Druckartikel: Von Stinkern und Schnauf-Technik

Von Stinkern und Schnauf-Technik


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Donnerstag, 30. April 2020

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Deshalb teilt die Redaktion ihre Corona-bedingten Erlebnisse. Erkenntnis der Woche: Gute Freunde sind in Krisenzeiten das Allerbeste.
Ans Einkaufen mit Maske muss man sich erst gewöhnen. Spaß macht das Daniela Röllinger nicht gerade.


Kitzingen

Zwischen Zoten und Zuschlag-Lust: Die fünf Mitglieder der KITZINGER Redaktion würden den Viren gern jeden Zacken in ihrer Krone einzeln ausreißen. Da das aber nicht geht, schlagen sie sich halt anders durch – zur Not sogar durchs Erzählen zweifelhafter Witze.

Julia Volkamer:

Ich war noch nie ein Freund von Wohnzimmersport. Tele-Gym lief bei mir höchstens mal, weil ich ein paar Minuten zu früh eingeschaltet hatte, um „Sturm der Liebe“ zu sehen. Allerdings spannte sich die Muskulatur in den letzten Wochen vor allem in Nacken und Rücken zunehmend an – von der Gemütslage gar nicht zu sprechen. Mir fehlte mein Yoga!

Am Anfang überstieg schon die Suche nach dem passenden Kanal auf einer großen Onlinevideo-Plattform meine zeitlichen Kapazitäten. Die beschränken sich, parallel laufend zu Mittagsschlaf und Fernsehstunde, auf höchstens 90 Minuten. Die Kurse, die ich kurz anlaufen ließ, waren mir entweder zu meditativ oder zu ambitioniert. Erst am Ende der Suche, kurz bevor einer meiner Jungs zu mir auf die Matte kam, um mich zu informieren, dass er jetzt „Stinker“ muss und ich bitte gleich zum Popo Abwischen im Klo erscheinen soll, traf ich auf Mady Morrison. Sie war mir sofort sympathisch, genauso wie ihre Kurse: „Schulter und Nacken entspannen“, „60 Minuten Ganzkörper-Programm“ oder „Bauch und Rücken intensiv“ habe ich inzwischen ausprobiert, für die „Morgen-Routine“ stehe ich morgens eine halbe Stunde früher auf und starte so in den Tag.

Na ja, nicht in jeden Tag. Wenn ich zum Beispiel im Morgengrauen, so gegen 4.30 Uhr, schon einmal darauf hingewiesen werde, dass ich bitte gleich im Klo erscheinen soll und danach auch noch das Bett mit dem kleinen Kackomat teilen muss, schaffe ich es zwei Stunden später meist noch nicht auf die Matte. Aber macht nichts. Da schaue ich inzwischen ganz entspannt drüber weg.

Daniela Röllinger:

„Ich habe schon Schnappatmung“, sagt die Verkäuferin. Sie lächelt dabei, man sieht es an ihren Augen. Der Mund ist verdeckt, wie es beim Einkaufen jetzt sein muss, genauso die Nase. Sie ist höflich, hilfsbereit und freundlich und kann noch locker mit mir plaudern. Damit gebührt ihr meine volle Bewunderung.

Mein erster „Mit-Maske-Einkauf“ hat nur fünf Minuten gedauert und mir hat es schon gereicht. Seit dem zweiten Einkauf habe ich die Maske etwas besser im Griff – bildlich gesprochen, weil anfassen soll man sie ja nicht ständig. Die Brille beschlägt nicht mehr, das Atmen fällt ein bisschen leichter. Vielleicht habe ich die Schnauf-Technik raus oder gewöhne mich einfach an das Ding. Hilft ja nichts. Nur dass ich an der Wurst-Theke meine Bestellungen fast schreien muss, befremdet mich etwas.

Natürlich könnte ich auch einen Lieferdienst in Anspruch nehmen und habe das tatsächlich seit Beginn der Ausgangsbeschränkung zweimal ausprobiert. Mit schlechtem Gewissen zwar, weil ich ja nicht krank bin und durchaus selbst hätte einkaufen können. Allerdings bieten die Einkaufsmärkte das ja an und damit kann ich es auch nutzen. Also vorher eine Liste gemacht: Was brauchen wir? Dann am Tablet die Waren ausgesucht und in den virtuellen Einkaufskorb gepackt. Der Vorteil: Ich kaufe nicht so viel ein, der Einkauf wird billiger. Der Nachteil: Ich kaufe auch Dinge nicht ein, die ich brauchen könnte.

Spätestens beim Kochen am nächsten Tag waren mir fünf Sachen eingefallen, die mir fehlten. Schiebe ich meinen echten Einkaufskorb zwischen den Supermarktregalen durch, passiert mir das nicht, denn da sticht mir immer was ins Auge, was daheim fehlt. Zudem hole ich mir beim Einkaufen gerne Anregungen fürs Mittagessen an den nächsten Tagen. Lachs und Bratwurst, Bananen und Käse sprechen mich real einfach mehr an als per Foto vor weißem Hintergrund. Deshalb heißt es heute wieder: Maske auf, ich gehe „Schnäppchen“ machen.

Nina Grötsch:

Irgendwie kann ich meine Tochter ja verstehen. Da sitzt sie über zig offenen Arbeitsaufträgen und dann komm ich schon wieder mit dem nächsten Wisch aus dem Drucker ums Eck. Da würde ich auch die Augen verdrehen…

Die Idee der Schule, die Kinder sollen sich am Stundenplan orientieren und die Lerneinheiten analog dazu absolvieren, scheitert daran, dass ich früh morgens um 8 Uhr eine unausgeschlafene, grimmige, bocklose Sechstklässlerin am Tisch sitzen habe. Der Lösungsansatz, sie abends früher ins Bett zu beordern, hätte ebenfalls untragbare Stimmungsfolgen. Deshalb startet produktives Home-Schooling bei uns frühestens um 10 Uhr und zieht sich dann mit Pausen über den ganzen Tag.

Auch meine Arbeit ist gestückelt wie ein Rohkost-Teller. Hier mal eine Email zum Frühstück, dann den Lego-Enthusiasmus meines Vierjährigen genutzt, um endlich einen Text fertig zu schreiben. Das wichtige Telefonat muss warten, bis ich den Kleinen ohne zu großes schlechtes Gewissen mal wieder vor dem Fernseher parken kann. Irgendwann am Abend checke ich zwischen Spülen und Abtrocknen zum letzten Mal den Posteingang und klappe den Laptop dann zu. Wie die Schulsachen meiner Tochter bleibt alles auf dem großen Esszimmertisch liegen. Es muss schließlich jederzeit weitergehen können. Maximal ein Drittel des Platzes haben wir aktuell noch zum Essen.

Ralf Dieter:

Bei aller Ernsthaftigkeit. Irgendwie muss man diesem ganzen Corona-Schmonsens auch mit Humor begegnen. Wegkichern lässt sich das Virus nicht, aber lachen soll ja angeblich gesund sein. Deshalb hier drei Witze fürs Immunsystem: „Was machen die Hersteller von Desinfektionsmitteln gerade? Sie reiben sich die Hände“. Oder der: Das Motto unserer Zeit: Umgebe dich nicht mit positiven Menschen. Einigermaßen witzig ist auch dieser Spruch, der bei der hoffentlich baldigen Eröffnung von Kneipen und Gaststätten an der Bar zu hören sein könnte: „Komisch, die Erdnüsse schmecken so anders, seitdem sich jeder die Hände wäscht.“ So viel kann ich an dieser Stelle sagen: Das Virus geht mir langsam auf den Keks.

DIANA FUCHS:

Es ist gut, wenn der Mensch Freunde hat. Ansonsten ist er aufgeschmissen, gerade in ungewöhnlichen Lagen. Dank der Nähkunst und Freigiebigkeit meiner Freunde besitze auch ich mittlerweile Mund-Nase-Masken: eine grüne (Danke, Dani), eine in Lila (Danke, Doris) und eine in Rosa (Danke, Diana). Ich bin sehr froh, dass ich sie habe – also die Freunde. Die Masken natürlich auch. Aber so schön und liebevoll sie auch gefertigt wurden – irgendwie erinnern mich sämtliche Masken grundsätzlich immer ein bisschen an den überspannt-exzentrischen Michael Jackson, der schon viele Jahre vor Corona mit einem Mundschutz rumlief. „Spinnert“, haben wir das damals genannt.

Ich hoffe und bete, dass Forscher bald herausfinden, warum das Corona-Virus einigen Menschen lebensbedrohlich zusetzt, andere aber ganz gut damit zurecht kommen. Wenn wir das endlich wissen, können wir wirkungsvollere Gegenmaßnahmen ergreifen als einen pauschalen Maulkorberlass. Ich freu' mich auf den Tag, an dem die Masken fallen. Meine drei Exemplare werde ich trotzdem aufheben: als ewige Mahnung, dass Gesundheit nichts Selbstverständliches ist und dass wir Menschen gut daran tun, unser Streben danach auszurichten.