Zwischen Frust und Lust
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Freitag, 08. Mai 2020
Brauchen Riesenunternehmen wirklich Staatsgelder? Neben Corona-Alltagsfragen wie fehlender Bewegung beschäftigt die Redaktionsmitglieder auch der Umgang mit Steuermitteln.
Unser Leben mit Corona: Allwöchentlich schildern die Redaktionsmitglieder an dieser Stelle ihre Gedanken, Gefühle und Erlebnisse in dieser ungewöhnlichen Zeit. Diesen Samstag geht es unter anderem um lang vermisste Freiheit, zu wenig Bewegung und den Umgang mit Staatshilfen.
Schon komisch, wie schnell man sich umgewöhnt. Klar: Ich vermisse meine „unverbesserlichen“ Volleyballfreunde und den Dienstagssport mit unserer coolen Trainerin Erika. Aber ansonsten hab' ich mich ratzfatz mit der neuen Situation arrangiert und freue mich mittlerweile schon auf die allabendliche Freizeit. Früher waren alle Abende der Woche durchgeplant mit eigenen Aktivitäten und Fahrdiensten für die Kinder. Dann kam Corona – und seitdem muss niemand mehr zum Fußballtraining, zur Musikschule oder zu Freunden gebracht und später wieder von dort abgeholt werden. Stattdessen kann ich nun allabendlich mit unserem lustigen Pflegehund Bobby durch Feld und Flur streifen – und das ohne ständig auf die Uhr schauen zu müssen, um keinen Hol- oder Bringdienst zu vertrödeln. Ehrlich: Ich genieße das fast ein bisschen.
Wird es wieder vorbei sein mit der schönen Freiheit, wenn Söder & Co. die Ausgangsbeschränkungen gänzlich zurücknehmen? Wird mein Leben wieder nach dem alten, strengen „Fahrplan“ verlaufen, ferngesteuert statt frei?
So sehr ich mein Handy auch liebe, es gibt Momente, da verwünsche ich es. Urplötzlich, wie aus dem Nichts, kommt sie jede Woche: die Meldung über die aktuelle Bildschirmzeit. In Zeiten von Corona, in denen ich meine sozialen Kontakte per Videotelefonie und endlosen Chats pflege, alles andere als eine kleine Zahl. Klein hingegen die nächste Zahl, die mir mein Handy entgegen spuckt: meine Durchschnittskilometer der letzten vier Wochen. Ich traue es mich kaum schreiben, aber tatsächlich stand da zuletzt 1,2 km/Tag! Erschreckend! Aber was soll auch anders da stehen? Tatsächlich bewege ich mich seit Ausgangsbeschränkung und Home-Office kaum aus den eigenen vier Wänden. Der Garten und ein kurzer Spaziergang sind das Höchste der Gefühle.
Doch jetzt bin ich wachgerüttelt! Seit Mittwoch dürfen meine Kinder wieder zur Omi – und ich hab seit Wochen endlich mal Zeit für mich. Parallel dazu flatterte eine Email in mein Postfach, mit Infos zu einer Gesundheitskarte, deren Zweck sogar mein Arbeitgeber honoriert. Für jeden Lauf über drei Kilometer bekomme ich 4 Euro gutgeschrieben. Überredet. Ich schnüre gleich meine Turnschuhe... meinem Handy werd' ich?s zeigen.
Daniela Röllinger:Nach sechs Wochen Home-Office stand für mich ab Montag eine Vollzeit-Woche in der Redaktion an. Endlich wieder unter Leute! Die Vorfreude war groß. Doch ich musste feststellen, dass auch das Arbeiten in den Redaktionsräumen anders ist als sonst. Auch hier sind nur wenige Leute um mich rum. Auch hier läuft vieles übers Telefon. Zumindest gibt es wieder ein ein paar Termine. Die konstituierenden Sitzungen der Stadt- und Gemeinderäte zum Beispiel. Die Fotos zeigen mehrere Menschen in gebührendem Abstand. „Rückt ma weng zam“, hätten wir beim Fotografieren sonst gesagt. Jetzt heißt es eher: „Bitte noch ein bisschen auseinander!“ Schon komisch.
Auseinander gehen auch die Meinungen über eingeschränkte Freiheiten durch Corona, über Verantwortung, über Forderungen aus der Wirtschaft. Über so manches könnte ich mich da wirklich aufregen. Braucht ein Riesenunternehmen tatsächlich Geld vom Staat – und damit letztendlich von uns Steuerzahlern –, wenn es jahrelang fette Gehälter ans Spitzenpersonal zahlen konnte? Warum sollen die plötzlich keine Miete mehr zahlen, wo es der kleine Mann doch auch tun muss, selbst wenn er in Kurzarbeit ist? Kann ja wohl nicht sein. Da könnte ich mich richtig reinsteigern! Im Kopf habe ich eine Liste von Unternehmen, bei denen ich nichts mehr kaufen möchte. Ob ich konsequent bleibe? Das ist, wie bei ganz vielem, was wir jetzt, in Corona-Zeiten tun, die Frage.