„Zusammen läuft's“
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Donnerstag, 03. Februar 2022
Moritz Reichhard ist geimpft. Seine ungeimpften Freunde möchte er nicht missen. Aber er findet, sie müssten Geimpften im Krankenhaus den Vortritt lassen.
Er ist jung, kein Politiker, sondern leidenschaftlicher Sportler: Moritz Reichhard spielt für Tauberbischofsheim in der Handball-Verbandsliga. Nach einer Lehre als Mechatroniker und Weiterbildung zum Elektrotechniker studiert er aktuell Wirtschaftswissenschaften. Der 24-Jährige aus Rödelsee lebt in einer WG in Würzburg, analysiert stundenlang Corona-Statistiken und macht sich viele Gedanken. Über die Welt, über die Pandemie. Vor allem aber über Lösungen. Die Pandemie hat ihn dazu bewogen, einen Blog zu starten und seine Ideen niederzuschreiben. Wie kommen wir aus dem Konflikt um eine Impfpflicht heraus, ohne dass die Gesellschaft sich noch mehr entzweit? Moritz Reichhard hat einen Vorschlag.
Frage: Ein Riss geht durch die Bevölkerung: Auf der einen Seite die Impfbefürworter, auf der anderen die Impfgegner. Kann man den Riss wieder kitten?
Moritz Reichhard: Ja, aber das wird dauern. Und eine Impfpflicht ist der falsche Weg. Die wäre möglicherweise die Lösung für die Pandemie, aber nicht die Lösung, um die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Man kann die Menschen nicht zu Glück oder Sicherheit zwingen. Es ist das alte Dilemma: Freiheit und Sicherheit müssen gegeneinander abgewogen werden. Oft hört man Sätze wie: ?Die Freiheit des Einen endet dort, wo sie die Freiheit des nächsten beschneidet!? Bezogen auf Corona sagen dann die Einen: ?Meine Freiheit wird da beschnitten, wo mir der Andere vorschreibt, dass ich mich impfen lassen muss.? Von den Anderen hört man: ?Meine Freiheit endet da, wo ich keinen Platz mehr auf einer Intensivstation bekomme, weil Mitbürger ein erhöhtes Risiko eingegangen sind, dort zu landen.? Zwei Probleme, die jeweils in der individuellen Wahrnehmung unterschiedlich gewichtet werden. Vielleicht muss man das auch erstmal akzeptieren können.
Woher kommt das fehlende Vertrauen in „die Politik“, in etablierte Systeme?
Reichhard: Ich denke, der Vertrauensverlust summiert sich aus einigen Gründen. Viele Menschen fühlen sich abgehängt oder sehen zumindest keinen Fortschritt, weder persönlich noch finanziell noch politisch. Das kommt meiner Meinung nach daher, dass der Zugewinn, den wir als Gesellschaft beziehungsweise Volkswirtschaft erarbeiten, ungleich verteilt wird. Für einen Manager oder Ingenieur ist es viel leichter, eine Lohnerhöhung zu fordern und durchzusetzen, als für eine Krankenschwester oder Putzfrau. Dazu kommt schlechte Politik – nehmen wir die Themen Pflegenotstand und Flüchtlingskrise. Da liegt einiges im Argen. Dass dann zusätzlich Spitzenpolitiker unfähig sind, Fehler vor laufender Kamera zu reflektieren, innezuhalten, sich auch mal zu entschuldigen, lässt das Vertrauen schwinden. Verunsicherung und Ängste entstehen. Diesen Raum nutzen dann Kräfte abseits der Mitte, wie die AfD, aber auch große Konzerne mit zweifelhaften Zielen, geschickt aus und schüren Ängste und Verunsicherung weiter.
Aber auch darüber informieren seriöse Medien doch.
Reichhard: Ja, aber die sozialen – beziehungsweise asozialen – Medien und Click-Bait-Portale wirken wie Brandbeschleuniger. Sie schlagen Profit aus der natürlichen Sensationsgeilheit und dem ständigen Vergleichen der Menschen miteinander. Schlimme und schlechte Nachrichten werden öfter geklickt, halten die Nutzer länger bei der Stange – und ihnen werden dann weitere ähnliche Nachrichten angezeigt. Es entstehen Blasen, die oft schwer zu durchschauen sind und die Fronten weiter verhärten. Teilweise wirken diese Blasen wie Scheuklappen und führen dazu, dass man Themen für sich überbewertet. Diese Überbewertung lässt den ein oder anderen den Weitblick oder Weltblick dafür, dass es uns in Deutschland super geht, verlieren. Man sieht dann eben auch das Gute nicht mehr.