Verrückt nach Rädern
Autor: Daniela Röllinger
, Freitag, 19. Mai 2017
Die Leidenschaft von Norbert Gonschorek ist Grundlage für ein besonderes Museum
Er sei ein Spinner, sagten die Leute, wenn Norbert Gonschorek früher auf dem Sperrmüll nach Fahrrädern suchte. Ein bisschen verrückt. Mitte der 80er Jahre war das. Heute spottet keiner mehr. Weil historische Fahrräder gesucht sind. Und weil der Hüttenheimer mit seinem Sammeltick ein Museum aufgebaut hat, das in der Region seinesgleichen sucht.
Es gibt so viel zu sehen. Fahrräder rechts, Fahrräder links, Fahrräder an der Decke. Mit einem Rad, mit zwei Rädern, mit dreien. Zum Transport, zum Schieben, für Rennen. Miniräder und Hochräder. Alte Firmenschilder. Sättel. Lampen. Bilder. Was auf den ersten Blick erscheint wie ein buntes Sammelsurium ist ein Rundgang durch die Geschichte des Fahrrades. Ein Beleg für die technische Entwicklung rund um das Fahrzeug, dessen Wurzeln Karl Drais gelegt hat, als er am 12. Juni 1817 erstmals mit seiner Draisine durch Mannheim fuhr. Die Urform gleicht einem riesigen Laufrad, wie Kinder es benutzen. Keine Pedale, aber Sattel und Lenker. Und genau die Lenkung war die entscheidende Weiterentwicklung gegenüber dem ungelenkten Zweirad, das der Graf de Sivrac 1791 geschaffen hatte – die Célérifere.
Wer sich mit dem Fahrrad befasst, kommt an der Draisine nicht vorbei. Und so hat auch Norbert Gonschorek eine. Nicht historisch zwar, sondern nachgebaut, aber sie hängt gleich am Eingang des Museums. Das älteste Rad in der Sammlung des 55-Jährigen ist ein Hochrad aus dem Jahr 1886, das neben der Draisine ausgestellt ist. Davor stehen zwei kleinere Hochräder. Keine Originale, aber das eine aus Originalteilen zusammengebaut, das andere selbst konstruiert. Norbert Gonschorek ist ein Bastler. Ein Bastler mit viel technischem Wissen, denn auch beruflich befasst er sich die ganze Woche mit den verschiedensten Formen des Fortbewegungsmittels Fahrrad.
Ursprünglich hat der Hüttenheimer Automechaniker gelernt. Dann holte er sein Abitur nach und fuhr, vor allem aus Kostengründen, Sommer wie Winter täglich mit einem Fahrrad, das er sich vom Sperrmüll geholt und mit Farbe angestrichen hatte. Er merkte, wie schön Fahrradfahren ist. Und mit ihm seine Kumpels, die ihn aufforderten, auch für sie ein altes Fahrrad herzurichten. Der Beginn einer Sammelleidenschaft, die laut Gonschorek zeitweise ausuferte. „Messihaft“, habe er gesammelt, teilweise 1000 Fahrräder in seinem Lager gehabt.
Dass er seiner Leidenschaft so exzessiv nachging, hat auch mit einem Wendepunkt in seinem Leben zu tun. Nach dem Abitur ging er ein Jahr nach Afrika, studierte danach Kunststofftechnik, jobbte der Finanzierung wegen in Kneipen. Doch dann wurde er schwer krank, fiel fast ein Jahr aus, musste das Studium beenden. Auf der Intensivstation der Würzburger Uniklinik schwor er sich: „Wenn ich hier rauskomme, mache ich nur noch, was mir gefällt.“ Und das war eben alles, was mit Fahrrädern zu tun hat. Er lernte Fahrradmechaniker, begann, Rennen zu fahren. Pokale im Museum zeugen von seinen Erfolgen. Heute verfügt Norbert Gonschorek über etwa 700 Fahrräder, der Großteil ausgelagert, etwa 130 im Museum ausgestellt. Dazu unzählige Einzelteile zur Reparatur der historischen Fahrzeuge. Eine Lampe für ein Fahrrad aus dem Jahr 1939 zum Beispiel, die kriegt man nicht überall.
Es ist eine Leidenschaft, die Zeit kostet. Bis eines der Fahrräder tatsächlich restauriert ist, kann es dauern. „15 Jahre“, sagt er und klopft mit der Hand auf den Sattel eines Fahrrades Baujahr 1935, das in seiner Werkstatt steht. „Das Rad hab' ich bestimmt schon 15 Jahre. Und jetzt fang' ich endlich an.“ Wenn er restauriert, schaut er nicht nur auf die Technik. Er entfernt auch Teile, die nicht original sind und ersetzt sie. Klingel, Griff, Pedal. Meist findet sich in den vielen Schubladen seiner Werkstatt das richtige Teil.
2001 hat Norbert Gonschorek sein Museum eröffnet. Besuchen kann man es zu den Hüttenheimer Festen wie dem Marktplatzfest am 25. Mai oder dem Kirchenburgmarkt am 28. Mai. Oder nach vorheriger telefonischer Vereinbarung. Ist Norbert Gonschorek selbst nicht da, kümmert sich seine Mutter Gisela um die Besucher. Sie ist anfangs bei Führungen mitgelaufen, hat gehorcht, wie sie sagt. Jetzt kann sie selbst die meisten Fragen der Besucher beantworten. Immer wieder kommen Gruppen, Kindergärten, Schulen, vor wenigen Tagen waren es die Ipsheimer Landfrauen. „Ohne meine Mutter“, sagt Gonschorek, „ginge es nicht.“