Säcke mit Wasser sollen vor Hochwasser schützen
Autor: Tom Müller
, Montag, 01. Oktober 2012
Mobiler, handlicher und günstiger. Mit Wasser gefüllte Säcke sollen Städte am Main schnell und flexibel gegen Hochwasser schützen. In Marktbreit wurde das System zum ersten Mal in Deutschland vorgestellt.
In der Homöopathie gibt es den Grundsatz, wonach Gleiches gegen Gleiches hilft. Genau der Stoff, der einen Menschen krank macht, kann also in abgeschwächter Form zu dessen Heilung verwendet werden. Fast scheint es so, als hätten sich die Erfinder eines neuartigen Hochwasserschutz-Systems diesen Grundsatz zum Vorbild genommen, denn sie bekämpfen Hochwasser mit Wasser. Das System wurde am Samstag erstmals in Deutschland vorgestellt.
Idee kam in der Wüste
Nicht ganz unbeteiligt an dieser Idee ist Marktbreits Bürgermeister Erich Hegwein (CSU). "Ich war mal im Urlaub in der Wüste", erzählt er lachend, "da wurden die Kamele mit Wasser aus großen Säcken getränkt". Kreative Menschen denken manchmal um die Ecke. So auch Erich Hegwein. "Damals schon dachte ich daran, ob man so was nicht zum Hochwasserschutz einsetzen könne, jeder erklärte mir aber, dass es nur mit Sandsäcken gehe". So bestellte er zunächst einige Module eines Trog-Systems, bei dem ein spezieller Sack wie ein Klappstuhl aufgeklappt und dann über einen Frontlader oder einen Betonmischer mit Sand gefüllt wird. Ein so gefüllter Würfel schmiegt sich dann gegen eine Hauswand oder einen bereits aufgestellten Nachbarwürfel und macht weitestgehend dicht. Das Problem dabei: Den Sand muss die Gemeinde vorher einkaufen und nach dem Hochwasser wieder entsorgen. Außerdem ist der Aufwand für die Befüller, meist ist das die Feuerwehr, relativ hoch.
Schon seit längerem hatte Erich Hegwein Kontakt zur Firma Flexibox Container GmbH und deren Geschäftsführern, Karl und Christian Orth, die bereits entsprechende Befüllsysteme auf dem Markt hatten. Sie setzten die Idee des Marktbreiter Bürgermeisters um. 50 Zentimeter breit, einen Meter hoch und eine Tonne schwer sind die sogenannten wassergefüllten Big-Bags, von denen jeweils zwei in einer Art Hülle eingefügt werden, dem "Schuh". Die Schuhe werden dann mittels Klettbändern miteinander verzahnt und mit einer großen PVC-Plane hochwasserseitig abgedeckt. Sie bilden so in Windeseile eine stabile Mauer, die ebenso schnell auch wieder abgebaut werden kann.
"80 bis 100 Euro kostet ein Meter dieser Wasserwürfel", erklärt Christian Orth. "Damit sind wir etwa ein Drittel günstiger als die Konkurrenz". Die arbeite nach wie vor mit Schlauchsystemen, "die aber sehr anfällig sind", ergänzt der Flexibox-Geschäftsführer. "Wenn Treibgut die Außenhülle beschädigt, dann bricht ein Damm auf rund 100 Metern und das Wasser läuft in die Stadt".
Jahrhunderthochwasser
Wasser in der Stadt hatte Marktbreit massiv im Jahr 1970. Drei Pumpen wurde in der Folge fest installiert. In der Bachgasse wurde eine Schutzmauer gegen das Wasser hochgezogen. "Den ganzen Ort mit einer Hochwassermauer abzuschotten, wäre ja Wahnsinn", erklärte der 2. Bürgermeister, Herbert Biebelriether (FW). "Wir wollen uns ja den Besuchern öffnen und nicht verschließen." Das derzeit bereits verfügbare Trog-System dichtet die Stadt in den tiefsten Stellen auf einer Länge von 150 Metern hinreichend ab. Es war bereits gegen das Hochwasser 2003 und 2007 im Einsatz. "Für ein Jahrhunderthochwasser wie das von 1970 müssen wir aber aufrüsten", sagte Bürgermeister Hegwein. Dieses Aufrüsten geschieht dann mit den wassergefüllten Big-Bags. Erste Big-Bags werden aber schon deshalb geordert, um Hauseingänge im Notfall zu schützen. Gegen den Anstieg des Grundwassers hilft schließlich die beste Hochwasser-Mauer nicht.
Geringes Interesse
Zur Vorstellung des Hochwasserschutz-Systems waren vom Landratsamt alle am Main liegenden Städte und Gemeinden eingeladen. Überraschenderweise stieß die Einladung nur auf äußerst dünne Resonanz. Gerade mal zwei Bürgermeister aus der Nachbarschaft waren an der Vorstellung des Systems interessiert. Offenbar erwartet man in nächster Zeit kein Hochwasser am Main.