Zwischen Einlauf und Auflauf

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Spätestens beim Anblick des Irrigators kamen Kollegin Grötsch Zweifel an der Auswahl ihres Fastenthemas.
Foto: Nele Grötsch
Daniela Röllinger will achtsamer essen.
Foto: Johannes Röllinger
Diana Fuchs hat einen Durchhänger.
Foto: DAVID FUCHS

In der dritten Fastenwoche kommen einige Mitglieder dieser Redaktion schon an ihre Grenzen. Andere fühlen sich regelrecht erleichtert und starten voll durch

Landkreis Kitzingen

Die Pfunde purzeln nur so – zumindest bei zwei Kolleginnen. Der Mann im Fastenkreis hat eine kleine kreative Pause eingelegt, um dann richtig durchstarten zu können und in Sachen Achtsamkeit kommt Daniela Röllinger langsam auf den Geschmack. Mit den guten Taten schaut es allerdings eher schlecht aus.

Julia Volkamer

(Fit und gesund – minus 5,6 Kilo): Eigentlich könnte ich jetzt schon aufhören mit dem Abnehmen. Mein festgesetztes Ziel von fünf Kilo weniger habe ich erreicht – blöd nur, dass ich darauf nicht mit meinen Freundinnen anstoßen kann, wir trinken ja gerade nichts!

Aber ich höre natürlich nicht auf, im Gegenteil. Ich mache Sport. Und zwar richtig. Nicht so Alibi, wie der Kollege Di. Schließlich soll vor allem das Fett schmelzen, nicht die Muskeln. Dementsprechend hart ist das Training. „Wenn Du nicht über Deine Grenzen gehen musst, dann ist es nur Bewegung“ ist ein Satz, den ich nie mehr vergessen werde. Oliver Schmidt besitzt die Bezeichnung „1. Dan Karate“ nicht nur auf dem Papier, sondern trägt diese Aura eines Mr. Miyagi in sich. Bei seinen Workouts schwebt irgendwie immer ein „Wie, Du kannst nicht mehr?“ im Raum, kombiniert mit einem „Ich dulde keine Schwäche“ und einem „Du hast es doch so gewollt“. Diese Philosophie gibt er auch an seine Azubis weiter.

Nachdem ich das erste Personal- Training mit Olli, zwei Oberarm-dicken Tauen und einem halbmondförmigen Sandsack hinter mich gebracht hatte, wartete ein paar Tage später Simon mit zwei Zehn-Kilo-Kurz- und einer 20-Kilo-Langhantel auf mich – am nächsten Morgen konnte ich mir kaum die Haare kämmen. Zwischendurch stand noch das Gruppentraining mit Kickboxen und hunderten Kniebeugen an, dazu gibt es jeden Tag (außer am Wochenende) eine kleine Challenge. Beim Bankstütz hab ich komplett versagt. Genauso wie beim Trampolin-Hüpfen mit meinen Jungs. Die Oberschenkel waren tot. „Du willst doch nicht etwa aufhören?“ klingt Ollis Stimme in meinen Ohren. Vergiss es. Ich mache weiter.

Ralf Dieter

(Sport und nichts Süßes): Beneidenswert, die Kollegin. Der Ehrgeiz hat sie gepackt und lässt sie nicht mehr los. Mein sportlicher Ehrgeiz tendiert gerade gegen Null. Zwei Mal wollte ich am Wochenende joggen gehen. Geklappt hat es zwei Mal weniger. Eigentlich logisch. Bei dieser Kälte rennen nicht mal Schafe durch die Gegend. Muskelkater hatte ich trotzdem. Den Samstag habe ich damit verbracht, im Garten Hecken zu schneiden, Laub zu rechen und die Abfälle zum Wertstoffhof zu bringen. Seither weiß ich, dass ich auch im rechten Unterarm irgendwelche Muskeln sitzen habe. Am Abend habe ich mir dann noch die Sportschau angeschaut. Das muss für diese Woche reichen. Jetzt hoffe ich auf weitere Corona-Lockerungen, damit ich irgendein Sportangebot finde, bei dem ein Ball integriert ist. Bis dahin tröste ich mich damit, dass ich seit Aschermittwoch nichts Süßes mehr angerührt habe. Zumindest nicht in den Redaktionsräumen. Erfolg auf der ganzen Linie.

DIANA FUCHS

(jeden Tag eine gute Tat): Ganz ehrlich, ich bewundere den Kollegen Di. dafür, dass er selbst im ältesten Mist noch ein Hälmchen Stroh findet... Ich versuch' das gar nicht erst. Gerade ist alles Shit. Die zweite Woche Quarantäne durchzustehen, hat mich den letzten Rest Elan und Euphorie gekostet – da ist einfach nichts mehr übrig für gute Taten. Gefangen in meinem provisorischen „Homeoffice“ – ein viel zu hochtrabendes Wort für den Platz rund um einen alten Sessel, in dem man nach zwei Stunden krumm und bucklig ist – fällt es mir Tag für Tag schwerer, mich trotz fehlendem Auslauf (sogar Gassigehen mit dem Hund ist verboten) zu konzentrieren. Ich fühle mich unausgelastet und latent genervt. Bei Rock von rechts und Rap von links – die Beschallung kommt aus den Zimmern meiner Quarantäne-Homeschooling-Jungs – nehme ich alle halbe Stunde das Handy zur Hand, scanne den QR-Code und hoffe auf die erlösende Nachricht: „Ihr Testergebnis ist negativ.“ Ganz sicher würde das meinen Energiespeicher schlagartig aufladen, die guten Taten würden nur so aus mir rauspurzeln...

Nina Grötsch

(Heilfasten/Rückblick auf Tag 3): Heute hält mich mein Kreislauf auf Trapp. Kaum stehe ich auf, wird mir kurz schwarz vor Augen. Die Vhs-Kursleitung empfiehlt einen Teelöffel Honig (neben Tee so gar nicht mein Geschmack), Wechselduschen und eine Bürstenmassage. Was man nicht alles macht... Danach geht es mir auf jeden Fall besser und ich bin bereit für den ersten Einlauf. Einzelheiten erspare ich den Lesern hier. Nur so viel: Es ist tatsächlich machbar, man darf dabei halt nicht gesehen werden. Ich mische ein bisschen Kamillentee mit rein, im Glauben, den muss ich dann schon mal nicht trinken.

Nächstes Tagesziel: Fastensuppensuppe. Zwei Löffel, dann geht mir die Brühe so derwider, dass ich abbrechen muss. Dann eben nur noch stilles Wasser - mindestens drei Liter pro Tag. Abends im Kurs der Tipp: ein bisschen Sauerkrautsaft ins Getränk, das wäre eine deftig-schmeckende Alternative. Ich hege Zweifel, notiere es aber. Immerhin purzeln tatsächlich die Pfunde: 2,5 Kilo sind schon weg.

Daniela Röllinger

(Achtsamkeit): Augen zu, Mund auf: Wie oft habe ich das mit meinen Kindern „gespielt“, als sie noch klein waren. Vor uns stand dann meist ein Teller mit geschnippeltem Obst. Bananen, Äpfel, Kiwi, Birnen..., dazwischen hatte sich manchmal ein Stückchen Wienerle oder ein Gummibärchen geschummelt. Man wusste ungefähr, was auf einen zukommt, aber der Geschmack ließ sich mit geschlossenen Augen weit besser entdecken als mit geöffneten. Jetzt probiere ich ab und zu wieder, mit geschlossenen Augen zu essen, als weiteren Schritt zu mehr Achtsamkeit. Mein Ziel ist es, bewusster zu essen und vor allem langsamer. Spannend ist das insbesondere, wenn man sich Essen im Restaurant holt oder jemand anders gekocht hat. Mal schnuppern, bevor die Gabel im Mund landet. Ist das ein Auflauf? Wie riecht das eigentlich genau? Kann ich alleine am Geruch erkennen, was ich da aufgespießt habe? Welche Gewürze entdecke ich?

Genau schmecken, die Konsistenz erkunden, ausgiebig kauen. Ein bisschen blöd ist nur, dass so etwas für das Essen am Familientisch nicht unbedingt geeignet ist, da sind meine Jungs schon viel zu groß. Statt mit Begeisterung werden derartige Experimente eher mit rollenden Augen und genervten Blicken quittiert. Ich übe lieber heimlich – und lenke meine Gedanken dabei auf Kollegin Fu. Sie ist mein Vorbild, wenn?s ums Essen geht. Wenn wir sonst, vor gefühlt hundert Jahren, manchmal im Kollegenkreis gemeinsam zu Mittag gegessen haben, waren unsere Teller längst ratzeputz leer, bevor sie auch nur ein Drittel gegessen hatte. Langsam, genussvoll, ohne gehetzten Blick auf die Uhr. So soll es sein. Fu, ich vermisse Dich.