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Mit Gitarre und Rad den Jakobsweg entlang


Autor: Tom Müller

Kitzingen, Dienstag, 21. Mai 2013

Ben Schilling will Pilger für Yoga begeistern und die Erlebnisse der Tour für andere in einem Buch und bei einer Vortragsreihe wiedergeben. Dabei hat er ein schweres Schicksal zu verarbeiten.
Ben Schilling verbindet das Radeln, die Musik auf der Gitarre und Yoga auf dem Jakobsweg. Foto: Tom Müller


Um es gleich vorweg zu nehmen: Hape Kerkelings Bestseller "Ich bin dann mal weg", das den Jakobsweg 2006 in Deutschland populär gemacht hatte, stand ausnahmsweise mal nicht Pate für die Reise, die Ben Schilling sich vorgenommen hat. "Ich habe das Buch bis heute noch nicht mal gelesen", gesteht Schilling. Der Yoga-Lehrer hat eine ganz andere Intention, sich mit dem Rad von Kitzingen aus auf den berühmten Pilgerweg nach Santiago de Compostela zu machen.

Tochter stirbt an Leukämie

Im Dezember 2005 wird Schillings Tochter Farah geboren. Acht Wochen später diagnostizieren die Ärzte Leukämie. Nun machen sich Eltern auf eine derartige Tour, wenn Gott helfend eingreift und das Kind geheilt wird. Nicht so bei Schilling. "Ich habe mir vorgenommen, die Reise zu machen, wenn sie es nicht schafft." Sie schafft es nicht.



Doch statt auf den Jakobsweg führt Schillings Weg erst einmal nach Indien. Acht Monate verbringt der gebürtige Amerikaner dort. Er findet einen Guru und entdeckt die heilende Wirkung von Yoga. "Die Übungen waren wie Medizin für mich", erzählt der 35-Jährige. Er taucht immer tiefer in die fernöstliche Philosophie ein. Aus einem Schüler wird ein Lehrer. Zurück in Deutschland, eröffnet er ein Yoga-Studio.

Den Vorsatz, den Jakobsweg in Angriff zu nehmen, hat Schilling nach wie vor, allerdings verschiebt er den Starttermin ein ums andere Mal. Dennoch nähert er sich Schritt für Schritt dem großen Ziel. Von Landsberg am Lech fährt er mit dem Rad nach Italien. Seitdem verbindet er das Radeln mit Yoga, bietet beides seinen Schülern an.

"Viele Ärzte verordnen das Radfahren als Therapie", erklärt Schilling. "Und beim Yoga werden seelische Spannungen gelöst. Beides ergänzt sich wunderbar."

Eine Probetour von Kitzingen nach Nürnberg macht Schilling noch. Hier erlebt er, wovon Pilger auf dem Jakobsweg berichten: Nichts ist geplant und dennoch wird wie durch himmlische Führung für alles gesorgt. "Ein Bauer gab mir zu trinken, ein anderer lud mich ein, bei ihm zu übernachten", berichtet Schilling. "Der hat mir sogar ein opulentes Frühstück hingestellt." Schilling ist überwältigt. Und er weiß: "Jetzt ist der Punkt erreicht, den Jakobsweg zu erleben. Jetzt oder nie."

Die Gitarre muss mit

Schilling fährt nicht mit dem Zug nach Spanien, um die 800 Kilometer lange Strecke vom klassischen Einstiegspunkt Saint Pied de Port zu beginnen, sondern radelt von Kitzingen aus. Vier bis sechs Wochen hat er dafür angesetzt. Auch das Gepäck, das er am Rad mit sich führt, ist genau bemessen: ein Zelt, eine Yoga-Matte, Werkzeug, Wäsche - und eine Gitarre. Schilling ist Hobby-Musiker und freut sich auf das gemeinsame Singen mit den Pilgern. Religiöse Erfahrungen sucht er ganz bewusst nicht. "Ich bin offen für alles, aber ich erwarte nichts." Gar nichts?

"Doch, es gibt eine Sache, die ich erleben will", räumt der Yoga-Lehrer dann doch ein. "Unser geistiger Zustand ist oft vergleichbar mit einer Flasche Wasser, in der Sand zu einer trüben Brühe gelöst ist. Wenn man diese Flasche hinstellt, sinkt der Sand ab und oben wird es klar. Ähnlich ist es mit dem Geist in der Meditation." Schilling kommt zum Punkt. "Ich will wieder ein Stück klarer werden, etwas mehr Bewusstheit erfahren."

Buch und Vortrag geplant

Ähnlich wie Hape Kerkeling will Schilling die Erlebnisse seiner Reise in einem Buch verarbeiten. "Yoga auf dem Jakobsweg" soll es heißen. Doch auch in diesem Punkt setzt Schilling sich nicht unter Druck. "Ich bin mir bewusst, dass ich die Tour vielleicht auch nicht zu Ende führe. Gut möglich, dass ich vorher schon einen bestimmten Punkt erreiche, den ich als Ziel erfahre." So oder so, er plant noch weiter. Neben einem Buch, soll "Yoga auf dem Jakobsweg" in eine Vortragsreihe münden. Schilling will die Zuhörer dann aber aktiv mitnehmen, nicht nur über die Tour referieren. "Ich will Aha-Erlebnisse vermitteln", sagt der Yoga-Lehrer. Erste Gespräche mit der Volkshochschule Kitzingen sind bereits geführt.