Von Stinkern und Schnauf-Technik
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Donnerstag, 30. April 2020
Geteiltes Leid ist halbes Leid. Deshalb teilt die Redaktion ihre Corona-bedingten Erlebnisse. Erkenntnis der Woche: Gute Freunde sind in Krisenzeiten das Allerbeste.
Zwischen Zoten und Zuschlag-Lust: Die fünf Mitglieder der KITZINGER Redaktion würden den Viren gern jeden Zacken in ihrer Krone einzeln ausreißen. Da das aber nicht geht, schlagen sie sich halt anders durch – zur Not sogar durchs Erzählen zweifelhafter Witze.
Ich war noch nie ein Freund von Wohnzimmersport. Tele-Gym lief bei mir höchstens mal, weil ich ein paar Minuten zu früh eingeschaltet hatte, um „Sturm der Liebe“ zu sehen. Allerdings spannte sich die Muskulatur in den letzten Wochen vor allem in Nacken und Rücken zunehmend an – von der Gemütslage gar nicht zu sprechen. Mir fehlte mein Yoga!
Am Anfang überstieg schon die Suche nach dem passenden Kanal auf einer großen Onlinevideo-Plattform meine zeitlichen Kapazitäten. Die beschränken sich, parallel laufend zu Mittagsschlaf und Fernsehstunde, auf höchstens 90 Minuten. Die Kurse, die ich kurz anlaufen ließ, waren mir entweder zu meditativ oder zu ambitioniert. Erst am Ende der Suche, kurz bevor einer meiner Jungs zu mir auf die Matte kam, um mich zu informieren, dass er jetzt „Stinker“ muss und ich bitte gleich zum Popo Abwischen im Klo erscheinen soll, traf ich auf Mady Morrison. Sie war mir sofort sympathisch, genauso wie ihre Kurse: „Schulter und Nacken entspannen“, „60 Minuten Ganzkörper-Programm“ oder „Bauch und Rücken intensiv“ habe ich inzwischen ausprobiert, für die „Morgen-Routine“ stehe ich morgens eine halbe Stunde früher auf und starte so in den Tag.
Na ja, nicht in jeden Tag. Wenn ich zum Beispiel im Morgengrauen, so gegen 4.30 Uhr, schon einmal darauf hingewiesen werde, dass ich bitte gleich im Klo erscheinen soll und danach auch noch das Bett mit dem kleinen Kackomat teilen muss, schaffe ich es zwei Stunden später meist noch nicht auf die Matte. Aber macht nichts. Da schaue ich inzwischen ganz entspannt drüber weg.
„Ich habe schon Schnappatmung“, sagt die Verkäuferin. Sie lächelt dabei, man sieht es an ihren Augen. Der Mund ist verdeckt, wie es beim Einkaufen jetzt sein muss, genauso die Nase. Sie ist höflich, hilfsbereit und freundlich und kann noch locker mit mir plaudern. Damit gebührt ihr meine volle Bewunderung.
Mein erster „Mit-Maske-Einkauf“ hat nur fünf Minuten gedauert und mir hat es schon gereicht. Seit dem zweiten Einkauf habe ich die Maske etwas besser im Griff – bildlich gesprochen, weil anfassen soll man sie ja nicht ständig. Die Brille beschlägt nicht mehr, das Atmen fällt ein bisschen leichter. Vielleicht habe ich die Schnauf-Technik raus oder gewöhne mich einfach an das Ding. Hilft ja nichts. Nur dass ich an der Wurst-Theke meine Bestellungen fast schreien muss, befremdet mich etwas.
Natürlich könnte ich auch einen Lieferdienst in Anspruch nehmen und habe das tatsächlich seit Beginn der Ausgangsbeschränkung zweimal ausprobiert. Mit schlechtem Gewissen zwar, weil ich ja nicht krank bin und durchaus selbst hätte einkaufen können. Allerdings bieten die Einkaufsmärkte das ja an und damit kann ich es auch nutzen. Also vorher eine Liste gemacht: Was brauchen wir? Dann am Tablet die Waren ausgesucht und in den virtuellen Einkaufskorb gepackt. Der Vorteil: Ich kaufe nicht so viel ein, der Einkauf wird billiger. Der Nachteil: Ich kaufe auch Dinge nicht ein, die ich brauchen könnte.