Vom Wald in die Weinstube
Autor: Diana Fuchs
Wiesenbronn, Mittwoch, 04. Oktober 2017
Bürger erleben einen regionalen Rohstoffkreislauf und testen Holz- & Wein-Aromen
Ist Holz gleich Holz? Welchen Einfluss haben der Boden und die Umgebung auf das Innenleben des Baums? Kann es sein, dass eine Wiesenbronner Eiche, die nach zwei, drei Jahrhunderten gefällt wird und als Weinfass ein zweites Leben beginnt, für ein besonders stimmiges Aroma des hiesigen Rebensaftes sorgt? 60 Bürger aus den Landkreisen Kitzingen und Würzburg wollten's wissen.
„Er kennt jeden Baum im Gemeindewald Wiesenbronn.“ Das sagt Bürgermeisterin Doris Paul augenzwinkernd über Max Bartholl, Förster des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF). Der Revierleiter hat nun eine Eiche weniger. Er und 60 Augenzeugen schickten den Stamm auf eine abenteuerliche Reise. Besteht er die Prüfungen, darf er in veredelter Form zurückkehren nach Wiesenbronn. Klingt märchenhaft? Nein, es geht hier um einen ganz einfachen, wenn auch nicht alltäglichen regionalen Rohstoffkreislauf. Eine Info-Fahrt des AELF machte den Zusammenhang von Wald und Wein greif- und erlebbar.
Per Bus treffen 60 Interessierte in der Früh am Nordhang des Schwanbergs in Wiesenbronn ein. Klaus Behr, Bereichsleiter Forsten am AELF, führt die Gruppe gemeinsam mit Max Bartholl in den Wald. Dort wartet ein bewährtes Holz-Team der „Rotweininsel“ Wiesenbronn. Mit Motorsäge und dem richtungsbestimmenden Fallkeil machen sich Rudolf Ackermann und Ulrich Hüßner an die Arbeit. Wenig später fällt die Eiche mit lautem Ächzen und Krachen plangemäß um. Die Kronen der Nachbarbäume winken ihr noch lange hinterher.
„Jahrhundertelang haben die Winzer Fässer aus Holz verwendet“, stellt Klaus Behr mit Blick auf den am Waldboden liegenden Stamm fest. „Dann kam die moderne Zeit der Edelstahl- und Kunststofftanks.“ Mittlerweile jedoch erinnere man sich wieder an den „wunderbaren Rohstoff Holz“, der den Charakter des Rebensaftes beeinflusst. „Große Weine gehören ins Holzfass.“
Normalerweise sind Eichen nach 200 bis 300 Jahren hiebreif. Neben Geduld ist forstwirtschaftliches Können gefragt: Während des Wachstums darf der Eichenstamm nicht zu viel Licht abbekommen. Er soll deshalb von niederem Bewuchs aus schattenspendenden Bäumen umgeben sein – sonst bilden sich aus Knospen unter der Rinde, sogenannten schlafenden Augen, kleine Triebe und Äste. Selbst, wenn diese später absterben, sind sie noch als Holzfehler, sogenannte „Rosen“ erkennbar. Für Fassholz sind sie ebenso Gift wie Drehwuchs.
Die Renaissance der Fasseiche ist für die Forstleute auch aus wirtschaftlicher Sicht erfreulich. Im Durchschnitt bringt gutes Eichenholz bei der Submission zwischen 400 und 500 Euro pro Kubikmeter. Nach dem Vermessen, Entasten und Bewerten der Wiesenbronner Eiche steht fest: Der gerade gewachsene Stammholzbereich ist 3,5 Meter lang und ohne Rinde 44 Zentimeter dick – dieser Teil darf sich auf den Weg in die Büttnerei Aßmann in Eußenheim (Main-Spessart) machen. Der Rest eignet sich für Dielen- beziehungsweise als Brennholz.
Während erfahrene Männer den Stamm auf einen Hänger laden, lädt Doris Paul die Gäste zu einem Waldpicknick an der Fritz-Paul-Hütte-Wanderhütte ein. Gut gestärkt kommt die Gruppe per Bus am frühen Nachmittag in Eußenheim an. Fast zeitgleich erreicht der Stamm, den Max Bartholl auf einem Autoanhänger transportiert hat, die Büttnerei, die als eine der wenigen Holzküfer in Deutschland noch Fässer nach alter Handwerkstradition fertigt.