Herr B. und das Tret-Verlangen
Autor: Wilhelm Roos
Kitzingen, Freitag, 07. Oktober 2016
Fußball ist nach wie vor der ungekrönte König, was die Mitgliederzahlen betrifft. Ein Sportlehrer hatte jedoch seine Probleme mit dem runden Leder.
Fußball macht Spaß – den meisten Menschen zumindest. Es gibt aber Ausnahmen. Einer der mit dieser Disziplin überhaupt nichts anfangen konnte, war mein erster Sportlehrer am Riemenschneider-Gymnasium in Würzburg. Diese Zeit liegt zwar Jahrzehnte zurück, Otto B. kommt mir aber immer wieder einmal in den Sinn. In jüngster Zeitz sogar verstärkt Er war ein Mann der alten Schule, der die Schüler in erster Linie durch das Geräteturnen fit machen wollte.
Nur in den letzten zehn Minuten jeder Turnstunde gab es für uns so etwas wie Mitbestimmung. Dann hatten wir die – in seinen Augen – freie Wahl einer Ballsportart. Natürlich wollten wir damals Fußball spielen, was aber stets abgelehnt wurde. Diese Disziplin führte Herr B. nicht in seinem Programm. So blieben Faust- oder Völkerball für uns als Betätigungsfeld übrig. Für die meisten von uns war diese Wahl immer noch besser als die Turngeräte-Qual.
Interessant hörte sich allerdings die immer wiederkehrende Begründung an, warum er uns keinen Fußball spielen ließ. Unserer regelmäßigen Nachfrage war stets dieselbe Antwort beschieden: „Fußball ist das tierische Verlangen nach dem Treten!“
Wenn ich heute Fußballspiele ansehe, kommt mir Herr B. häufiger in den Sinn. Beim Blick auf die zunehmende Zahl von Chaoten auf den Zuschauerrängen verstehe ich ihn mittlerweile sogar manchmal. Vielleicht war er seiner Zeit auch nur einige Jahre voraus. Fußball ist deshalb so beliebt, weil die meisten Regeln leicht verständlich sind.
„Das Runde muss ins Eckige“, verkündete schon Sepp Herberger. Der Reichs- (1936 bis 1942), Bundestrainer (1950 bis 1964) und Weltmeistermacher von 1954 wusste auch: „Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Wenn's nur so einfach wäre.
Stefan Roth ist auch schon einige Jahre im Trainergeschäft und hat aktuell das sportliche Sagen beim Hohenloher Fußball-Bezirksligisten SGM Taubertal/Röttingen. Seit Montag versteht er die (Fußball-)Welt noch ein bisschen weniger. Wobei der Anlass ein durchaus erfreulicher ist. Aus dem Doppelspieltag 1./3. Oktober gingen seine Schützlinge mit vier Punkten hervor. Und das – nach Ansicht von Roth – mit den bisher schlechtesten Saisonleistungen. In anderen Spielen hätte seine Mannschaft viel besser gespielt, aber verloren, schüttelt der Übungsleiter verzweifelt seinen Kopf.
Tja, Fußball kann eben so einfach sein. Wer das Runde am häufigsten ins Eckige bringt, gewinnt. Basta! Eine B-Note für Schönspielerei gibt es in dieser Sportart nicht. Wobei selbstverständlich „schön (und fair) spielen und gewinnen“ natürlich die absolute Krönung für den vermeintlichen König aller Sportarten ist. In diesen eher seltenen Momenten hätte Fußball möglicherweise sogar Sportlehrer Otto B. etwas freundlicher gestimmt.
An der unangefochtenen Spitzenposition des Fußballs in der Mitgliederstatistik gibt es nichts zu rütteln. Der Deutsche Fußballbund ist und bleibt diesbezüglich das Maß aller Dinge. Über 6 889 115 Millionen Mitglieder verfügte der Deutsche Fußballbund im Jahr 2015. Weitere (Mitgliedschafts)-Millionäre waren der Deutsche Turnerbund (4 970 104), der Deutsche Tennisbund (1 413 995), der Deutsche Schützenbund (1 356 900) und der Deutsche Alpenverein (1 053 410).
Fußball und Alpenverein hatten darüber hinaus als einzige aus diesem illustren Millionärs-Feld Zuwächse zu verzeichnen.