Die Folgen von Bewegungsmangel sind für Kinder viel dramatischer als es scheint
Autor: ktlrd
Kitzingen, Montag, 15. März 2021
Sportwissenschafter Harald Lange warnt vor langfristigen Auswirkungen und erklärt, wie Eltern gegensteuern können.
Landkreis Kitzingen Kaum Schulsport, kaum Training im Verein. Seit einem Jahr haben Kinder deutlich weniger Möglichkeiten, sich zu bewegen. Die Auswirkungen sind vielfältiger und tiefgründiger als man denkt, wie Sportwissenschaftler Professor Dr. Harald Lange von der Uni Würzburg erklärt. Seine Empfehlung an alle Eltern: Lasst die Kinder machen, lasst sie toben – auch wenn die Wohnung dabei durcheinander gerät.
Lange: Da sind zum Einen die körperlichen Folgen von Bewegungsmangel wie Übergewicht oder Schwierigkeiten bei der Koordination. Aber davon abgesehen ist die Bewegung für Kinder von zentraler Bedeutung, um die Welt zu begreifen. Kinder probieren sich ständig aus, und das tun sie mit dem Kopf, aber vor allem mit dem Körper. Die Abläufe in der Welt entdecken sie über die Bewegung.
Und die ist seit einem Jahr sehr eingeschränkt.Lange: Nicht bei allen Kindern, aber alle bisherigen Studien weisen darauf hin, dass Kinder im Jahr 2020 deutlich weniger Bewegung hatten als je zuvor. Es gibt solche, die sich auch ohne Angebot von außen genug bewegen, andere brauchen eine Struktur, einen Anreiz, Vorgaben wie sie Schule oder Vereine in normalen Zeiten bieten können.
Lange: Und gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass man die Kinder machen lässt, denn ihr Bewegungsdrang ist in der Regel groß. Der Schlüssel zum Glück ist derzeit das informelle Spielen und Bewegen. Die Aufgabe der Eltern besteht darin, das zu fördern beziehungsweise zuzulassen.
Lange: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Dennoch ist es gerade jetzt wichtig, die Kinder einzubeziehen in Bewegungsspiele – oder ihnen Inseln zu verschaffen, in denen sie sich selbst ausprobieren können.
Stattdessen werden sie häufiger als sonst vor dem Fernseher oder Smartphone „gepark“t.Lange: Ein Teufelskreis. Für den Moment sind die Kinder abgelenkt, vermeintlich ruhig. Aber das ist nur ein kurzer Augenblick. Und dann brauchen sie erst recht Bewegung.
Was tun?Lange: Ich kann nur dazu raten, Sportgeräte in der Wohnung aufzustellen, Bewegungsmöglichkeiten zu schaffen, die Kinder zu Brettspielen zu animieren. Diese Corona-Zeit führt uns ja wunderbar deutlich vor Augen, welche Spielsachen tatsächlich Sinn machen. Alles, was nur bunt und laut ist, ist letztendlich wertlos.