Sorgenvoller Blick nach Ägypten
Autor: Nina Grötsch
Kitzingen, Sonntag, 25. August 2013
Die Unruhen in Kairo berühren auch die Kitzinger - die einen persönlich, die anderen mehr geschäftlich. Alexandra und Walter Graf haben drei Jahre als Lehrer in Ägypten unterrichtet. Die Firma Leoni hat dort drei Werke.
           
Auf den Bildern vor ihnen sieht Kairo so aus, wie Alexandra und Walter Graf es in Erinnerung haben. So ganz anders als auf den Bildern, die derzeit über ihren Fernsehbildschirm flimmern oder die sie tagtäglich in der Zeitung sehen müssen. Beim Gedanken an den Ausnahmezustand, der derzeit in Ägypten herrscht, gefriert das Lachen auf den Gesichtern der beiden Lehrer.
Zwölf Jahre ist es her, dass die beiden jeweils drei Jahre lang an deutschen Schulen in Kairo gearbeitet haben. "In den Nachrichten habe ich die Ecke erkannt, an der ich mir immer ein Taxi gewunken habe", erzählt Alexandra Graf. "Vom Restaurant dort ist nichts mehr zu sehen." Auch die Straße, durch die sie früher oft mit dem Bus gefahren ist, gibt es nicht mehr. Sie wurde zugemauert, um die Wege zum Tahrir-Platz einzuschränken. Dort fahren jetzt Panzer. 
Die Verbindung nach Ägypten haben die beiden Lehrer nie verloren. Sie halten Kontakt zu Kollegen vor Ort und organisieren seit zehn Jahren Begegnungen zwischen ägyptischen und deutschen Schülern aus dem Marktbreiter Gymnasium, an dem sie beide tätig sind. Erst im Juli war wieder eine Gruppe zu Besuch - und auch hier machten sich die Unruhen schon bemerkbar.
Viele ägyptische Familien hatten mit einer Ausweichunterkunft für den Fall der Fälle vorgesorgt. Da gab es zum Beispiel einen Onkel in Köln, bei dem der Schüler hätte unterkommen können, wenn die Lage in Kairo zu dem Zeitpunkt eskaliert wäre. "Gott sei Dank fliegt ihr nach Marktbreit, da seid ihr wenigstens für zwei Wochen in Sicherheit", hätten die Eltern gesagt. Für die Grafs, die selbst drei Kinder haben, ein beeindruckender Beleg dafür, wie groß die Sorge und Angst in Kairo sein muss.
Wenn Alexandra Graf zurückdenkt, erinnert sie sich an Kairo als sichere Stadt. "Ich habe mich dort sicherer gefühlt als in mancher deutschen Großstadt." Kairo war für sie eine moderne Stadt. Dass es dort aktuell teilweise keinen Strom und kein Wasser gab, ist für die beiden Kitzinger unvorstellbar.
Das Problem heute sei, dass viele Ägypter nach der Revolution 2011 nicht mit ihrer neu gewonnenen Freiheit umzugehen wüssten. "Die Ägypter sind duldsam, aber nicht geduldig", sagt Walter Graf. "Das macht sie schnell unzufrieden."
Ausgangssperre gibt Schichtplan vor
Neben persönlichen Beziehungen gibt es zwischen Kitzingen und Kairo auch geschäftliche Verbindungen. So hat zum Beispiel die Firma Leoni Mitarbeiter vor Ort - stolze 4500 an der Zahl. "Es handelt sich dabei zum Großteil um ägyptische Landsleute", erzählt Bernd Buhmann, Leiter Unternehmenskommunkation. Leoni zähle in Ägypten zu den großen internationalen Arbeitgebern. Das größte der insgesamt drei Werke befindet sich mit 3700 Mitarbeitern in Kairo.
Keine Frage, dass die Unruhen dort auch Einfluss auf die Arbeit genommen haben. Gleichwohl ist Buhmann überzeugt, rechtzeitig und richtig auf die Situation reagiert zu haben. Der normale Drei-Schichtbetrieb wurde auf zwei Schichten umgestellt - damit umgeht Leoni zum einen die aktuelle Ausgangssperre zwischen 19 Uhr abends und 6 Uhr am Morgen und stellt zum anderen im Tages- und Nachtschichtsystem die Produktion sicher. Als die Ausschreitungen in Kairo jetzt so extrem waren, lag die Anwesenheitsquote der Mitarbeiter an einem Tag dennoch nur bei 82 Prozent. Die Sicherheitslage rund um die Stadt sei vielen, gerade Frauen, zu unsicher gewesen, sagt Buhmann, der täglich im Kontakt mit seinen ägyptischen Kollegen steht. Mittlerweile läge man aber wieder bei über 90 Prozent. "Die Leute haben gemerkt: Die Sicherheit im Werk ist gewährleistet und auch auf dem Weg dorthin herrscht keine Gefahr." Laut Buhmann ist es üblich, dass die Beschäftigten mit eigenen Bussen zur Arbeit und wieder nach Hause gebracht werden.
Da die Unruhen in Ägypten nicht erst seit gestern herrschen, habe man aus der Vergangenheit schon viel lernen können. Auch ein gewisses Maß an Lagerware war vorproduziert, so dass man nicht gleich in Probleme geraten wäre, hätte die Produktion von Kabel und Bordnetzsystemen doch mal still gestanden. Der Werksleiter in Kairo hat die Lage laut Buhmann gut eingeschätzt. Bisher komme man mit dem Ausnahmezustand sehr gut zurecht. Nichtsdestotrotz wünscht er sich natürlich eine Entspannung der Lage und eine Rückkehr in alte friedvolle Zeiten. Eine Hoffnung, die Alexandra und Walter Graf nur teilen können.