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Rüdenhausen und seine Geschichte(n)


Autor: Gerhard Bauer

Rüdenhausen, Sonntag, 26. August 2012

Rüdenhausen hat noch viel mehr zu bieten als eine 300 Jahre alte Dorfkirche. Beim Rundgang mit Kristian Steinberger überzeugten sich davon Einheimische und Gäste.
Kristian Steinberger stellt die große Empore in der Kirche vor.


Bereits seit zwölf Jahren lebt Gitte Weickert mit ihrer Familie in Rüdenhausen. Sie stammt aus Duisburg und kam auf Umwegen an den Rand des Steigerwalds. "Wir haben zwar immer von Nachbarn etwas aus der Geschichte erfahren, tief greifende Informationen hatte ich jedoch nicht", erzählt sie. Nach dem fast zweistündigen Rundgang durch den Ort mit Kristian Steinberger hat sich das geändert. Weickert und die anderen Teilnehmer tauchten tief in die Geschichte ein.
Steinberger begann seinen Dorfrundgang auf dem Kirchplatz und ließ ihn in der Pfarrkirche St. Peter und Paul enden. Aus gutem Grund, denn wegen der bevorstehenden Kirchweih läuteten alle Glocken um 14 Uhr das Kirchweihwochenende und die Führung ein. Wie im Außenbereich des Gotteshauses sind auch innen zahlreiche wertvolle Epitaphien zu finden, die jeweils eine eigene Geschichte erzählen.
Darunter ein schlicht gehaltener Stein, der an Fürst Ruprecht erinnert. Er wird als ältester Bruder des inzwischen ebenfalls verstorbenen Fürsten Siegfried seit 1944 in Rumänien vermisst.
Wenigen der Rundgangsteilnehmer war bekannt, dass die Kirchengemeinde für das 1709 vollendete Kirchenschiff zuständig ist, die weltliche Gemeinde hingegen für den 34 Meter hohen und 1712 fertig gestellten Kirchturm. Steinberger erklärte dies mit einem Erlass aus der napoleonischen Besatzungszeit, mit dem die weltliche Gemeinde auf das Läuten der Glocke Einfluss nehmen sollte.
Vorbei am Paul-Gerhardt-Haus am gleichnamigen Platz, das bis 1957 als Rathaus und zeitweilig als Schulhaus diente und von Pfarrer Wilhelm Friedrich Schott als Gemeindehaus übernommen wurde, erreichte die Gruppe den Schlosshof. Optisch wie historisch die bedeutsamste Station des Rundganges.
"Das Herrscherhaus Castell entwickelte sich vermutlich aus dem fränkischen Stamm der Mattonen", berichtete Steinberger von der ersten gesicherten Erwähnung des Hauses Castell mit Rupert I. im Jahr 1057. Bei einer ersten Teilung der Grafschaft 1265 sei die Grafschaft als Einheit erhalten geblieben. Bei einer weiteren Teilung verfügte Wolfgang Graf und Herr zu Castell 1543, dass Gottfried II. Rüdenhausen als Herrschaftssitz nimmt und somit den Sitz als Castell-Rüdenhausen begründet. Die weitere Linie wurde als Castell-Castell im Nachbarort fortgeführt.

Zugangsbrücke ist längst weg


Das heutige Schloss wurde als Wasserschloss auf 98 Eichenpfählen errichtet. Der Wasserumgriff und die Zugangsbrücke sind nach zahlreichen Um- und Erweiterungsbauten längst verschwunden, ebenso wie das im 19. Jahrhundert erbaute "Neue Schloss", das während des Zweiten Weltkrieges als Lazarett, später als Hilfskrankenhaus und Altenheim des Landkreises Gerolzhofen für betagte und gebrechliche Heimatvertriebene diente. Die verstorbenen Vertriebenen fanden auf dem Kreisfriedhof ihre letzte Ruhestätte - in unmittelbarer Nähe der 1903 aus Anlass des plötzlichen Todes von Erbgraf Siegfried errichteten Gruft.
Das Schloss wurde in den 1970er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen. Der Landkreis-friedhof wurde nach Ablauf der gesetzlichen Ruhefristen vom inzwischen zuständig gewordenen Landkreis Kitzingen aufgelassen.
Vorbei am leerstehenden Nachtwächterhäuschen erreichten die Teilnehmer das heutige Rathaus, das 1817 errichtet und später vom Haus Castell als Sitz des Domänenamtes als gräflicher Verwaltung erworben wurde. Es wurde im Rahmen eines Gebäudetausches mit dem Paul-Gerhardt-Haus 1957 zum Rathaus unter der Bedingung, dass die Gemeinde das Paul-Gerhardt-Haus der Kirchengemeinde ebenso kostenfrei überlässt wie das Haus Castell-Rüdenhausen sein einstiges Domänenamt der Marktgemeinde.
Der Rathauseingang wird bis heute vom Wappen geziert, das auf der Grundlage der Casteller Farben einen springenden Hund mit Halsband zeigt. "Da das erste Gemeindesiegel von den Herren Fuchs von Dornheim gestiftet wurde, könnte es sich auch um die Darstellung eines Fuchses handeln", meinte Kristian Steinberger. Er stellte einen Zusammenhang mit der Namensgebung des Ortes durch die Jagdhundezucht der Grafen Castell her, wobei die Endsilben -hausen auf die Namensgebung zur Zeit der fränkischen Landnahme schließen lasse.
Mit der Begründung des Herrschaftssitzes wurde Rüdenhausen zum Verwaltungs-, Gerichts- und Handwerkerort, der während des Dreißigjährigen Krieges zu veröden drohte. 1803 ging der Status als Herrschaftssitz zwar verloren, es blieb aber die Gerichtsbarkeit bis ans Ende des 19. Jahrhunderts erhalten.
Am Kirchplatz steht das einstige Gerichtsgebäude, heute als privates Wohnhaus genutzt. Hier seien - so Steinberger - neben anderen Urteilen in 200 Jahren auch 14 Todesstrafen verhängt worden, die durch Hängen, Köpfen, Ertränken oder Rädern vollstreckt wurden. Es gab zwar gegenüber auch ein Gefängnis, über Haftstrafen sei aber nichts bekannt.
Im Gotteshaus stellte Steinberger die Epitaphien und ihre Bedeutung vor. "Über der Mitte des Chorraumes schwebt ein Taufengel, eine Rarität im süddeutschen Raum", erzählte Steinberger. Das Werk eines unbekannten Meisters kam durch Gräfin Ranzau aus Norddeutschland nach Rüdenhausen. Bei Taufen wird der Engel herabgelassen. In den Lorbeerkranz, den er in Händen hält, wird dann die Silberschale mit dem Taufwasser gestellt.
Bis heute erhalten ist die dreiteilige Empore, in der Dienerschaft, die Grafenfamilie sowie die gräflichen Beamten den Gottesdiensten beiwohnten.