Druckartikel: Pflegekräfte haben einiges zu schlucken

Pflegekräfte haben einiges zu schlucken


Autor: Sabine Paulus

Kitzingen, Mittwoch, 10. April 2013

Obwohl im Landkreis Kitzingen immer mehr Pflege-Fachpersonal gesucht wird, geben manche ihren Beruf sogar wieder auf.
Foto: Patrick Pleul dpa


123 zu 85: Michael Hopps Kundin hat einen guten Blutdruck. Er freut sich mit der alten Dame, löst die Druckmanschette wieder vom Arm und verabschiedet sich freundlich.

Vor knapp sieben Jahren hat sich der 43-Jährige mit einem ambulanten Pflegedienst selbstständig gemacht. Mit 16 Jahren begann er sein Berufsleben in der Pflege. 1993 legte Hopp in Stuttgart sein Examen zum Krankenpfleger ab. Anschließend arbeitete er in zwei Kliniken und seit 1997 in der ambulanten häuslichen Pflege.

Im Laufe der Zeit wurde das Gesundheitssystem immer komplizierter. Die Pflegekassen gaben ein enges Zeitkorsett vor. Zwei Minuten Fahrt zum Klienten, eine Minute für die Verabreichung der Medikamente. Als ihm das zu dumm wurde, startete Hopp sein eigenes Ding: die Maintal-Pflege in Marktsteft. Seitdem sind er und Mario C. Höhn, der Qualitätsbeauftragte der Sozialstation, immer auf der Suche nach staatlich geprüften Pflegefachkräften.

Krankenschwestern oder Altenpfleger sind rar geworden. Hopp führt das auf mehrere Gründe zurück: Zum einen ist die Ausbildung schlecht vergütet. Umschüler, die aus einer anderen Branche kommen, erleiden während ihrer Ausbildung finanzielle Einbußen. Nicht selten sähen sich Absolventen von Krankenpflegeschulen in westeuropäischen Nachbarländern um, wo es höhere Gehälter als in Deutschland gibt.

Zum anderen sei die deutsche Bürokratie richtig schlimm geworden, sagt Hopp. "Jeder Handgriff muss dokumentiert werden, was den Pflegefachkräften ihre Arbeit in Deutschland auch nicht schmackhafter macht."
Nach Skandalen von Verwahrlosung und Vernachlässigung alter Menschen in Seniorenheimen, wurden die Kontrollen verschärft, allerdings nicht nur in stationären, sondern auch in ambulanten Einrichtungen.


"Es geht nur noch ums Geld"

Die Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) gehörten im ambulanten Bereich abgeschafft, findet Hopp. Nicht wenige Klienten würden bei den Besuchen der Kontrolleure, ihnen unbekannten Menschen, stark verunsichert. Zwei Mal innerhalb von sieben Monaten musste die Maintal-Pflege die Kontrolle durch den MDK über sich ergehen lassen. Mit der Note 1,1 bewertet, würde Hopp es begrüßen, wenn die Prüfungen des MDK bei so positiven Ergebnissen in einem längeren Turnus als jährlich wiederholt würden.

Als "phasenweise unterschiedlich" beschreibt der Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes seinen Personalbedarf. Neue Mitarbeiter könne er aus einer großen Zahl an Bewerbungen auswählen. Allgemein könne man zwar von einem Fachkräftemangel sprechen, nicht jedoch von einem Pflegenotstand, sagt der 48-Jährige. Er möchte nicht genannt werden, weil er keine weiteren Anfragen annehmen möchte.

Ute Bobach, gelernte Krankenschwester, die seit acht Jahren den Pflegedienst Mobile Fachpflege in Obernbreit führt, sucht hingegen ständig neues Personal. Der Grund: Die Patienten haben so viele Wünsche und Ansprüche, dass ihnen die Schwestern und Pfleger nicht gerecht werden können und wieder abspringen. "In der Ambulanz wollen die Patienten, dass immer diejenige Schwester zu ihnen kommt, die sie am liebsten haben." Durch Ablehnung könne psychischer Stress entstehen.

Weiteres Problem: Viele Leistungen, die früher bezahlt wurden, werden nicht mehr von den Krankenkassen übernommen. Es gehe nur noch ums Geld, ist Bobachs Empfindung. "Die Pflege war früher menschlicher, jetzt ist sie nur noch auf Gewinn ausgelegt", sagt die 50-Jährige.

Damit sich aus dem Fachkräftemangel in der Pflege kein Notstand entwickele, müssten mehr junge Leute motiviert werden, in einen Pflegeberuf zu gehen. "Es ist eigentlich ein schöner Beruf", meint Bobach. Einen Lösungsansatz könnte sich Michael Hopp vorstellen: "Der Staat müsste uns die Möglichkeit geben, selbst auszubilden."