Von „unprofessionell“ bis „Respekt“
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Donnerstag, 05. August 2021
Wie sehen Freie-Wähler-Politiker im Landkreis Kitzingen die Debatte um die Impf-Aussagen von Hubert Aiwanger?
Seit Wochen ist der stellvertretende Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in den Schlagzeilen, weil er seine Impfskepsis öffentlich geäußert hat. Er spiele Corona-Leugnern und Querdenkern in die Karten, wird kritisiert, verunsichere die Bevölkerung. Wie beurteilt die Freie-Wähler-Basis die Situation?
„Bei all dem Für und Wider in dieser Debatte rund um die Impfbereitschaft Aiwangers ist klar festzustellen, dass sein Zögern erst durch eine offene Konfrontation und Bloßstellung durch Herrn Söder vor laufenden Kameras publik wurde“, schreibt der Kreisvorsitzende der Freien Wähler, Stefan Wolbert, auf die Anfrage der Redaktion. „Gerade unter Koalitionspartnern hätte es hier sicher andere Kommunikationswege gegeben, um den Bayerischen Wirtschaftsminister zu beraten – es sei denn, es war bewusstes politisches Kalkül des Ministerpräsidenten.“
Die noch zu geringe Impfquote bereitet Sorge
Er persönlich sei Impfbefürworter, so Wolbert, und sehe darin den größtmöglichen persönlichen Schutz vor den Folgen einer Covid-Erkrankung und für die Gesellschaft den einzigen Weg heraus aus der Pandemie. „Genau wie viele Menschen in Deutschland sorge ich mich sehr über die noch zu geringe Impfquote und die gleichzeitig wieder ansteigenden Infektionszahlen. Die Impfbereitschaft ist aber leider (noch) eine persönliche Entscheidung, gleichwohl sie eine enorme solidarische Wirkung hat. An dieser entstehen unweigerlich Spannungen bei den Diskussionen über Impfpflicht, Persönlichkeitsrechte, Moral, Toleranz und Gemeinwohl – nicht nur in der Bevölkerung, sondern eben auch bei Politikern.“ Durch die anstehende Bundestagswahl gewinne diese Debatte allerdings an Schärfe und überschreite sogar innerhalb von Koalitionspartnern Grenzen. „Als Kreisvorsitzender der Freien Wähler Kitzingen werde ich deshalb die Beweggründe der beteiligten Personen nicht weiter kommentieren.“
Josef Mend, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kreistag, ist bekennender Impfbefürworter und „glücklich, dass ich nach monatelangem Warten inzwischen vollen Impfschutz habe“. Seine Standpunkte seien keine abgestimmte Kreis-Fraktionsmeinung, sondern allein seine persönliche, stellt er klar. „Denn: Ob Impfen oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung. Diese steht auch Hubert Aiwanger zu.“
Pandemie wird für den Stimmenfang missbraucht
Aiwanger zu kritisieren, sei einseitig und lenke vom eigenen Versagen des Ministerpräsidenten Markus Söder ab, so Josef Mend. „Es ist politisch absolut unseriös und unanständig, wie Söder mit seinem Stellvertreter umgeht. Kein 1. Bürgermeister würde in einer Gemeinde mit seinem 2. Bürgermeister so umgehen. Söder hat Aiwangers Entscheidung zu respektieren, vor allem, weil Aiwanger sich in seiner Position als stellvertretender Ministerpräsident zwischenzeitlich mehrfach geäußert hat, dass Impfen ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist.“ Die Wahlkampfstrategie von Söder und der CSU sei eindeutig erkennbar, schreibt Josef Mend. „Wenn die CSU Freie Wähler fangen will, dann wäre ein anderer Umgang geboten.“
In seiner Stellungnahme heißt es weiter: „Sind wir ehrlich: Aiwangers Äußerungen sind doch nicht das Problem in der Corona-Pandemie. Weder die EU, noch der Bund und die Länder haben mit einem überzeugenden Corona-Krisenmanagement gehandelt. Dazu haben die ständig hohlen Phrasen der Politiker in den unzähligen Talkshows mehr verunsichert als Vertrauen bei der Bevölkerung geschaffen. Es ist meiner Meinung nach verwerflich, dass alle (!) Parteien die Corona-Pandemie missbrauchen, um Stimmen für die Bundestagswahl zu fangen, statt wegweisende Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie zu beschließen. Hat nicht zig-Mal die berühmte Ministerpräsidenten-Konferenz gemeinsame Beschlüsse unterlaufen, allen voran Bayern mit Ministerpräsident Söder?“
Etwa 20 Millionen Bundesbürger seien nicht geimpft. Ihnen stünden etwa vier Millionen Zwölf- bis 18-Jährige gegenüber, die nach Wunsch der Politik geimpft werden sollen. „Sollen diese Jugendlichen jetzt allein die 4. Welle aufhalten?“ Seit Beginn der Pandemie hätten Kinder, Jugendliche und Familien keine Lobby, so Josef Mend. „Warum folgen wir nicht der Wissenschaft, die klar und deutlich sagt, dass der beste Schutz für die Kinder das Impfen der Erwachsenen ist? Hätten die Kinder am 26. September ein Stimmrecht, würden sie sicherlich anders behandelt werden.“