Frank Firsching warnt vor der Armutsfalle
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Mittwoch, 23. Sept. 2020
Der Niedriglohnsektor und die Teilzeitjobs machen dem Regionsgeschäftsführer des DGB Sorgen. Er sieht Arbeitgeber und die Politik in der Pflicht.
Arm trotz Arbeit. Das gibt es. Auch in Deutschland. Und zwar viel häufiger, als man glaubt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) macht dafür unter anderem die Niedriglohnpolitik der Bundesregierung verantwortlich. Regionsgeschäftsführer Frank Firsching über Gewinnmaximierung und die Notwendigkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Firsching: Aber sicher. Wir haben die Statistik der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Im Landkreis Kitzingen gab es im Dezember 2019 fast 200 Menschen, die zusätzliche Leistungen vom Jobcenter in Anspruch nehmen mussten – obwohl sie einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen.
Um welche Berufsfelder handelt es sich dabei?Firsching: Die üblichen Verdächtigen. Bäckereifachverkäuferinnen, Angestellte in Discountern, Hotel- und Gaststättengewerbe, grundsätzlich alle Dienstleistungen, die nicht tariflich abgesichert sind. Wer beispielsweise bei Amazon in der Logistik anfängt, der bekommt Niedrig- oder Armutslöhne.
Firsching: Der Niedriglohnsumpf muss endlich durch eine höhere Tarifbindung trocken gelegt werden. Dazu muss der Mindestlohn endlich auf zwölf Euro angehoben werden.
Firsching: Ja. Das reicht aber nicht fürs Leben. Vor der Einführung des Mindestlohns hat eine Verkäuferin beim Bäcker fünf Euro die Stunde verdient, jetzt sind es neun. Das ist wesentlich besser, aber immer noch ein Armutslohn.
Die Schuld der Politik oder der Unternehmer?Firsching: Das kann man nicht trennen. Mit der so genannten New Economy setzte sicherlich ein Trend zur Gewinnmaximinierung bei den Unternehmen ein. Und die Politik hat darauf nicht angemessen reagiert.
Warum wehren sich die Arbeitnehmer nicht?Firsching: Weil sie in immer mehr Bereichen gar keine Möglichkeit dazu haben. Nehmen Sie die Pflege, die in den letzten Wochen und Monaten in den Schlagzeilen war. Alle waren sich einig, welch wichtigen und guten Job die Pflegekräfte machen. Aber wenn private Pflegeanbieter die Gewinnmaximierung als oberstes Ziel definieren, dann bleiben die Pflegkräfte weiterhin unterbezahlt.