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Einen Manuel Neuer bezahlen wir alle


Autor: Eike Lenz

Kitzingen, Freitag, 10. März 2017

Gierige Manager stehen in der Kritik, aber warum erregt sich keiner über die Millionengehälter der Herren Fußballprofis? Immerhin finanziert sie der Steuerzahler mit.


Neulich kam mein Sohn, siebeneinhalb Jahre, mit einem Witz um die Ecke. Was ist der Unterschied zwischen einem Fußballspieler und einem Bankräuber? Nun, der Bankräuber ruft: „Geld her, oder ich schieße.“ Der Fußballer: „Geld her, oder ich schieße nicht.“ Ich fragte meinen Sohn, ob er eine Ahnung habe, was einer wie Manuel Neuer im Jahr verdiene. „Drei Millionen?“, sagte er unsicher. „Viel mehr“, entgegnete ich, ohne zu wissen, wieviel Bayern München seinem kickenden Angestellten nun genau überweist. „Weißt du denn“, wollte ich noch von meinem Sohn wissen, „warum Manuel Neuer so viel bekommt?“ – „Na ja, weil er der beste Torwart der Welt ist.“

Jeder erwachsene Einwand hat es schwer gegen diese entwaffnende Logik, zumal die ja nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Wenn es in der Welt einer zum Besten seines Faches gebracht hat, dann soll ihm dies auch entsprechend vergolten werden. Dagegen ist wohl nichts einzuwenden.

Die Frage ist immer: Wieviel mehr dessen, was ein normaler Mensch bekommt, ist in so einem Fall angemessen? Das Zwanzigfache, Fünfzigfache, Hundertfache? Kann ein einzelner tatsächlich so gut sein, dass er zehn oder zwanzig oder vierzig Millionen Euro pro Jahr verdient? Die Gesellschaft dürfte auf diese Frage keine verbindliche Antwort finden, vielleicht weil es keine allgemeingültige Antwort gibt.

Jeder wird die Messlatte woanders anlegen und jeder wird seine Gründe dafür haben – sei es, weil er ähnlich viel kassiert wie Neuer und dies nur für recht und billig hält; sei es, weil er einfach ein Fan des FC Bayern und seines brillanten Torhüters ist. Man kann diese Debatte ja auch aus sehr unterschiedlichem Blickwinkel führen.

Man kann sie von der Warte des Wirtschaftsliberalen aus führen und die These vertreten, Neuer lege bloß seinen Marktwert zugrunde und bewege sich im freien Spiel der Kräfte. Man kann sie vom Standpunkt des Pragmatikers aus führen und sagen, Neuer sei das Geld schon allein deshalb wert, weil er es seinem Arbeitgeber doppelt und dreifach zurückzahlt: als Leistungsträger, als Werbeikone, als Identifikationsfigur.

Man kann die Diskussion aber auch von der Warte des Moralisten aus führen, andere würden behaupten – von der des Populisten: Leisten andere, die viel weniger verdienen – Polizisten, Pfleger, Krankenschwestern – nicht einen weitaus höheren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft? Und müssen die sich nicht seltsam verhöhnt vorkommen?

Warum diskutiert Deutschland dieser Tage über exorbitante Managergehälter, und die Gagen der Herren Profifußballer bleiben völlig außen vor? Wenn der Vorstandschef einer Großbank oder eines Konzerns mit zehn Millionen Euro Gehalt im Jahr überbezahlt ist, dann ist es ein Spitzensportler, der sein Hobby zum Beruf machen durfte, erst recht.

Der Profifußballer aber steht – nicht nur hierzulande – unter einem obskuren Artenschutz, der teilweise paranoide Züge trägt. Sein Sport gilt als heilige Kuh, die nicht gemolken und schon gar nicht geschlachtet werden darf. Dabei ist sie so fett und so ranzig geworden, dass sie mal ordentlich entschlackt werden müsste. Der Fußball wird nicht besser, wenn man immer mehr Geld hineinstopft, die Spieler werden nur reicher. Den deutschen Steuerzahler ficht das sowieso nicht an, lieber lässt er sich selbst melken.

Vielleicht, weil es ihm gar nicht bewusst, dass er den Gigantismus und Größenwahn der Klubs mindestens mittelbar subventioniert. Wenn Vereine und Konzerne Spitzengehälter unlimitiert als Betriebsausgaben absetzen können, zahlt die Allgemeinheit mit. Bei den Fußballern kommt noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen hinzu, das den Klubs jährlich Millionen überweist, die wir alle im Land über die GEZ-Gebühren, eine Art Kopfsteuer, entrichten.

Meinen Sohn dürfte dies in seiner Begeisterung für Manuel Neuer nicht bremsen – er bezahlt weder Steuern noch GEZ-Gebühr.