Druckartikel: Warten auf sinkende Pegelstände

Warten auf sinkende Pegelstände


Autor: Ralf Dieter

Marktbreit, Montag, 08. Januar 2018

Nichts geht mehr auf dem Main. Liegeplätze für Schiffe sind besetzt. Am Dienstag sollen Teile des Flusses wieder befahrbar sein.
Sie warten seit Mittwoch letzter Woche in Marktbreit auf sinkende Pegelstände: Die Kapitäne Dupal und Kraaier wollen ihre Queen Excellence in den holländischen Heimathafen bringen.


Kapitän Kraaier und Kapitän Dupal sind ganz entspannt. Hochwasser? Gehört für die beiden Holländer zum Berufsleben dazu. Seit sieben Tagen liegt ihre Queen Excellence am Marktbreiter Mainufer. Spätestens morgen soll die Fahrt weitergehen.

Seit Donnerstag letzter Woche ist der Main – streckenweise – für die Schifffahrt gesperrt. Von Trunstadt bei Bamberg aus ist der Pegel nach und nach über die bedenkliche Grenze gestiegen. „In Aschaffenburg wird der Scheitelpunkt erst noch erwartet“, teilte Helke Fröhner, Pressesprecher des Wasser- und Schifffahrtsamtes Schweinfurt gestern Vormittag mit. Fröhner geht davon aus, dass die Schifffahrt auf dem Main ab dem heutigen Dienstag peu a peu wieder freigegeben wird. Die beiden Kapitäne stellen sich dennoch auf eine weitere Nacht in Marktbreit ein. Die Löwenbrücke in Würzburg kennen sie nur zu gut. „Da muss der Pegel richtig gesunken sein, damit wir unten durch passen“, sagt Kapitän Kraaier und schmunzelt.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag ging die Fahrt von Straßburg aus los. Über Mainz fuhr die Queen Excellence den Main aufwärts. Das Ziel: Nürnberg. „Wir haben es nur bis Bamberg geschafft“, erzählt Kapitän Dupal. Drei Tage lag ihr Schiff dort vor Anker, die Gäste sind mit Bussen nach Nürnberg und Würzburg gefahren worden. „Das war eine Konzertreise“, erklärt Kapitän Kraaier. Abends Beethoven und Bach, tagsüber auf dem Fluss.

Die Lage entspannt sich

Das Hochwasser hat den Gästen jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Von Bamberg aus sind sie – zusammen mit dem Großteil der Crew – mit Bussen nach Frankfurt gefahren worden. Die „Queen Excellence“ machte sich ohne Gäste auf den Rückweg – bis das Schifffahrtsamt den gesamten Main für den Schiffsverkehr sperrte. In Marktbreit sind die beiden Kapitäne und ihre vier verbliebenen Crewmitglieder „gestrandet“.

„Jetzt entspannt sich die Lage schon wieder“, meldet Helke Fröhner. In Trunstadt, am oberen Lauf des Mains, ist ein Streckenabschnitt bereits gestern wieder freigegeben worden. In Schweinfurt lag der Pegel noch 30 Zentimeter über dem Normalstand, in Würzburg fast 80 Zentimeter. Statt 3,40 Meter war der Main dort auf 4,16 Meter angeschwollen. „Da macht es keinen Sinn zu fahren“, sagt Kapitän Kraaier und schaut auf die braune Strömung. Das Navigieren sei viel zu schwierig, manche Brücken könnten gar nicht passiert werden.

Punktlandung für den Bauhof

In Marktbreit ist die Queen Excellence deshalb rechtzeitig vor Anker gegangen. Am Mittwoch letzter Woche gab es noch genug Liegeplätze – kein unwichtiger Faktor. Insgesamt sind die Liegeplätze entlang des Mains rar gesät, wie Helke Fröhner bestätigt. „Unsere Leitzentralen steuern das deshalb“, erklärt er. Lieber wird ein Schiff zu früh an einen freien Platz geleitet, als dass es unterwegs keinen Liegeplatz mehr findet. Nach Fröhners Kenntnisstand warteten zwischen Bamberg und Marktheidenfeld gestern rund 20 Schiffe auf das Signal zur Weiterfahrt. Bevor allerdings eine Freigabe erteilt werden kann, fahren die Mitarbeiter des Schifffahrtsamtes vor Ort den Fluss ab und untersuchen ihn auf mögliche Ablagerungen von Schwemmmaterial, das den Schiffsverkehr beeinträchtigen könnte. „Berge“ heißt das im Fachjargon. Erst wenn der Main „bergfrei“ ist, kann der Fluss Streckenabschnitt für Streckenabschnitt wieder freigegeben werden.

Im Vergleich zu den Jahren 2003 beziehungsweise 2011 ist das Hochwasser 2018 eine Lappalie. Damals trat der Main flächendeckend über die Ufer, fast zwei Wochen waren die Meldestufen überschritten. „Diesmal war es fast so etwas wie eine Punktlandung“, freut sich der Leiter des Städtischen Bauhofes in Kitzingen, Georg Günther. Zehn bis 15 Zentimeter mehr und er hätte seine Mitarbeiter losschicken müssen, um das „Terminal“ für die Hotelschiffe am Kitzinger Ufer abzubauen. 120 Schrauben müssen dafür gelöst und – nach dem Hochwasser – wieder eingebaut werden. Zwei bis drei Stunden Arbeit haben sich Günther und seine Mitarbeiter sparen können. Dennoch waren gestern zwei Mann im Einsatz, um den Bereich unter der Alten Mainbrücke vom Dreck des übergelaufenen Mains zu befreien. Warnschilder vor dem Hochwasser haben die Arbeiter nicht nur dort, sondern auch auf den Fahrradwegen Richtung Mainstockheim beziehungsweise am Fußweg auf Albertshöfer Seite aufgestellt.

Überhaupt keine Sorgen hat sich der Leiter des Klärwerks Kitzingen, Jürgen Orth, gemacht. Zwei Schieber musste er regulieren, das war's. „Im Vergleich zu 2003 beziehungsweise 2011 war das ein Klacks“, sagt er. Aber wer weiß, was noch kommt. Für den Rest der Woche meldet der Deutsche Wetterdienst zwar eine deutliche Entspannung der Hochwassersituation. Aber viel weiter lässt es sich nicht vorausschauen.

Die holländischen Kapitäne Kraaier und Dupal wissen aus langjähriger Erfahrung, dass die Hochwasserzeit längst nicht vorbei ist. Wenn sie ihr Schiff in den Heimathafen gebracht haben, stehen erst mal Wartungs- und Reparaturarbeiten auf dem Programm. Erst am 15. März startet die neue Saison. Bis dahin warten die Reedereien lieber mit dem Saisonstart. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit für Hochwasser auf den europäischen Schifffahrtswegen längst wieder gesunken.