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Sickershäuser Geometer stürmen das Rathaus


Autor: Gerhard Bauer

Sickershausen, Sonntag, 07. Oktober 2012

Auch wenn die Tradition noch recht jung ist: Der Rathaussturm in Sickershausen spornt nicht nur die Geometer um Rouven Pfau und Christian Kehrer jedes Jahr aufs Neue an, sondern begeistert auch die Zuschauer.
Christian Kehrer und Rouven Pfau vor dem Rathaus.  Fotos: G. Bauer


Was für ein Spektakel: Für den Sturm aufs verschlossene Rathaus denken sich die Sickershäuser Geometer immer wieder neue Tricks aus - und freuen sich, wenn der Oberbürgermeister den überdimensionalen Schlüssel herausrückt. Und auch die Sickershäuser Bürger sind Feuer und Flamme für die 23 Jahre alte Tradition. "Es begeistert uns Bürger und macht neugierig, was sich die Geometer in diesem Jahr wieder haben einfallen lassen", hat Willi Schöfberger seine Besuche vor dem Rathaus mit der obligatorischen Zeremonie noch nie bereut und kam auch in diesem Jahr voll auf seine Kosten.

Weiße Flagge statt Sprengstoff


Zunächst kam der ehemalige Geometer Martin Fink als Monteur und versuchte die Rathaustür mit allerlei technischen Hilfsmitteln zu knacken - vergeblich.

Es scheiterte auch der Sturm mit Leitern durch die Rathausfenster, bis die Geometer auf die Idee kamen, ein Fass mit Sprengstoff und einem großen Wecker als Zeitzünder vor die Tür zu rollen.
Da öffnete sich die Rathaustür, die weiße Fahne zur friedlichen Übergabe wurde geschwenkt. Oberbürgermeister Siegfried Müller traute sich zusammen mit Ortssprecherin Anni Schlötter und Stadträtin Nicole Mahlmeister heraus, den überdimensionalen Rathausschlüssel zur Übergabe in der Hand. Um den Frieden zu erhalten spendierte der OB das traditionelle Bierfass, das auch sofort angestochen und als Freibier verteilt wurde.

Schon im Sommer ausgeheckt


Bereits im Sommer trafen sich die Geometer um eine Finte auszuhecken, wie das Rathaus in diesem Jahr gestürmt werden soll. Erst als der Plan feststand, kam Prediger René Beer dazu, um seine im Grundgerüst bereits fertige Rede dem bevorstehenden Ereignis anzupassen. "Wenn der Anfang einmal gemacht ist, dann steht die Predigt binnen eines halben Tages", verrät Beer, dass die Sickershäuser schon Tage vor dem Ereignis darauf brennen, wie denn der Sturm in diesem Jahr erfolgreich sein soll. Aber Verschwiegenheit gegenüber jedermann ist ja Geometers Pflicht.
Den Rathaussturm zur Kirchweih gibt es in Sickershausen erst seit 1989, dennoch sprechen die Geometer selbst von einer Tradition. Am Kirchweihfreitag stürmten sieben Geometer unter der Führung des Obergeometers zum Auftakt der 92. Sickershäuser Kerm das historische Rathaus aus dem Jahre 1592, in dem sich die Obrigkeit verbarrikadiert hatte. Das Prozedere wird im Dorf von Jung und Alt heiß erwartet. Nur so ist erklärbar, dass rund 300 Zuschauer das von René Beer als Prediger moderierte Schauspiel vor den Stufen des Rathauses aufmerksam verfolgten. Beer begrüßte die amtierende Weinprinzessin Isabell I., die von den Kirchweihausgräbern auf einer Sänfte stilgerecht zum Ort des Geschehens getragen wurde.
Mit nicht ganz ernst zu nehmendem militärischem Drill musste Obergeometer Rouven Pfau vortreten, denn er wurde nach elf Jahren würdevoll unter Ernennung zum Geometer-Reservisten aus dem Amt verabschiedet. Gleichzeitig wurde Christian "Fräs" Kehrer zum Nachfolger ernannt. Er trägt nun die Verantwortung für die Kirchweihvorbereitungen und auch dafür, dass bei den Geometern die Verpflegung stimmt. "Ich hoffe, Du trägst das Amt in Ehren", mahnte der Prediger.
Nach der Satzung der Geometer steht die Kameradschaft untereinander an oberster Stelle. Wer Mitglied werden will muss lediger Sickershäuser sein, den Anweisungen des Obergeometers folgen, seinen Einstand zahlen, Termine einhalten und neben schwarzer Kleidung mit Zylinder, Frack, Hose, Schuhen und Fliege oder Krawatte auch alle verliehenen Orden tragen. Das Tragen eines Bartes ergibt sich aus der Vorschrift sich während der Kirchweihtage nicht zu rasieren.

Neuer Geometer vereidigt


Die Vorgaben hatte sich Timo "Heino" Held besonders genau angesehen, denn er wurde als siebter Geometer neu in die Truppe aufgenommen. Zum feierlichen Gelöbnis auf das Schnitthappla legten die Geometer die Hand auf das Weinbergsgerät und sprachen die Gelöbnisformel nach. Darin versprachen sie, die Schnitthappleskerm zu erhalten und die Bierfässer gegen jeden Fremden zu verteidigen. Per Handschlag wurde der Eid bekräftigt, jeder Geometer erhielt einen Orden zum Zeichen seiner Würde.
Mit dem Essen im Gasthaus, dem Festabend im Sportheim und der Fete am Samstagabend bereiteten sich die Geometer auf ihren großen Tag vor, den Festzug durch das Dorf mit dem Ausgraben des begehrten Kirchweihbierfasses.