Was müssen wir ändern? Plietz: Wir müssen unsere Ernäh-
rung aus kleinstrukturierter, regiona-
ler, bäuerlicher Landwirtschaft sicherstellen. Das würde viele Probleme auf einmal lösen. Ökologisch orientierte Landwirte legen größeren Wert auf die Bodenfruchtbarkeit. Flächen werden zum Beispiel im Winter nicht brach liegen gelassen, sondern es werden Leguminosen oder andere Zwischenfrüchte angebaut, die Stickstoff aus der Luft im Boden binden. Das ist doppelt gut, denn aus der Luft soll der Stickstoff raus und im Boden wird er gebraucht. Humushaltiger, nicht-erodierter Boden bindet CO2 und Wasser, tut also genau das, was wir brauchen.
Aber könnte eine kleinstrukturierte, regional ausgerichtete Landwirtschaft uns alle überhaupt satt machen? Plietz: Mit dem Ernährungsstil, den wir pflegen, nicht. Aber es würde funktionieren, wenn wir unser Ernährungsziel verändern. Das würde die Umwelt schonen und uns gleichzeitig gesünder machen.
Inwiefern? Plietz: Weniger Fleisch und generell weniger tierische Produkte zu essen, hat neben dem ökologischen auch ethische und gesundheitliche Aspekte. Wir essen viel zu viel billiges Fleisch, welches teilweise mit Hormonen und Medikamenten belastet ist. Rotes und stark weiterverarbeitetes Fleisch stuft sogar die WHO mittlerweile als krebserregend ein. Generell bin ich aus der gesundheitlichen Perspektive gesehen – obwohl ich Vegetarier bin – gar nicht gegen Fleisch. Aber die Devise müsste lauten: weniger Quantität, mehr Qualität. Würden alle so denken und handeln, würden sich viele Probleme von alleine lösen, wir würden weniger Tierleid verursachen, gesünder leben und die Umwelt schonen.
Hochwertiges Fleisch ist aber deutlich teurer als abgepackter Formpressschinken… Plietz: Ja, Qualität ist eine Preisfrage. Für gutes Fleisch zahlt man auch mal das Dreifache des Industriepreises. Aber wenn man dafür auch nur ein Drittel so viel isst, gleicht sich das wieder aus. Vielleicht hilft es uns, weniger tierische Lebensmittel zu konsumieren, wenn wir bedenken, dass die 20 größten Fleischkonzerne weltweit mit ihren jährlichen CO2-Emissionen sogar Deutschland übertreffen, das viertgrößte Industrieland der Welt.
Auch in Sachen Lebensmittelverschwendung könnte man ansetzen. Wie schaffen Sie es, nicht zu viel zu produzieren, um nichts wegwerfen zu müssen? Und wie schafft man es daheim? Plietz: Sowohl für Verbraucher als auch für Hersteller ist der wichtigste Punkt die Planungssicherheit. Wir haben im ersten Corona-Lockdown, als uns die Leute überrannt haben, unsere Bestellfrist von einem auf zwei Wochentage verlängert. Nach dem Ende des Lockdowns haben wir das so gelassen. Weil man besser planen kann. Jetzt gibt es quasi keine Lebensmittelverschwendung mehr, das Kühlhaus ist am Wochenende fast leer und schön aufgeräumt. Im Privathaushalt kann es ähnlich laufen. Besser planen, sich mehr Gedanken machen, wann man daheim ist, und den Wocheneinkauf mit einem Einkaufszettel erledigen – eigentlich ist es ganz einfach, Lebensmittelverschwendung vorzubeugen.
Bedeutet nachhaltiges Handeln zugleich auch gerechtes Handeln? Plietz: Ich würde sagen, ja. Nachhaltigkeit heißt: Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. In der Natur ist „schneller-höher-weiter“ kein Prinzip, das Prinzip der Natur ist Gleichgewicht. Wenn wir die Ressourcen anderer Länder verbrauchen, die knappen Süßwasser-Vorräte nutzen und Regenwald abholzen, handeln wir nicht nachhaltig und nicht gerecht. Gerecht handeln wir, wenn wir nur so viele Ressourcen entnehmen, wie global nachwachsen. Dann bleibt die Erde auch im Gleichgewicht.
Klingt, als wäre Wachstum – und danach streben wir Menschen ja immer – ein Problem? Plietz: Wachstum und Nachhaltigkeit müssen sich nicht widersprechen. Man kann wachsen – und gleichzeitig sogar grüner werden. Natürlich ist es nicht leicht, aber es geht, wenn wir für das Wachstum überwiegend regenerative Ressourcen nutzen und dabei deren Regenerationsgeschwindigkeit beachten.
Welche Änderungen wünschen Sie sich seitens der Politik? Plietz: Mehr Transparenz und weniger Lobbyismus! Eine gläserne Fleischerei zur Aufkärung! Der Lobbyismus in der Verbraucherschutz- und Landwirtschaftspolitik ist viel zu mächtig. Wenn ich könnte, würde ich zwei Dinge ändern: Ich würde ein Schulfach einführen „Ernährung und Ressourcenverbrauch“ und einen einheitlichen Kennzeichenstandard für Lebensmittel etablieren, so etwas wie eine Lebensmittelampel. Wir leben aktuell in einem Siegel-Dschungel, jede Organisation hat ihr eigenes Siegel; ich wünsche mir ein einheitliches, verständliches System, das den Verbraucher zu einer mündigen Entscheidung befähigt.
Braucht es wirklich ein Schulfach Ernährung? Plietz: Ein gewisses Grundverständnis über Ernährung würde die Menschen wiederum zu einer mündigen Entscheidung befähigen. Man müsste sich dann beim Essen nicht alleine auf die kulturelle Prägung und alte Glaubenssätze verlassen. Viele Menschen wissen beispielsweise nicht mal, dass Kühen die Kälber weggenommen werden müssen, damit mehr Milch für den Menschen bleibt. Im Grunde ist das banal – aber es wird willentlich unter den Teppich gekehrt.
Aber auch Erwachsene sind ja oft noch lernfähig. Der Bio-Anteil an Lebensmitteln steigt seit Jahren. Ist das ein Zeichen dafür, dass wir umdenken? Plietz: Bestimmt. Letztendlich stellt der Verbraucher die Weichen. Er hat die Markt-Macht, indem er für hochwertige Produkte auch mehr zahlt. Allerdings liegt in Sachen Wertschätzung noch vieles im Argen. Noch immer steht Urlaub zum Beispiel oft höher im Kurs als die Ernährung: Da fliegt man lieber öfter weg und spart dafür am Essen, indem man zum Beispiel Billigfleisch kauft. Wenn man sieht, was der Durchschnittsdeutsche verdient und was er für Essen ausgibt, ist Deutschland immer noch ein Billigland.
Zur Person: Ferdinand Plietz, 33, ist Inhaber der Ökokiste Schwarzach. Der Unternehmer und Autor ist sportlich aktiv und bezeichnet sich selbst als Hobby-Philosophen. Aktuell absolviert er eine Zusatzausbildung als Ernährungsberater, bei der er kurz vor dem Abschluss steht.
Wie jeder nachhaltig leben kann
Vortrag: Oft ist uns gar nicht bewusst, wie viele Ressourcen durch unseren alltäglichen Konsum verbraucht werden. Besonders mit Blick auf unsere Ernährungsgewohnheiten verdeutlicht Ferdinand Plietz, Inhaber des regionalen Bio-Lieferdienstes Ökokiste Schwarzach, den hohen Ressourcen-Verbrauch im Alltag. Gleichzeitig zeigt er auf, wie man durch einfache Angewohnheiten nachhaltiger leben kann.
Termin: Der Vortrag, zu dem die Volkshochschule Kitzingen einlädt, beginnt am Donnerstag, 5. Mai, um 19 Uhr in der Alten Synagoge Kitzingen, Landwehrstraße 1. Der Eintritt ist frei und es ist keine Anmeldung erforderlich.
Zukunftswoche: Der Vortrag ist Teil der „Zukunftswoche Mainfranken“, die noch bis Sonntag, 8. Mai, läuft. Von Mitmach-Aktionen über Umweltvorträge, Kindertheater bis Unternehmens-Events: Die „memo-Stiftung“ lädt in Kooperation mit Unternehmen und Kommunen zu vielen verschiedenen Programmpunkten ein, die sich mit der Zukunft unserer Region befassen. Alle Infos gibt es online: zukunftswoche-mainfranken.de