Schwarmstrom für die Energiewende
Autor: Tilman Toepfer
Mainsondheim, Montag, 15. Februar 2016
Die dezentrale Energieversorgung der Zukunft nimmt in Franken Gestalt an. Hunderte Akkus bilden ein virtuelles Kraftwerk, sofern man sie nur intelligent kombiniert.
Der Stahlschrank im Keller von Gertrud und Andreas Seubert in Mainsondheim bei Dettelbach (Lkr. Kitzingen) ist knapp zwei Meter hoch und gut einen Meter breit. Sein Inhalt aber eröffnet der Energiewende neue Möglichkeiten. Übereinandergestapelte Lithium-Ionen-Batterien auf der einen Seite, Wechselrichter, ein Smart Meter, elektronische Schaltungen und eine nur zigarettenschachtelgroße Platine mit Prozessor und Mobilfunkeinheit auf der anderen Seite. Zusammen mit der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Einfamilienhauses ist das ein in die Zukunft weisendes Beispiel dezentraler Energieversorgung.
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Wenn die deutsche Energiewende glückt, können Energiespeichersysteme (ESS) wie das im Keller der Seuberts künftig wichtiger Bestandteil eines nachhaltigen Energiesystems sein. Solche Systeme werden dazu beitragen, dass die Stabilität der Netzfrequenz erhalten bleibt und Stromdefizite ausgeglichen werden, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst. Noch müssen bei solchen Wetterbedingungen konventionelle Kraftwerke wie das schnell hochfahrbare Gas- und Dampfkraftwerk an der Friedensbrücke in Würzburg diese Aufgabe bewältigen.
Ausgefeilte Elektronik
Hier setzt das Konzept des Unternehmens Caterva (lateinisch für Schwarm) an. Die junge Firma mit Sitz in Pullach bei München stellt privaten Betreibern von Photovoltaikanlagen Energiespeicher zur Verfügung, die mittels ausgefeilter Elektronik zu einem Kraftwerk zusammengeschlossen sind. Die Lithium-Ionen-Batterien in Seuberts Haus haben eine Gesamtleistung von 20 Kilowatt und eine Kapazität von 21 Kilowattstunden (kWh). Über das Stromnetz sind sie zu einem virtuellen Kraftwerk mit mehr als einem Megawatt Leistung verbunden.
Der Schwarmstrom wird über Mobilfunk koordiniert. Mittels der Elektronik in der rechten Schrankseite können die Batterien der Caterva-Teilnehmer von einer Steuerzentrale angezapft oder aufgefüllt werden. Wenn also im Netz Bedarf nach zusätzlichem Strom besteht, um Schwankungen auszugleichen, „saugt die Zentrale Strom aus dem Batterieschwarm“, erklärt Seubert. Das Konzept entstand bei Siemens Novel Businesses (SNB). Siemens baut auch die Schränke zusammen und ist zugleich Minderheitsgesellschafter von Caterva.
Die N-Ergie Aktiengesellschaft (Nürnberg) hat in ihrem Netzgebiet Kunden für das Projekt geworben und stellt ihre Kompetenz und Infrastruktur zur Verfügung. 65 private PV-Anlagenbesitzer bilden einen ersten Schwarm. Sie können dank der Batterien mehr von ihrem eigenen Strom verbrauchen als ohne diese Speicherlösung, Caterva spricht von 60 bis 80 Prozent.
Kein Öl, kein Gas: Andreas Seubert setzt bei der Energieversorgung voll auf Elektrizität. Eine Wärmepumpe heizt das Haus, auch die Sauna im Keller wird elektrisch aufgeheizt. Der Speicher im Keller gewährleistet, dass er mehr als 50 Prozent selbst erzeugte Energie verbrauchen kann. Im Sommer wächst sein Energiekonto, im Winter baut er es ab. Selbst im Januar, als es kälter war und oft dunkel, verbraucht er so rund 40 Prozent eigenerzeugte Energie.