Druckartikel: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Mittwoch, 17. Januar 2018

Die IG Metall lässt nicht locker und mobilisiert rund 500 Personen zu einem Warnstreik.
„Ihr solltet Euch schnell bewegen, sonst werden wir Euch bewegen.“Walther Manns Drohung in Richtung der Arbeitgeber kommt bei den Streikenden in Kitzingen gut an.


Es war kalt, es war stürmisch. Und trotzdem kamen sie. Nach Angaben der Veranstalter versammelten sich gestern Vormittag 500 Demonstranten vor den Werkstoren der Frankenguss in Kitzingen. Ihre Forderungen: Sechs Prozent mehr Geld. „Und Arbeitszeiten, die zu unserem Leben passen“, wie es der 1. Bevollmächtigte Walther Mann formulierte.

Leichte Schneeflocken, starker Wind: Gemütlich war es keinesfalls um 9 Uhr in der Früh. So gesehen passte das Wetter ganz prima zu dem Klima zwischen den Tarifparteien. Letzten Dienstag startete die IG Metall ihre zweite Warnstreikwelle in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie. In Schweinfurt gingen vorgestern rund 5000 Streikende auf die Straße. „Wir werden den Druck auch weiterhin hoch halten“, kündigte Viktor Grauberger vom DGB in Würzburg an. Als nächster Verhandlungstermin zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ist in Bayern der 25. Januar angesetzt.

„Die Arbeitszeiten sollen endlich zu unseren Bedürfnissen passen.“
Walther Mann, 1. Bevollmächtigter IG Metall

Den Gewerkschaftsvertretern ist es ernst mit ihren Forderungen: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragte Grauberger. Es sei höchste Zeit, dass die Arbeitnehmer endlich angemessen an den Überschüssen der Betriebe beteiligt werden. „Wir wollen unsere Forderungen durchziehen und sind auch bereit für 24 Stunden Streik“, betonte Stefan Englert, der mit rund 70 Kollegen vom Bosch-Rexroth-Werk in Volkach nach Kitzingen gekommen war. Von einer gerechten und zeitgemäßen Forderung sprach denn auch IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Norbert Zirnsack. Die Kassen und Auftragsbücher der Arbeitgeber seien gut gefüllt. Die Forderungen der Arbeitnehmer könnten leicht erfüllt werden.

Sechs Prozent mehr Lohn fordert die IG Metall sowie das Recht, die Wochenarbeitszeit befristet auf 28 Stunden reduzieren zu können. Wenn die Eltern gepflegt werden müssen, die Kinder eine intensive Betreuung brauchen – dann sei diese Regelung notwendig. „Die Arbeitszeiten sollen endlich zu unseren Bedürfnissen passen“, forderte Mann. Derzeit würden allerdings immer noch viel zu viele Arbeitnehmer in die Teilzeitfalle tappen, die von den Arbeitgebern aufgestellt worden sei. Motto: Einmal Teilzeit, immer Teilzeit. Wer beispielsweise nach der Pflege der Eltern wieder auf Vollzeit umsteigen will, der habe darauf keinen gesetzlichen Anspruch, monierte Mann. 30 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind laut IG Metall davon betroffen. „Sie würden gerne länger arbeiten, ihr Arbeitgeber lässt sie aber nicht“, ärgerte sich der Gewerkschafter. Jetzt gehe es schlichtweg um eine Machtfrage: Wer bestimmt künftig über die Arbeitszeiten?

Die Sorge der Arbeitgeber vor einem Fachkräftemangel kann die IG Metall nicht teilen. Deren Forderung: Mehr Aus- und Weiterbildung – und die gelernten Fachkräfte endlich auch als Fachkräfte einsetzen. Laut Walther Mann arbeiten 25 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer unter ihrer Qualifikation. Dazu kommen die etwa 30 Prozent Teilzeitbeschäftigten, die gerne länger arbeiten wollen – aber nicht dürfen. „Wenn ihr die für euch gewinnen könntet, hättet ihr kein Problem mehr mit den Fachkräften“, rief Mann den Arbeitgebern zu und schob eine Drohung in Richtung Arbeitgeber hinterher: „Wenn ihr Fachkompetenz wollt, dann solltet ihr euch schnell bewegen. Sonst werden wir euch bewegen.“

„Unsere Forderungen sind berechtigt.“
Kurt Wexlberger, IG Metall, Fehrer

Im Gespräch mit dieser Zeitung zeigte sich der 1. Bevollmächtigte der IG Metall bezüglich der weiteren Verhandlungen vorsichtig optimistisch. In Baden-Württemberg habe sich eine kleine Arbeitsgruppe gebildet, die bis zum 24. Januar erste Ergebnisse erzielen will. Wie ernst es der Gewerkschaft ist, verdeutlichte er auch vor den Werkstoren von Frankenguss: Sollte keine Einigung erzielt werden, folgen Ende Januar, Anfang Februar als nächste Stufe Tageswarnstreiks. „Das passt den Arbeitgebern sicher nicht in ihre Auftragslage.“ Die hätten volle Auftragsbücher und angeblich schon eine vierprozentige Lohnerhöhung in ihre Jahresplanungen einkalkuliert.

„Unsere Forderungen sind berechtigt“, betonte denn auch Kurt Wexlberger von der Firma Fehrer, die bei der Demonstration ein kleines Kontingent an Mitarbeitern stellte. Die Wirtschaftslage sei hervorragend. Wexlberger wünscht sich für die Beschäftigten der Elektro- und Metallbranche auch Spielraum für einen gesetzlichen Bildungsurlaub, wie er in anderen Bundesländern längst die Regel sei. „Die Arbeit ändert sich immer schneller, neue Tätigkeiten sind gefragt“, meinte er. „Um nicht irgendwann abgehängt zu werden, sind Weiterbildungen notwendig.“

15 Jahre lang sei die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer gegangen, ärgerte sich Grauberger. „Jetzt sind wir an der Reihe“, rief er in die Menge – und erntete großen Applaus der Streikenden.