Nicolas Bauer ist in Mathe ein Genie
Autor: Julia Volkamer
Kitzingen, Mittwoch, 16. Januar 2013
Nicolas Bauer gehört zu den besten Mathe-Cracks in ganz Deutschland - und das, obwohl Mathe gar nicht unbedingt sein Lieblingsfach ist. Trotzdem reizt es ihn, komplexe Aufgaben zu lösen. Dann kann er kreativ sein - auf die mathematische Art.
Er ist in seinem Element, das merkt man gleich. Aber in welchem? "A i ist Element von 0,1,... bis 9!", murmelt Nicolas vor sich hin, während er die dazu passenden Zeichen an die Tafel schreibt. "Bei dieser Annahme geht es um die Mächtigkeit der Menge aller reellen Zahlen - das versteht man doch, oder?" Tatsächlich verstehe ich es, obwohl Mathe ein ganz und gar weißer Fleck auf meiner geistigen Landkarte ist. Nicolas hat einen Weg gefunden, mir zu beweisen, dass es mehr reelle als natürliche Zahlen gibt. Ziemlich beeindruckend für mich, keine große Sache für den 17-Jährigen. Der gehört schließlich zu den schlausten Köpfen Deutschlands - zumindest, was die Mathematik angeht.
Bestätigen oder widerlegen
In der zweiten Runde des Bundeswettbewerbs der Initiative Bildung und Begabung hat er sich gegen knapp 1300 Jugendliche aus ganz Deutschland durchgesetzt, indem er komplexe, mathematische Aufgaben löste. Zusammen mit 15 weiteren Mathe-Assen fährt er am 28. und 29. Januar nach Schmitten im Taunus, wo das Bundesfinale stattfindet. Dort darf er in Fachgesprächen mit erfahrenen Mathematikern seine Fähigkeiten erneut unter Beweis stellen - und das wird wahrscheinlich einfacher für ihn werden, als mir den Unterschied zwischen reellen und natürlichen Zahlen zu erklären.
"Man darf sich diese Aufgaben nicht so vorstellen, dass am Ende ein "ist gleich" und eine Zahl stehen", sagt Nicolas und verdeutlicht, dass die Mathematik beim Wettbewerb nicht viel mit der Schulmathematik gemeinsam hat. "Natürlich muss man die elementaren Rechenregeln beherrschen." Das Ziel sei aber, eine bestimmte Annahme zu bestätigen - oder eben zu widerlegen. Dazu braucht es mehr als Plus und Minus, Wurzeln und Potenzen.
Kreativ sein in Mathe
"Mathe kann wirklich kreativ sein", erklärt Nicolas. Mit Spannung hatte er im Sommer die Aufgaben für den Bundeswettbewerb erwartet. Die kamen per Post nach Hause und mussten dann innerhalb von etwa acht Wochen erledigt werden. "Ich hatte immer überall meinen Block dabei, und wenn mir
Ideen gekommen sind, habe ich sie sofort aufgeschrieben." Er sei kein einsiedlerischer Bücherwurm, der sich in seinen Formeln vergrabe. "Ich brauche die Abwechslung, und wenn ich gerade keine Lust auf Mathe hatte, habe ich eben etwas anderes gemacht."
In den Sommerferien ging trotzdem eine Menge Zeit für die Mathe-Aufgaben drauf - Nicolas fühlte sich aber nie gezwungen. Seit der fünften Klasse nimmt er jedes Jahr an Mathe-Wettbewerben teil. Zunächst war es die Mathe-Olympiade Kitzingen (MOKI), in den letzten beiden Jahren gingen sie dann aber schon bis auf Landesebene. Den bundesweiten Vergleich wagte er 2012 zum ersten Mal. "Ich habe die Aufgaben schon früher mal durchgeschaut und fand sie ziemlich schwierig", erinnert er sich. Inzwischen empfindet er sie aber als Herausforderung - und wurde für sein Engagement inzwischen auch belohnt.
"Für mich kam aber nur ein Hausaufgabenwettbewerb in Frage", sagt er. Sich vier Stunden in ein Klassenzimmer zu setzen und am Ende eine bestimmte Lösung auf dem Blatt stehen zu haben, das sei nichts für ihn. "Man muss zwischendurch auch mal rausgehen können, den Gedanken freien Lauf lassen." Auf unerlaubte Hilfsmittel könne er bei der Art der Aufgaben, die für den Wettbewerb gestellt werden, ohnehin nicht zurückgreifen. Genausowenig wie auf den Rat der Eltern, Geschwister oder Lehrer.
"Die Preisträger haben Probleme gelöst, die auch Profi-Mathematiker nicht auf Anhieb knacken können", erklärt Hanns-Heinrich Langmann, Leiter des Bundeswettbewerbs Mathematik. Ziel sei es, die
mathematikbegeisterten Schüler mit anspruchsvollen und originellen Aufgaben herauszufordern und zu fördern.
Verschiedene Lösungswege
Nicolas knobelte und rechnete und suchte nach Lösungen - von denen es übrigens in den meisten Fällen nicht nur eine bestimmte gibt. Die Annahme über die reellen und natürlichen Zahlen zum Beispiel ist auf ganz verschiedenen Wegen in Frage zu stellen. "Es gilt, das Problem zu verstehen und mathematisch sauber zu begründen", erklärt der Kitzinger. "Man muss verschiedene Fälle ausprobieren, solange, bis man einen richtigen Weg gefunden hat." Letztendlich gibt es immer eine Aussage, die zu beweisen ist. Das Ziel ist die Begründung.
Damit könnte er sich stundenlang beschäftigen - andere Interessen hat er aber auch noch. In der Schule findet er durchaus auch an den Sprachen Gefallen, und in seiner Freizeit ist er viel mit Freunden unterwegs, liest oder zockt auf der Konsole. "Andere spielen halt zwei Stunden", sagt er. "Ich spiele weniger und in der restlichen Zeit mache ich Mathe."
Viele gibt es in seinem Alter sicher nicht, die eine ähnliche Freizeitgestaltung vorweisen können. Nicolas ist sich aber sicher, dass es immer eine Frage des Interesses ist. "Ich denke, wichtig ist neben der Begabung auch der Fleiß. Wenn man etwas wirklich wissen will, dann macht es auch Spaß das Problem zu lösen."
Und wieder sitze ich da und staune. Nicht unbedingt über Nicolas tadellose, mathematische Beweisführung zur fehlenden Abzählbarkeit der reellen Zahlen, sondern über das Interesse, dass er auch bei mir geweckt hat. Und das trotz geistigen, weißen Flecks. Da wünscht man sich fast, dass es mehr Mathematiker wie Nicolas gäbe. Er selbst möchte sein Talent jedenfalls nach dem Abi auch im Studium und später beruflich nutzen. "Ich würde gerne Physik studieren und später mal in die Forschung gehen. "Dort findet man dann auch schöne Anwendungen der Mathematik."
Knifflige Aussagen
Bis dahin hat Nicolas aber noch den ein oder anderen Wettbewerb vor sich. Und die ein oder andere knifflige Aussage. Auch wenn sie mit Zahlen nichts zu tun hat - "Mathe ist langweilig" könnte er mit seiner natürlichen, pragmatischen Art auf jeden Fall ganz schnell widerlegen.