Aber eine Kartoffel ist doch eine Kartoffel, eine Nudel eine Nudel. Da hat sich doch nichts geändert.
Nußbaum: Das stimmt natürlich. Aber die Leute essen ja nur noch selten Kartoffeln, ein Stück Fleisch und Gemüse als Beilage. Wir essen anders. Das Problem sind außerdem nicht in erster Linie die Hauptmahlzeiten. Es sind die Snacks, die man sich zwischendurch kauft.
Weil da keine guten Inhaltsstoffe drin sind?
Nußbaum: In fertigen Lebensmitteln sind mehr Salz und Zucker, damit man mehr isst. Nehmen wir die Isoglucose, das ist ein aus Mais hergestellter Zuckersirup. Er wird heute häufig untergemischt, weil er günstiger ist als normaler Zucker. Er puscht den Blutzucker hoch, wenig später geht der wieder runter und man hat das Gefühl, sofort wieder etwas essen zu müssen. Diese Spitzen, vier- bis fünfmal am Tag, das ist der direkte Weg ins Übergewicht.
In welchem Alter nimmt man am meisten zu?
Nußbaum: Die größte Zunahme gibt es bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren. Das macht uns Sorgen.
Warum ist es gerade diese Gruppe?
Nußbaum: Häufig sind die Frauen vorher schon nicht allzu dünn. Dann nehmen sie zu, steuern mit Diäten dagegen. Es geht zehn Kilo runter, dann 20 Kilo wieder rauf. So kommen jede Dekade zehn Kilo dazu.
Führen Diäten immer wieder zu einer Gewichtszunahme?
Nußbaum: Das Schwierige ist, dass Diäten, auch wenn sie in Gruppen durchgeführt werden, nicht dazu führen, dass Betroffene selbstständig agieren. Zu lernen, sich gesund zu ernähren und dabei abzunehmen, ist mühsam. Da muss man an kleinen Stellschrauben drehen und braucht Geduld. Zehn Kilo Gewichtsverlust in vier Wochen sind da nicht drin.
Falsche Ernährung wirkt sich aber nicht nur auf das Gewicht aus.
Nußbaum: Das ist richtig. Das ständige Kohlehydrat-Hopping macht beispielsweise auch müde. Eine gesunde Ernährung dient nicht nur der Gewichtsabnahme, sondern einer gesunden Lebensweise insgesamt. Wer regelmäßig dreimal am Tag die Hauptmahlzeiten isst, hat schon 80 Prozent der Miete.
Aber man kann dabei doch auch zu viel essen.
Nußbaum: Es gibt schon Leute, die essen fünf Brötchen zum Frühstück. Aber die meisten tun das eben nicht. Wer sich an die Hauptmahlzeiten hält, isst weniger als einer, der ständig snackt.
Weil man aufhört, wenn man satt ist?
Nußbaum: Leider kennen viele Menschen dieses Gefühl gar nicht mehr.
Wie können sie es wieder lernen?
Nußbaum: Durch große Pausen zwischen den Mahlzeiten. Irgendwann kommt das natürliche Hungergefühl wieder. Das ist sehr schwer. Es reicht nicht, das nur einen oder zwei Tage zu machen. Man muss das Gefühl für Hunger und Satt-Sein wieder entwickeln.
Statt diese Gefühle zu verlieren und mühsam wieder zu lernen, wäre es doch sinnvoll, Kindern gleich eine richtige Ernährung beizubringen. Müssen da Schule und Kindergarten mit ran?
Nußbaum: In Kindergärten wird schon viel getan, und auch in vielen Schulen, beispielsweise über das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Bayern ist da führend in Deutschland. Unterricht in der Schule? Ja, aber nicht als Fach Ernährung, sondern Gesundheitsförderung. Da gehört mehr dazu, als nur das Essen: Sport zum Beispiel, oder Stressbewältigung und -vermeidung. Und man muss auch klar sagen: Wir können nicht alles der Schule überlassen. Die Kinder kommen von Zuhause, dort fehlt häufig die Struktur oder es wird falsch vorgelebt. Beispielsweise mit Diäten. Wenn Erwachsene eine Diät machen, ist das nicht gut. Mit Kindern eine Diät zu machen, ist in meinen Augen Körperverletzung. Wenn es Probleme gibt, geht man die am besten mit einer fundierten Beratung an.
Stress ist also mit ein Auslöser für falsche Ernährung und Übergewicht?
Nußbaum: Er ist sicherlich ein Aspekt. Man lenkt sich mit Essen ab, und das machen die Kinder nach und verinnerlichen es. Man isst Snacks und Süßes, trinkt süße Getränke. Übrigens neigen eher Frauen dazu, sich mit ständigen Snacks vom Stress abzulenken. Männer haben ein anderes Essverhalten: Sie essen tagsüber oft überhaupt nichts und abends dann ganz viel.
Sind gesunde Snacks wie zum Beispiel Karottenstreifen eine Alternative?
Nußbaum: Beim ständigen Snacken nicht. Das muss man sich einfach abgewöhnen. Das ist harte Arbeit.
Die IHK bietet im Februar einen Lehrgang zum Ernährungsberater an, Sie sind eine der Dozentinnen. Worum geht es dabei?
Nußbaum: Zunächst einmal muss man wissen, dass Ernährungsberater kein geschützter Beruf ist, es geht um eine Tätigkeit. Wer den IHK-Lehrgang absolviert, kann im präventiven Bereich tätig werden, aber nicht im therapeutischen. Das dürfen nur Diätassistenten oder Ökotrophologen. Aber man kann sich zusätzlich qualifizieren, beispielsweise dann ein gesundes Frühstück konzipieren, Pepp in die Kantine bringen, Leute vorbeugend beraten, zum Beispiel im Betrieb oder wenn man sowieso im Fitness- oder Wellnessbereich tätig ist. Auch für Hauswirtschafterinnen bietet sich diese Zusatzqualifikation an.
Was lernen die Teilnehmer?
Nußbaum: Sie lernen Ernährungslehre und Lebensmittelkunde: Was ist worin enthalten, was braucht der Körper? Es geht um Achtsamkeit, um präventive Ernährung. Auch eine Kochschule gehört zum Programm. Und der Hype um Gluten oder Lactose wird angesprochen. Viele Menschen setzen auf extreme Ernährung statt auf gesunde Ernährung. Dabei leiden nur ganz wenige Menschen unter Zöliakie und vertragen tatsächlich kein Gluten. Haben die Leute Probleme mit der Verdauung, schieben sie das auf das Essen. Dabei sind sie ganz häufig von Stress verursacht. Und da wäre es besser, alles zu essen als in Extreme zu verfallen.
Weiterbildung zum Ernährungsberater (IHK)
Lehrgang: Mittlerweile ist jeder zweite Deutsche übergewichtig, jeder Fünfte fettleibig. Um diesem Negativtrend entgegen zu wirken, besteht ein hoher Bedarf an Personal mit Fachkunde zur Ernährung. Der Zertifikatslehrgang „Ernährungsberater/in (IHK)“ vermittelt die benötigten Sachkenntnisse zu gesunder Ernährung. Die Teilnehmer sind nach Abschluss der Ausbildung in der Lage, relevante Fakten und Fertigkeiten rund um die Ernährungslehre sicher zu vermitteln und Beratungen zur ausgewogenen Ernährung durchzuführen.
Termin: Der Lehrgang findet in Vollzeitunterricht statt und dauert zwei Wochen. Start ist am Montag, 19. Februar.
Informationen und Anmeldung: Larissa Keilholz, IHK, Tel. 0931/ 4194-385, E-Mail: larissa.keilholz@wuerzburg.ihk.de oder unter www.wuerzburg.ihk.de