Mordversuch mit dem Gift der Engelstrompete?
Autor: Franz Barthel
Würzburg, Dienstag, 02. April 2013
Die Zugehfrau eines Mediziners war auch fürs Schlafzimmer und den Garten zuständig. Jetzt muss sie sich vor Gericht verantworten. Vorwurf: Mordversuch mit dem Gift der Engelstrompete.
Ein Würzburger Allgemeinarzt, mit großer Praxis aber ohne Doktor-Titel, sagte gestern vor dem Schwurgericht aus: Die Beziehung zu seiner aus Moskau stammenden Zugehfrau (50) sei geprägt worden von ständigem Ärger und positiver Sexualität, also fifty-fifty. Und der Kitzinger Rechtsanwalt Frank Barthel, der die wegen versuchtem Mord angeklagte Zugehfrau verteidigt, übersetzte: "Beide wollten sich trennen, aber das Bett hielt sie zusammen".
Mit Gift aus dem Garten des Arztes, einem Extrakt von gefährlich schönen Engelstrompeten, wollte die Frau ihren langjährigen Liebhaber und dessen neue Lebensgefährtin, eine Lehrerin töten, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Trapp. Hinterhältig habe sie das Gift nachts in der Wohnung des Mediziners in den Wassertank der Kaffeemaschine geschüttet. "Alles falsch", sagte die Angeklagte.
Fest steht nach dem ersten Prozesstag, dass der Arzt (69) die Aussiedlerin als Patientin kennen gelernt und die seiner Meinung nach erforderliche langfristige Therapie gegen deren Depression in seine Wohnung verlegt hatte. Fünf Jahre lang stand und lag die Frau dann dem Mediziner "zu Diensten". Sie dolmetschte, wenn er Asylbewerber aus der ehemaligen Sowjetunion untersuchte, sie putzte die Wohnung und betreute "mit einem grünen Daumen" den Garten am Haus.
Ehe war kein Thema
Aber Ehe oder überhaupt was Langfristiges sei kein Thema gewesen, so der Arzt. Die Zugehfrau mit zusätzlichem Aufgabengebiet im Garten habe sich nicht in sein gesellschaftliches Leben integrieren lassen. Sie habe sich zum Beispiel nicht den Anlässen entsprechend kleiden wollen. Die sexuelle Beziehung habe sich allerdings durch eine "gewisse Attraktivität ausgezeichnet", so dass es auch nach dem Giftanschlag noch zu Begegnungen im Bett kam. Der Zeuge ließ keinen Zweifel daran, dass altersbedingt nachlassende Sexualität für ihn überhaupt noch kein Thema ist.
Immer wieder wurden, weil es zum Verständnis des Geschehens gehört, Frauen in die Verhandlung "eingeführt": So häufig, dass selbst Prozess erfahrene Journalisten in einer Verhandlungspause bei Kollegen nachfragten, ob sie das richtig verstanden haben. Der Arzt ist noch verheiratet, hat sich aber von seiner Frau schon vor langer Zeit getrennt und zwar nur deswegen, weil die krankheitsbedingt eine behindertengerechte Wohnung benötigt. Er wohnt an einem Hang mit vielen Treppen.
Afrikanerin im Schlafzimmer
Als die angeklagte Frau mit russischem und deutschem Pass schon von "Lebensgefährtin" zurückgestuft war auf "Zugehfrau und Gärtnerin" und eine Lehrerin ihren Platz eingenommen hatte, "erwischte" die Angeklagte ihren Ex-Lover und Arbeitgeber auf 400 Euro-Basis nachts im Schlafzimmer mit einer Afrikanerin. Was die Angeklagte dort wollte: Einen Garagenschlüssel zurückbringen, den sie noch bei sich hatte. Den warf sie schwungvoll Richtung Bett, sodass die dunkelhäutige Frau unter der Decke Schutz suchte.
Kräftig zugelangt hat der Mediziner am Morgen des Giftanschlags: Vier bis sechs Tassen Kaffee hat er getrunken. Nicht die üblichen Tassen, sondern die großen, "wie immer". Und weil ja von Ärzten immer wieder mal vor zu viel Kaffee-Konsum gewarnt wird, erklärte der Zeuge, dass er unter zu niedrigem Blutdruck leide. Außerdem gewöhne sich der Körper an solche Koffein-Mengen.
Die neue Lebensgefährtin hatte nur eine Tasse getrunken und sich dann auf den Weg zur Schule gemacht. Beim Versuch, den Frühstückstisch abzuräumen und die Spülmaschine zu leeren, sei ihm dann wiederholt ein Glas aus der Hand gefallen. Das hörte eine Sprechstundenhilfe im Haus. Sie bemerkte, dass mit dem Chef etwas nicht stimmt und brachte den sofort zu einem Kollegen in dessen Praxis. Dort sei der Patient aufgefallen, weil er Schubladen am Schreibtisch des Kollegen öffnete und durchsuchte.
Rettungssanitäter, die das Opfer schließlich mit drohendem Kreislauf-Kollaps Richtung Intensivstation gebracht haben, soll der Arzt höchst unfreundlich behandelt haben. Die Lebensgefährtin ist auch aufgefallen, weil sie im Auto einer Kollegin deren Handtasche durchwühlte.
Beide hatten Glück und überlebten,. Bei dem Mediziner war in den folgenden Monaten das Kurzzeit-Gedächtnis stark beeinträchtigt, selbst Namen von langjährigen Patienten seien ihm mitunter nicht mehr eingefallen. Die Ermittlungen dauerten lange, erst knapp ein dreiviertel Jahr später ist die ehemalige Zugehfrau festgenommen worden und seitdem sitzt sie.
Die mehr als mannshohen Engelstrompeten, mit weißen und gelben Blüten, jahrelang der Blickfang für Patienten und Gäste des Arztes auf dessen Terrasse, gibt es nicht mehr. Sie lieferten angeblich den Stoff für den Giftanschlag. Sie sind erfroren, weil sie am ersten Frost-Tag im Herbst 2011 noch draußen standen. Der Arzt war an dem Tag nicht daheim und die Gärtnerin mit Migrationshintergrund schon nicht mehr für den Garten zuständig.
Viele Fragen sind offen
Es gibt viel aufzuklären an den nächsten Verhandlungstagen: So soll die Angeklagte ausgerechnet an Weihnachten mal im kleinen Kreis, der Arzt erinnert sich, gesagt haben, sie wisse, wie man einen Ehemann beseitigt, ohne Spuren zu hinterlassen. Sie soll sich im Internet schlau gemacht haben über das Gift der Engelstrompete und sie soll, anders wie das der Staatsanwalt sieht, nicht eifersüchtig gewesen sein auf des Doktors neue Bettgefährtin, weil sie sich zu der Zeit bereits nachweislich beziehungsmäßig neu ausgerichtet und eine gleichgeschlechtliche Beziehung aufgenommen hatte. Am Donnerstag wird die Verhandlung fortgesetzt.