Politiker kämpfen für die Fehrer-Mitarbeiter
Autor: Sabine Paulus
Kitzingen, Freitag, 24. Mai 2013
Mit allen Mitteln kämpfen die Fehrer-Mitarbeiter, ihre Angehörigen und viele Menschen aus der Region für den Erhalt der gefährdeten 405 Arbeitsplätze. Dass es die Entlassungen nicht geben darf, darüber sind sich Politiker aller Couleur einig.
Die SPD hatte am Donnerstag 150. Geburtstag. "Wir feiern aber nicht, wir arbeiten. Es gibt drängende Probleme vor Ort", sagte die Landtagskandidatin Doris Aschenbrenner bei einer Pressekonferenz in Kitzingen. Sie und die anderen Mitglieder der Delegation hatten sich zuvor auf dem Gelände der Harvey Barracks mit dem Investor Markus Blum unterhalten und bei der Firma Fehrer Automotive GmbH ausführlich dem Betriebsrat und Vertretern der IG Metall gesprochen. Der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib, Markus Ostwald vom SPD-Ortsverein Kitzingen, der Bundestagskandidat Ralf Hofmann, stellvertretender Landrat Robert Finster und Prof. Dr. Werner Widuckel, der Wirtschafts- und Arbeitsexperte im Kompetenzteam von SPD-Spitzenkandidat Christian Ude, hatten sich bei Fehrer mit dem geplanten Abbau von 405 Arbeitsplätzen befasst.
Unternehmensleitung ist nicht zu sprechen
Ein Treffen mit der Unternehmensleitung wurde
Wohl aber haben sie sich mit Daniela Nikolic und Johanna Weiß, den beiden Organisatorinnen der Kinder-Demonstration am 13. April, ausgetauscht. Seit die Familien der Fehrer-Mitarbeiter und viele Unterstützer damals auf die Straße gegangen sind, um zu protestieren, haben Nikolic und Weiß ihre Aktivitäten enorm verstärkt. Tausende von E-Mails, über 1000 Einladungen zur zweiten Demonstration am 1. Juni sowie zig Briefe an Prominente aus ganz Europa haben die beiden jungen Frauen in der Zwischenzeit geschrieben und verschickt. Es geht um viel: Familien wird ihre Existenz wegbrechen, Arbeitsbiografien werden zerstört werden, Kitzingen wird eine solche Zahl von Entlassungen schlecht verkraften können.
Nichts zu verlieren
Daniela Nikolic, deren Eltern seit 30 beziehungsweise seit 27 Jahren bei Fehrer in Kitzingen arbeiten, ist davon überzeugt, dass sie nichts zu verlieren hat. Deshalb hat sie zusammen mit ihrer Mitstreiterin regelrecht in die Welt hinausgeschrien, dass alle mitkämpfen sollen, damit die Stellen erhalten bleiben. Und die beiden jungen Frauen sind dabei bis zu Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus gegangen. Sie haben ihnen Briefe geschrieben.
Natürlich haben sie die meisten Briefe innerhalb des Landkreises Kitzingen verschickt, an Bürgermeister, Stadträte, Kreisräte, an die komplette Kitzinger Stadtverwaltung, an alle Gewerkschaften und alle politischen Parteien, die in der Region Mitglieder haben. Etliche Empfänger fungierten als Multiplikatoren und starteten ihrerseits Aufrufe mitzudemonstrieren.
Einladung zur Demo in mehreren Sprachen
Ihre Einladung zur Demo am nächsten Samstag haben Weiß und Nikolic mittlerweile in mehreren Sprachen wie Russisch, Kroatisch, Türkisch oder Englisch auf Papier, Plakaten sowie über elektronische Medien verbreitet. "Alle sollen wissen, womit wir uns abmühen", sagt Daniela Nikolic bei einem Gespräch in der Redaktion. "Wir leben in einer Region, die in den vergangenen Jahren schon viel einstecken musste in Sachen Stellenabbau", sagt die 33-Jährige weiter. Das Postfrachtzentrum und die Niederlassung des Discounters Netto hätten den Verlust an Arbeitsplätzen nicht ausgleichen können.
Es wird darum gekämpft, dass der Produktionsstandort Kitzingen erhalten bleibt. Der Freistaat könne mit Fördermitteln Innovationen unterstützen. Dies hat Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) am 8. Mai bei seinem Besuch in Kitzingen in Aussicht gestellt.
Was sagt Eigentümer Claus Fehrer?
Auf die Reaktion eines bestimmten Mannes warten Nikolic und Weiß besonders dringend: Claus Fehrer. Vor der ersten Demonstration habe die Familie bekannt gegeben, dass ihr die aktuelle Entwicklung leid tue, berichtet Nikolic, aber seitdem habe sie nichts mehr gehört. "Ich erwarte, dass Fehrer antwortet, das ist er uns schuldig, es ist doch seine Firma."
Nach der Schreckensmeldung über den Stellenabbau kurz vor Ostern haben sich Nikolic und Weiß viele Fakten geholt und Wissen angeeignet. Sie sind daher zu der Ansicht gelangt, dass die Argumentation der Geschäftsführung, die Auslastung der deutschen Werke werde noch weiter sinken, weil die Automobilproduktion zunehmend im Ausland stattfinde, fadenscheinig ist.
Keine Furcht vor hohen Tieren
Daniela Nikolic scheut sich nicht davor, mit Aufsichtsratsmitgliedern und Konzernchefs der großen Automobilhersteller zu sprechen. Sie hat keine Menschenfurcht. Sollte sie vorgelassen werden, möchte sie diejenigen, die die Strippen ziehen, daran erinnern, dass sie jahrelang gute Qualität von Fehrer aus Kitzingen erhalten haben, dass es dafür eine Anerkennung geben müsse und nicht alles dem Profit geopfert werden dürfe.
Die Firma Fehrer ist seit 130 Jahren in Kitzingen ansässig. Vor etwa sechs Jahren entschlossen sich Eigentümer und Geschäftsführung dazu, auch in China, Indien, den USA und Südafrika teils über Partner präsent zu sein, um näher an den Kunden zu sein. Dadurch geriet einiges ins Trudeln.
Mitbestimmung ist wichtig
Betriebsrat und Belegschaft wüssten darüber sehr gut Bescheid, hätten viel Sachverstand und Kompetenz, war der Eindruck der SPD-Politiker nach ihrem Besuch im Kitzinger Werk. Werner Widuckel war früher im Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG in Wolfsburg. Er erzählt, er habe damals erfahren, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats für den Erfolg eines Unternehmens ausschlaggebend sei. Er ermahnt die Fehrer-Geschäftsführung, diese Leute anzuhören. Sie seien durchaus zu einer nüchternen Einschätzung der Wettbewerbssituation fähig.
Ziel müsse es sein, eigene Innovationsschwerpunkte in der Heißschaumtechnik zu entwickeln. Das könne mit dieser leistungsbereitschaften und loyalen Belegschaft in Kitzingen gelingen, gebe ihr die Unternehmensleitung nur die Chance dazu.
Forderung an Staatsregierung
Widuckel nahm auch die Staatsregierung in die Pflicht. Sie müsse alle Mittel einsetzen, um die Industrie in Bayern zu stärken. Und zwar so schnell wie möglich. "Die Belegschaft von Fehrer wartet auf ein Signal. Das wird bisher vermisst", betonte Widuckel. Volkmar Halbleib versicherte, auf ein Gespräch mit der Unternehmensleitung zu drängen. Doris Aschenbrenner hofft, dass es bei Fehrer Lösungen gibt. Sie hat Daniela Nikolic und Johanna Weiß zugesagt, bei der Kundgebung am 1. Juni eine Rede zu halten.