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Schläger muss zum Anti-Aggressionskurs


Autor: Tom Müller

Kitzingen, Mittwoch, 26. Sept. 2012

Die Frage nach einer Zigarette wurde einem 17-Jährigen zum Verhängnis. Er bezog ohne Vorwarnung Prügel. Der Schläger wurde jetzt verurteilt.


Waren Einsicht und Reue nur gespielt, um ein mildes Urteil herbeizuführen? Als die Staatsanwältin im Kitzinger Amtsgericht das von ihr geforderte Strafmaß, zwei Wochen Dauerarrest, die verpflichtende Teilnahme an einem Anti-Aggressions-Training und vor allem ein Alkohol-Verbot, verkündete, da war es um die Beherrschung des angeklagten Jugendlichen fast geschehen. Richter Wolfgang Hülle musste einschreiten, um den jungen Mann zur Ruhe zu bringen.
Er hatte seine Emotionen schon mehrfach nicht im Griff gehabt. Zuletzt brannten dem jungen Mann die Sicherungen im vergangenen Februar am Kitzinger Bahnhof durch. Zuvor war er mit mehreren Freunden in einer Disco in Würzburg gewesen. "Sieben Bier und zwei Cocktails hab ich in drei Stunden getrunken", gestand er. "Nüchtern war ich nicht".
Die Gruppe stieg in Kitzingen aus dem Zug und setzte sich gerade in Bewegung, als ein anderer Jugendlicher den Freund des Angeklagten um eine Zigarette bat. "Ich habe das als Anpöbeln empfunden und wollte meinen Kumpel verteidigen", so der 17-Jährige, der im gleichen Atemzug einräumte, den Inhalt des Gesprächs noch nicht mal ansatzweise verstanden zu haben. Stattdessen fackelte er nicht lange und ging auf den Zigaretten-Schnorrer los. Zwei Faustschläge ins Gesicht seien es gewesen, dann drehte der Schläger ab. Vor Gericht bereute er seine Tat.



Mutiger Streitschlichter


Monate später, als sich Täter und Opfer zufällig beim Public Viewing am Bleichwasen trafen, entschuldigte sich der Jugendliche beim Geschlagenen. "Ich habe das akzeptiert", sagte das gleichaltrige Opfer, "und hatte Respekt vor dieser Einsicht".
Seine Aussage wich aber etwas von der des Angeklagten ab. Nicht zwei, sondern sechs bis acht Schläge habe er kassiert, bis ein unbeteiligter Dritter glücklicherweise mutig genug gewesen war, um dazwischen zu gehen und den Aggressor zur Räson zu bringen. Von dieser dritten Person wusste der Schläger in der Hauptverhandlung überhaupt nichts.
Als "Frechheit" quittierte er dessen Aussage vor der Polizei, wonach auch der Schlichter von ihm während der Rettungsaktion zwei Schläge kassiert habe. "Ich weiß nicht, wie das weitergegangen wäre", so der Geschlagene, "wenn der mir nicht zu Hilfe gekommen wäre". So fielen die Blessuren relativ glimpflich aus. Er gab einige Schwellungen im Gesicht und Kopfschmerzen zu Protokoll, als er am kommenden Tag bei Arzt und Polizei vorsprach.

Hohe Rückfallgeschwindigkeit


Es war nicht der erste Fall der vorsätzlichen Körperverletzung, der den 17-Jährigen auf die Anklagebank gebracht hatte. Der aktuelle Fall war nämlich fast die Kopie eines Vorfalls aus dem Februar 2011 am selben Ort. 60 Stunden Hilfsdienste hatte er damals abgeleistet. Von einer "ungewissen Sozialprognose" sprach deshalb die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. "Es ist schon bedenklich, wenn er jedesmal unter Alkoholeinfluss so schnell zuschlägt".
Richter Hülle fällte dementsprechend ein Urteil, das in seiner Wirkung "angemessen und erzieherisch notwendig" war und über das Ableisten sozialer Hilfsdienste hinausging. Zwei Wochenenden darf der Jugendliche, der vor kurzem eine Ausbildung als Maurer angetreten hat, nun in der Justizvollzugsanstalt verbringen. Ferner wurden ihm die Weisungen auferlegt, dass er an einem Anti-Aggressions-Kurs teilnimmt und ein Jahr lang seinen Alkoholgenuss massiv einschränkt. Bei unregelmäßig durchgeführten Kontrollen dürfen ab sofort nicht mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut beziehungsweise 0,25 Milligramm pro Liter Atemluft nachzuweisen sein. Mit sichtbarer Mühe akzeptierte der Angeklagte das Urteil, dem Richter Hülle noch die Warnung nachschickte, dass er auch vier Wochen Ungehorsamsarrest verhängen könne, falls die Weisungen nicht umgesetzt würden.