Zwischen Verzweiflung und Unverständnis: Den Lehrkräften reicht es
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Mittwoch, 24. März 2021
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen in den Schulen schaffen die Lehrkräfte. Werden die Anweisungen des Ministeriums nun verweigert?
Es gärt. Und der Ärger bricht sich Bahn. Etliche Lehrer haben sich in dieser Redaktion gemeldet. Sie alle sagen Dasselbe: Das Fass ist voll.
Distanzunterricht, Wechselunterricht, Präsenzunterricht. Als wäre dieses Hin und Her nicht fordernd genug, kommen immer neue Anweisungen aus dem Kultusministerium dazu. Die neueste Forderung: Lehrer sollen die Schüler bei der Durchführung von Selbsttests überwachen und anleiten. „Schon wieder muss die Schule Aufgaben übernehmen, die normalerweise ins Elternhaus gehören“, ärgert sich Anja Bank, Lehrerin an der Siedlungsgrundschule und fragt: „Warum kann man das nicht den Eltern zumuten?“ Eine Frage, die das Pressebüro des Kultusministerium so beantwortet: Eine Durchführung der Selbsttests in der Schule stelle sicher, dass das Testen zuverlässig und regelmäßig stattfindet und korrekt ausgeführt wird. Im Fall von Schwierigkeiten kann direkt nachgefragt werden.
„Ich komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus"
Eine regelmäßige Testung unter kontrollierten Bedingungen erhöhe die Sicherheit im Schulbetrieb und damit auch die Akzeptanz bei Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern, ergänzt Pressesprecher Lukas Strehle auf Nachfrage. In Österreich funktioniere das sehr gut. In Mainfranken wachsen dennoch das Unverständnis und der Missmut.
Video:
Es ist nicht nur die zusätzliche Arbeit und Verantwortung, die Lehrer ärgert. Es ist auch der Umgang mit ihren Ressourcen. Die sind nach zwölf Monaten Corona aufgebraucht. Von einer enormen Stressbelastung für alle Beteiligten spricht eine Schulleiterin aus Unterfranken. Ihre Schule befindet sich im ländlichen Raum, ist auf mehrere Standorte verteilt. Das Sekretariat ist nicht durchgehend besetzt, die Schulleiterin unterricht selbst eine Klasse – mit deutlich mehr als 20 Kindern. Herausforderungen hat sie mehr als genug. Jetzt auch noch die Selbsttests. „Wer kümmert sich um positiv getestete Kinder?“, fragt sie. Und: Wer kümmert sich in dieser Zeit um den Rest der Klasse?
Auf die Frage, wer die Eltern informiert, hat das Kultusministerium eine Antwort, die den Lehrern nicht schmecken dürfte: Die Situation sei den Schulen zunächst einmal insoweit vertraut, dass sich auch bei Erkrankungen im Verlauf des Schultags die Frage der Abholung durch Eltern/Erziehungsberechtigte regelmäßig stellt, so Pressesprecher Strehle. Er versichert: „Selbstverständlich“ werde der Schüler bis zur Abholung nicht alleine gelassen. Bis zum Eintreffen der Erziehungsberechtigten werde eine in Bezug auf das Alter, den Zustand, die individuelle Reife und die räumlichen Gegebenheiten angepasste geeignete Betreuung beziehungsweise Beaufsichtigung sichergestellt.
Corona-Tests an Schulen: Wer trägt die Verantwortung?
Spätestens bei diesen Worten geht Sabine Huppmann, BLLV-Vorsitzende und selbst Lehrkraft an einer Grundschule, die Hutschnur hoch. „Ich komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus“, sagt sie und wundert sich, dass im Kultusministerium anscheinend immer noch nicht angekommen ist, dass es kein Personal „für solche zusätzlichen Scherze“ gebe.
In der Praxis sieht es ganz anders aus, als es sich das Kultusministerium vorstellt. „Oft erreichen wir keine Erziehungsberechtigten, wenn wir kranke Kinder abholen lassen wollen“, berichtet Anja Bank. Sie sorgt sich vor allem um die verhaltensauffälligen Schüler, deren Zahl seit Jahren kontinuierlich steigt. „Wer trägt die Verantwortung, wenn die Kinder aufstehen, herumlaufen und sich schubsen?“, fragt sie. „Wer ist verantwortlich, wenn das Stäbchen plötzlich tiefer in der Nase steckt?“