gott – über seine Schwester, die wiederum bei einem Highschool-Jahr in den USA eine „schwierige Zeit“, wie Weible sagt, mit ihrem Glauben an Gott gemeistert hatte. Zurück in Deutschland, nahm sie ihn mit in ihre Gemeinde, einer Freikirche. Er las in der Bibel, und er bat Gott: „Zeig dich mir, wenn es dich gibt.“ Da war Weible 16 und ließ sich erneut taufen.
Zehn Jahre später sitzt ein schlanker junger Mann, der nicht den Eindruck eines besessenen Missionars oder religiösen Ideologen erweckt, in seinem Elternhaus und erklärt seine Motive. „Es geht mir nicht um Bestzeiten. Es geht mir darum, etwas zu bewegen. Etwas Besonderes zu machen für einen guten Zweck.“ Der Muskathlon ist so etwas Besonderes: ein Sport-Event, das „extremen Einsatz erfordert und eine Woche lang an außergewöhnlichen Orten stattfindet“, wie es auf der Veranstalter- Homepage heißt.
Es gibt da nur ein Problem: Michael Weible hat bis dahin kaum Marathon-Erfahrung. Er bevorzugt die kürzere Halbmarathon-Distanz über 21 Kilometer. Nur dreimal wird er bis zu seinem Start in Afrika die vollen 42,195 Kilometer gelaufen sein. Hinzu kommt: ein fremder Kontinent, das ungewohnte Klima – und die Höhe. „Jeder Hochgebirgswanderer weiß, wie schwer das Atmen schon beim normalen Gehen in dieser Höhe ist“, sagt Ralph Müller. Aber der Mann, der Michael Weible vielleicht mit am Besten kennt, sagt auch: „Ich wusste, dass er es schaffen kann.“
Weible läuft am Berg so locker wie im Flachland
Müller ist Weibles Trainer beim TSV Iphofen, hat ihn erlebt im Höhentrainingslager im Ötztal auf ebenfalls 2000 Meter Höhe und sagt: „Er ist da genauso gelaufen wie im Flachland.“ Was den 27-Jährigen so stark macht: „Er hat viel Kraft in den Beinen, und er ist leicht.“ Ein Fliegengewicht sozusagen, Müller empfahl seinem Athleten, etwas an Masse zuzulegen – zumindest zwei, drei Kilo.