Nach dem Einbruch bleibt die Angst
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Dienstag, 21. Januar 2014
Für Opfer von Einbrüchen sind die psychologischen Folgen meist sehr viel größer als die finanziellen.
"Wann kommt er wieder?" Es ist diese eine Frage, die bleibt. Über Monate, über Jahre. Auch wenn die Aussagen bei der Polizei längst gemacht und die Spuren gesichert sind, das Chaos aufgeräumt und der Versicherungsfall geklärt ist. Sie steckt fest im Kopf, diese Frage - und mit ihr die Angst. Die Angst, noch einmal Opfer von Einbrechern zu werden.
Seit Monaten häufen sich die Berichte über Wohnungseinbrüche in der Region. 430 Einbrüche wurden im Jahr 2012 in Unterfranken registriert - 2013 war diese Zahl schon Mitte Oktober erreicht. Von Anfang September bis Mitte Dezember meldete die Polizei eine Steigerung um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und die Zahlen bleiben auf einem hohen Niveau, bestätigt Kriminalhauptkommissarin Kathrin Reinhardt von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken.
Mehrere hundert Einbrüche, das bedeutet auch: Viele hundert Opfer. "Das ist das Klassische", sagt Veit Schiemann, Pressesprecher des Weißen Rings. Die Bevölkerung denkt, es sei damit getan. Ist es aber nicht. "Wohnungseinbrüche hinterlassen psychologische Folgen", weiß Schiemann - von Opfern, die beim Weißen Ring Hilfe gesucht haben, aber auch von Studien.
Die Schränke sind geöffnet, Kleider herausgerissen, Schubladen durchwühlt, Bilder umgeworfen: Einbrecher dringen tief in die Privatsphäre der Hausbewohner ein. Das zu verkraften ist schwer. "Es gibt Menschen, die können ihre Kleidung nicht mehr anziehen", berichtet Schiemann. Sie reagieren sogar körperlich, bekommen einen Ausschlag. Andere können ihre Wohnung nicht mehr betreten, ziehen um, manche verkaufen sogar ihr Eigenheim.
Heinrich Halbleib, der Leiter der Außenstelle Kitzingen des Weißen Rings, bestätigt diese Erfahrungen: Für die meisten Einbruchsopfer ist der Verlust finanzieller Dinge eher nachrangig. Als viel schlimmer werde der Sachschaden empfunden, den die Täter anrichten. Schränke und Kommoden sind leergeräumt, die Unbekannten haben Kleidung und Unterwäsche herausgerissen. Vor allem bei Frauen sitzt der Schock darüber tief: Da war jemand in ihrem Schlafzimmer. Die Angst, dass wieder jemand kommt, wenn es dunkel wird, verfolgt viele Opfer über Jahre, weiß der frühere Leiter der Polizeiinspektion Kitzingen. Manch einer denke, er habe die Erfahrung verarbeitet, sagt Veit Schiemann - bis ihn nach 20 Jahren eine Kleinigkeit wie ein bestimmtes Geräusch an den Einbruch erinnert. Dann ist die Angst wieder da.
Die Angst, sie ist auch der Grund, warum kaum ein Betroffener bereit ist, öffentlich über seine Erfahrungen zu reden, erklärt Veit Schiemann. Keiner soll einen als Betroffenen identifizieren können, nicht einmal der engste Bekanntenkreis. Würde dann über die Medien noch bekannt, dass die Versicherung den Schaden bezahlt habe, sei das in den Augen der Opfer wie ein Signal an den Täter: Er kann ruhig nochmal kommen, es ist wieder alles da.
Hilfe finden Betroffene unter anderem beim Weißen Ring. Das reicht vom menschlichen Beistand über Tipps, an wen man sich wenden muss, bis zur Begleitung zu Institutionen wie dem Gericht. Auch Hilfeschecks können ausgegeben werden, beispielsweise für anwaltliche oder psychotraumatische Erstberatung, in besonderen Notlagen ist auch eine finanzielle Unterstützung möglich. Wie viele Einbruchsopfer sich an den Weißen Ring wenden, kann Schiemann nicht sagen. Die Mitarbeiter sind ehrenamtlich tätig. Wenn sie immateriell helfen, müssen keine Formulare ausgefüllt werden. "Wir haben keine Zahlen, aber es werden mehr Opfer", so Schiemann. Denn nicht nur in Unterfranken, sondern in ganz Deutschland ist die Zahl der Einbrüche deutlich angestiegen.
Die Polizei hat bei ihrer Arbeit ebenfalls nicht nur die Spuren und die Täter, sondern auch die Betroffenen im Blick. "Wir wissen, dass die Leute massiv in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt sind", erklärt Kathrin Reinhardt. "Wir versuchen das ganzheitlich zu betrachten." Deshalb klärt die Polizei nicht nur die Bevölkerung mit Infoständen und Flyern darüber auf, was man selbst tun kann, um es Einbrechern möglichst schwer zu machen. Die Beamten vermitteln den Opfern auch Angebote und Möglichkeiten, um die psychologischen Folgen besser zu verarbeiten. "Wir geben den Betroffenen beispielsweise Kontaktadressen, wo sie sich Hilfe holen können."
Wer nach Hause kommt und entdeckt, dass Einbrecher im Haus waren, neigt womöglich dazu, im ersten Schock gleich mit dem Aufräumen zu beginnen. Das darf man aber keinesfalls tun. Richtig ist nur eins: "Sofort die 110 rufen!", macht die Kriminalkommissarin deutlich und nennt zwei Gründe, warum die sofortige Alarmierung so wichtig ist: Der Täter könnte noch in der Nähe sein, was die Fahndung der Polizei erleichtert. Wer aufräumt, verwischt außerdem Spuren, die eine Aufklärung des Falls ermöglichen.
Prävention und Hilfe
Schutz vor Einbrechern: Tipps, wie man sein Haus und seine Wohnung vor Einbrechern schützen kann, gibt es in Flyern der Polizei, aber auch im Internet unter www.polizei-beratung.de/opferinformationen, unter www.k-einbruch.de oder www.nicht-bei-mir.de.
Der Weiße Ring: Der Weiße Ring ist ein gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten. Er wurde am 24. September 1976 von 17 Gründungsmitgliedern in Mainz ins Leben gerufen. Initiator und Mitbegründer war Eduard Zimmermann. Mittlerweile hat der Weiße Ring rund 53.000 Mitglieder. In Deutschland gibt es etwa 420 Anlaufstellen für Kriminalitätsopfer mit rund 3000 ehrenamtlichen Helfern. Leiter der Außenstelle Kitzingen ist Heinrich Halbleib. Kriminalitätsopfer erreichen den Iphöfer unter Tel. 09323/3663.