Bald keine Jugend an der Tischtennisplatte?
Autor: Gerd Ludwig
Kitzingen, Samstag, 03. November 2012
Jugendliche sind das Kapital für die Zukunft - ohne die Kids wird es bald keine Vereine mehr geben. Was ist, wenn sich kein Kreisjugendwart findet, der sich um den Nachwuchs kümmert und Turniere organisiert. Im Kreis Kitzingen ist dies länger der Fall. Ab sofort gibt es keine Jugend-Einzelturniere mehr.
Momentaufnahme - Mai 2011, der langjährige Tischtennis-Kreisjugendwart Gerhard Hahn (TSG Sommerhausen) und sein Stellvertreter Oliver Sponsel (TV Etwashausen) stellen sich, wie schon länger vorher angekündigt, beim Kreistag nicht mehr zur Wahl. Nachfolger sind nicht in Sicht. Wie in der Schule, wenn abgefragt wird, ziehen alle die Köpfe ein. Reinhard Pfenning (SV Kürnach), Kreisvorsitzender, sieht sich in der Verantwortung für den Nachwuchs, befristet sein kommissarisches Wirken als Kreisjugendwart bis zum 30. Juni 2012. Immerhin geht es um die spielerische Zukunft rund 300 Jugendlicher, über ein Viertel der gesamten Spieler im Kreis.
Über ein Vierteljahr hat Pfenning nun drangehängt und Mitte Oktober die Kreiseinzelmeisterschaft der Jugend in Ochsenfurt durchgeführt. "Da richtete ich nochmals einen dringenden Appell an die zahlreichen Spieler, Eltern und Betreuer und schilderte die Situation." Das gleiche habe er schon bei den Erwachsenen-Kreismeisterschaften gemacht: "Ich habe die Gelegenheit genutzt, erneut den Ernst der Lage zu betonen und die Leute direkt zu informieren." Denn er sei sich nicht sicher gewesen, ob die Infos von den Abteilungsleitern weitergegeben werden. - All das ist nur das Ende langer Bemühungen und vieler Gespräche, um Nachfolger für dieses wichtige Amt zu finden.
"Seit Mai 2011 sprach ich und meine Kollegen sehr viele Sportfreunde an, die qualifiziert gewesen wären - ergebnislos", zuckt Reinhard Pfenning die Achseln. Im April 2012 schrieb er nochmals alle Vereine an und zeigte das Szenario von der Einstellung des Einzelspielbetriebs der Jugend auf - null Reaktion.
"Keiner hat zu mir etwas gesagt - es kam immer nur die Frage: Hast du jetzt schon einen Kreisjugendwart?" Und er legt nach: "Die Jugendleiter in den Vereinen sind zwar interessiert, dass es einen gibt, zur Lösung konnten sie bis jetzt nichts beitragen." Wieweit dieses Problem in den Abteilungsversammlungen erwähnt werde, wisse er nicht. "Wahrscheinlich nur als Randnotiz", vermutet Pfenning. Bisher sei es für die Vereine nur ein Randproblem, das erst akut werde, wenn der Jugendeinzelspielbetrieb nicht mehr stattfindet. "Mangels Kreisjugendwart ist Letzteres leider ab sofort der Fall", gibt der Kreisvorsitzende eine deutliche und unmissverständliche Ansage.
Keine Jugend-Kreisturniere mehr
Er definiert die Konsequenzen: "Der Einzelspielbetrieb der Jugend wird gekürzt. Es entfallen die drei Kreisranglistenturniere und die Schülermannschaftsmeisterschaft. Die Spieler können sich nicht für die nächsthöhere Ebene qualifizieren, da es weder Kreisturniere gibt noch eine Weitermeldung an den Bezirk erfolgt. Denn bis auf weiteres gibt es keinen Kreisjugendwart." Nur in der Mannschaft könne der Tischtennis-Nachwuchs nun noch Liga-Wettbewerbe ausspielen.
Reinhard Pfenning ist kein Mann, der den Jugend-Einzelsport leichtfertig den Bach heruntergehen lässt. Der Tischtennissport und besonders der Nachwuchs liegt ihm am Herzen. Er selbst hat beim SV Kürnach fast 20 Jahre das Training der Kids geleitet.
Dennoch geht er nun diesen Schritt, da die Vereine und der Kreistag entschieden haben - sie fanden keinen Kandidaten - dass es keinen Kreisjugendwart gibt: "Ich habe seit dem Kreistag 2011 alle Abteilungsleiter angesprochen, alle Abteilungen angeschrieben. Informationen an die Vereine gemailt und auf die Homepage gestellt, welche Aufgaben ein Kreisjugendwart zu bekleiden hat - absolut null Resonanz."
Dass sich bisher keiner meldete, dafür hat er eine Erklärung: "Die eh schon viel Jugendarbeit machen, sagen, das ist uns zuviel." Meist stünden diese Leute mehr als zwei Mal in der Woche in der Halle, betreuen Spiele und Turniere. Bei den anderen sei es schlicht Desinteresse. "Die argumentieren total unsinnig: Wir haben und machen keine Jugendarbeit, also sind wir gar nicht gemeint, wenn es um die Position eines Kreisjugendwartes geht."
In Vereinen stark eingebunden
Und die großen Vereine, die viele Jugendliche in ihren Reihen haben - TV Etwashausen, TV Ochsenfurt, TG Heidingsfeld, SC Heuchelhof? "Über Oliver Sponsel hatte ich den Kontakt zum TV Etwashausen". Sponsel selbst sei sehr intensiv in die Jugenarbeit des TVE eingebunden und könne nicht noch mehr Aufgaben übernehmen. Innerhalb der Abteilung sei auch niemand.
Wie Pfenning betonte, sei die TG Heidingsfeld in der Jugendbetreuung "eine Beinahe-One-Man-Show, mit einem 76-jährigen Dieter Spickermann an der Spitze." Der mache sehr viel in Heidingsfeld, stehe selbst dort aber meist alleine da.
Mit dem TV Ochsenfurt habe es einige intensive Gespräche gegen: "Abwarten, überlegen, aber letztendlich kam ein Nein." Auch Heuchelhofs Jugendleiter Rainer Ziegler sei drei Mal in der Woche in der Halle. "Er könne es wirklich nicht machen."
Was ist dran am Amt des Kreisjugendwarts, dass sich jeder davor scheut: "An fünf Sonntagen im Jahr führt der Kreisjugendwart zusammen mit dem ausrichtenden Verein eine Kreiseinzelmeisterschaft, drei Ranglistenturniere und eine Schülermannschaftsmeisterschaft durch", so Pfenning. Er bezeichnet den Zeitaufwand pro Turnier auf rund acht Stunden bei Vor- und Nachbereitung plus die Turnierdauer. Annahme der Anmeldungen und Weitermeldung der Qualifizierten würden in dessen Aufgabenbereich fallen. Rund acht Monate im Jahr hätte der Kreisjugendwart kaum etwas zu tun. Lediglich Oktober (Kreiseinzelmeisterschaft) und der späte Winter bis Frühjahrsanfang wären die Schwerpunkte seiner Arbeit. "Das Amt ist altersunabhängig. Es kann ein interessierter 20-Jähriger wie ein 70-Jähriger bekleiden." Es müsse selbst nicht einmal ein aktiver Spieler sein, auch Eltern und Fördermitglieder könnten diese Aufgabe übernehmen, so der 50-jährige Funktionär. Auch können die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden. Der oder die Neuen würden von Pfenning selbst oder dem ehemaligen Kreisjugendwart Gerhard Hahn eingearbeitet werden, bietet er an.
Der Kreisvorsitzende hofft, dass die Vereine die Situation begreifen. Wenn nicht, sieht er schwarz für den Tischtennis-Sport im Kreis Kitzingen: "Betrachtet man die Altersstruktur (Anm. d. Red. Durchschnitt 42 Jahre bei den Erwachsenen) und malt sich aus, was passiert, wenn keine Jugendlichen mehr nachkommen. Dann kann man sich ausrechnen, dass einer in 20 Jahren die letzten Hallen absperrt." Noch gibt er die Hoffnung nicht auf - aber es ist schon weniger als Fünf vor Zwölf - Momentaufnahme November 2012.