Viel mehr als bloße Plauderei
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Mittwoch, 06. Mai 2020
Miteinander reden statt alleine zu Hause zu sitzen: Das Erzählfon der Caritas Kitzingen geht in die zweite Runde und soll auch nach der Corona-Krise einsamen Menschen helfen.
Eigentlich wird nur ein bisschen geplaudert. Doch es ist viel mehr. Mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Erzählfons zu sprechen, hilft Menschen in ihrer Einsamkeit, in ihren Sorgen, in ihrer Unsicherheit. Der Bedarf ist da, nicht nur in Zeiten von Corona. Deshalb will Katrin Anger von der Caritas das kürzlich ins Leben gerufene Erzählfon gerne zur Dauereinrichtung machen.
Die Idee einer Kollegin im Raum Miltenberg ließ Katrin Anger vor einigen Wochen hellhörig werden: Diese hatte in Kooperation mit den Kirchen ein „Babbelfon“ eingeführt, um Menschen, die sich in der Corona-Krise einsam fühlen, einen Ansprechpartner zu vermitteln. Anger war gleich klar: Das ist das Richtige in dieser Zeit. „Denn genau das haben Leute: Zeit. Aber oft niemanden zum Reden.“ Das Problem der Vereinsamung sei nicht neu, das habe es schon vor Corona gegeben. Aber jetzt trete es noch stärker zu Tage.
Katrin Anger klärte die technischen Voraussetzungen und suchte sich Ehrenamtliche, die als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Mitte April konnte das Erzählfon im Landkreis Kitzingen starten – als Initiative des Fachdienstes Gemeindecaritas und der Pfarreiengemeinschaft St. Hedwig im Kitzinger Land in Kooperation mit der Friedenskirche Kitzingen.
Die Ehrenamtlichen, die sich für die Aktion engagieren, haben laut Katrin Anger einiges gemeinsam: Sie probieren gerne mal etwas Neues aus, können gut zuhören, lieben es, sich zu unterhalten und nehmen Anteil an den kleinen und großen Nöten der Menschen. Sie sind, wie Monika Junker aus Kitzingen, entweder bei der Nachbarschaftshilfe „Eine Stunde Zeit Kitzingen“ aktiv, oder haben sich zu Sozialpaten des Cariritasverbandes Kitzingen fortbilden lassen, wie Ingrid Ebert aus Biebelried und Manfred und Edith Burger aus der Kitzinger Siedlung. Insgesamt sind sieben Ehrenamtliche mit im Boot. Seit Ostern nehmen sie sich täglich zwei Stunden Zeit, hören sich die Sorgen und Nöte der Menschen an, plaudern mit ihnen, machen auch mal Späße.
So erkärte eine Anruferin am Ende des Telefonats, wie gut ihr das Gespräch getan habe: „Ich konnte über meine Situation reden und bin auf andere Gedanken gekommen. Und wir haben auch ganz viel gelacht!“ Ähnlich haben es die Ehrenamtlichen erlebt. „Es war so ein schöner Austausch. Jeder hat etwas von sich und seinem Leben erzählt. Da nehme ich auch etwas für mich mit“, erzählt Gerda Mertig aus Martinsheim.
Bei den Anrufern waren die Frauen in der Überzahl, aber auch Männer griffen zum Hörer. Die Anliegen sind vielfältig. Der eine bat um Hilfe, der andere wollte wissen, wann es endlich wieder Gottesdienste gibt, der dritte einfach nur mal wieder mit jemandem reden. „Vor allem die Unsicherheit, wie lange es die Beschränkungen gibt, beschäftigt die Menschen“, sagt Katrin Anger. Und die Familie fehlt ihnen: „Es war für die Leute selbstverständlich, sich zu treffen, und plötzlich durfte man die engsten Angehörigen nicht mehr besuchen.“ Kinder und Enkel nicht mehr besuchen zu dürfen, hat die Leute belastet. Dass es hier jetzt Erleichterungen gibt, hilft ihnen sehr.
Die meisten Leute, die angerufen haben, waren 60 Jahre und älter, so Katrin Anger, aber es waren auch jüngere dabei – vor allem alleinerziehende Frauen, die unter dem Alleinsein leiden. „Den Anrufern hilft es oft schon zu wissen, dass ihnen jemand zuhört und dass der ihnen auch etwas erzählt.“