Sind die Menschen in Kitzingen glücklicher?
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Dienstag, 16. April 2013
Lena, Lisa, Stijepan, Leonie und Duygu fühlen sich gut - viel besser als der Durchschnitt der deutschen Jugendlichen. Macht das Leben im Landkreis Kitzingen zufriedener als anderswo?
Von wegen reich, aber unglücklich! Im Raum Kitzingen scheinen die Jugendlichen viel zufriedener zu sein als ihre Altersgenossen im Deutschland-Durchschnitt. Wer sich mit Schülern unterhält, begegnet vielen selbstbewussten jungen Menschen, für die weder Leistungsdruck noch Selbstzweifel beherrschende Themen sind.
Wie kommt das? Laut der aktuellen Unicef-Studie müssten sie viel unglücklicher sein. Demnach ist Deutschland zwar Weltspitze, wenn es um die äußeren Lebensumstände der Jugendlichen geht: um Bildung, Wohnung, Umwelt, materielle Ausstattung. Im internationalen Vergleich bewerteten die deutschen Schüler ihre "innere Zufriedenheit" jedoch richtig schlecht - Deutschland kam auf den 22. von 29 Plätzen. Von einseitiger Konzentration auf Leistung war die Rede, von Notendruck und zu wenig Möglichkeiten der Mitgestaltung.
Das können viele Jugendliche aus Kitzingen und Umgebung nicht nachvollziehen.
Mit ihm, dem Jugendamt und der Polizei laufe derzeit ein Anti-Gewalt-Projekt, berichtet Duygus Klassenkameradin Leonie Schmidt. So etwas sei interessant und sinnvoll, obwohl "wir hier keine Angst vor anderen Schülern oder Lehrern haben müssen", stellen die beiden Sechstklässlerinnen Lena Herrmann und Lisa Turnbull übereinstimmend fest. "Wir werden nicht rumgeschubst oder so."
"Wir werden ernst genommen"
Die beiden Elfjährigen aus Sulzfeld und Kitzingen geben sowohl ihren äußeren Lebensumständen als auch ihrer inneren Zufriedenheit Top-Noten zwischen 1 und 2. Genau wie Duygu und Leonie. Alle vier Mädchen haben das Gefühl, von den Erwachsenen um sie herum ebenso respektiert zu werden wie von den Mitschülern.
Dass die Bewertung des DPE-Schülersprechers in Sachen persönlicher Situation eine Note schlechter ausfällt, hat einen einzigen Grund: "Beide Elternteile arbeiten bei Fehrer", erklärt Stijepan Nikolic. Der drohende Arbeitsplatzverlust belaste die Familie natürlich sehr. Abgesehen davon, könne er sich jedoch nicht beschweren. Der 18-jährige Sickershäuser überlegt, nach der Mittleren Reife vielleicht noch Fachabi zu machen. "Es ist gut, dass man da heutzutage alle Möglichkeiten hat."
Genügend Freizeit
Trotz der schulischen Anforderungen "habe ich auf jeden Fall noch genügend Freizeit", findet Stijepan. "Meine Noten sind okay. Sie könnten bestimmt noch etwas besser sein, wenn ich mich öfter hinsetzen würde." Er gehe einen "entspannten" Weg, der ihm noch Zeit für Hobbys lasse.
Auch Gymnasiastin Verena Haberkorn erstickt nicht in der Arbeit für die Schule. Im Gegenteil. Die 16-jährige Sulzfelderin, die im Armin-Knab-Gymnasium den naturwissenschaftlichen Zweig gewählt hat, pflegt viele Hobbys: Sie spielt Saxophon, Klarinette und Klavier, reitet, schwimmt und ist begeisterte Leichtathletin. Stress? Verena lacht. "Jeder hat ein anderes Limit", meint sie. "Für mich ist das kein Stress."
"Wichtig ist, dass man keinen Druck bekommt, weder von Zuhause noch von der Schule, sondern dass man von sich aus was leisten will", stellt Lena Dickmeis klar. Die 15-jährige Rottendorferin ist ebenfalls Zehntklässlerin im AKG. Obwohl sie auf dem sprachlichen Zweig zum Beispiel viele Vokabeln können muss, "lerne ich pro Tag nie mehr als eine halbe Stunde". Wenn man im Unterricht aufpasse, gehe das. So habe sie immer noch genug Zeit fürs Mailen mit Freunden, fürs Einrad fahren, für Volleyball und für die Musik: Auch Lena spielt drei Instrumente. "Man braucht einen Ausgleich zur Schule."
Sind Verena und Lena vielleicht einfach nur besonders begabte Schülerinnen, denen generell alles zufliegt? "Ich habe schon gute Noten, aber es ist auch nicht schlimm, wenn mal eine schlechte dabei ist", meint Lena. Beide betonten, dass ihre Eltern sich zwar für ihre Schulerlebnisse interessieren, aber keinen Stress deswegen machen. Auch in der Schule selbst sei der Zusammenhalt gut. "Eigentlich werden alle akzeptiert und respektiert." Konkurrenzkampf? Mobbing? Neid? Lena und Verena schütteln beide den Kopf. "Bei uns nicht. Echt nicht."
Das sagt der Fachmann:
Leistungsdruck Stefan Wolbert, Konrektor der Richard-Rother-Realschule, sagt: "Leistungsdruck ist da - in der Schule wird nun mal Leistung gemessen. Druck kann aber auch vom Elternhaus kommen und definitiv von der Gesellschaft. Es ist gut, dass in den Personalbüros zunehmend Wert auf Rhetorik, Teamfähigkeit, Engagement etc. gelegt wird - nicht nur auf Noten."
Wandel In der Schule werde heute viel für ein friedliches Zusammenleben getan: Anti-Mobbing-Kurse, Streitschlichter, "Schule ohne Rassismus", internationale Schulfeste, Patenschaftsprojekte: "Da wird viel Positives in den Schulalltag hineingetragen. Und das fruchtet."
