Druckartikel: Tierschutz, wie er im Buche steht

Tierschutz, wie er im Buche steht


Autor: Diana Fuchs

Kitzingen, Mittwoch, 13. April 2022

Weinen und Lachen liegen eng beieinander, wenn Iris von Crailsheim aus ihrem Buch „Bleistift statt Mistgabel“ vorliest. Die Tierfreundin aus Fröhstockheim engagiert sich seit Jahrzehnten für den Kitzinger Tierschutzverein und das Tierheim.
Hört nur, was Euer Frauchen über Euch und Eure Vorgänger schreibt! Iris von Crailsheim liest dem Dackel Ari, Nero und Hütehund Chilli aus ihrem „Lebensbuch“ vor, das von vielen tierischen Begegnungen erzählt. Fotos: Juliane & Iris VON CRAILSHEIM


„Baronin mit der Mistgabel“ – so kennt man Iris von Crailsheim. Tatsächlich vergeht kein Tag, ohne dass die Herrin des Fröhstockheimer Schlosses ihre Pferde ausmistet, die Koppeln säubert, sich um eine ganze Hundemeute kümmert... Erst, als ein Unfall sie vor ziemlich genau einem Jahr außer Gefecht setzte, fand die 74-Jährige Zeit, in alten Fotoalben zu blättern und Revue passieren zu lassen, dass sie schon die tollsten Dinge mit Katzen, Hunden, Eseln, Pferden, Hühnern, Hasen, Hamstern, Ziegen, Kühen, dem Ferkel Wutzi, dem Zirkushund Ari und vielen anderen erlebt hat. Sie schrieb ihre Gedanken auf – und so entstand ihr Buch „Bleistift statt Mistgabel – Ich schreibe, bis ich meine Karre wieder schieben kann“. Dessen ehrliche, unverstellte Sprache erlaubt persönliche Einblicke in das Leben einer adeligen Tiernärrin, die sich seit Jahrzehnten im Kitzinger Tierschutzverein sowie im Tierheim engagiert.

Worauf könnten Sie niemals im Leben verzichten?

Iris von Crailsheim: Auf den Kuss der nassen Hundeschnauze als Wecker und das fröhliche Begrüßungswiehern meiner Pferde.

An wie vielen Tagen Ihrer 74 Lebensjahre haben Sie kein Tier gestreichelt, gefüttert, ausgemistet?

Iris von Crailsheim: Außer den Tagen im Krankenhaus fällt mir kein Tag ein, an dem ich nicht wenigstens ein Tier gesehen und gestreichelt habe. Tiere sind einfach mein Leben, schon immer. Eine Existenz ohne sie kann und will ich mir gar nicht vorstellen.

Im Frühling 2021 hat ein folgenschwerer Wirbelbruch Sie zum Nichtstun verdonnert.

Iris von Crailsheim: Ja. Ich durfte keinen Stall ausmisten, kein Pferd führen, nicht mal eine Mistgabel konnte ich heben. Um mich von sorgenvollen Gedanken abzulenken, fing ich an zu schreiben – ohne zu ahnen, dass mich das dermaßen vereinnahmen würde.

Vereinnahmen?

Iris von Crailsheim: Ja, als ich angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. So viele tierische Begegnungen sind mir beim Schreiben wieder eingefallen, die Geschichten sind nur so aus mir herausgeflossen.

Nicht nur Pferde, Hunde und Katzen haben Sie aufgenommen und oft aufgepäppelt, auch Eiderenten, die vom Himmel fielen, Fuchskinder, Auto-fahrende Esel... Gibt es überhaupt irgendein Tier, das Sie nicht mögen?

Iris von Crailsheim: Nein, ich glaube, ich mag wirklich alle Tiere, selbst Spinnen finde ich faszinierend. Schon als Kind hatte ich immer tierische Freunde. Ich würde niemals ein hilfsbedürftiges Tier seinem Schicksal überlassen, aber mich immer informieren, was zu tun ist – beispielsweise dass man einem Igel keinesfalls Milch geben darf und so weiter.

In Ihrem Buch verraten Sie auch manche private Anekdote – etwa, dass Sie den Hauswirtschaftsunterricht kurz vor der Hochzeit lieber gegen Dienst im Pferdestall getauscht haben und dass Sie mal einen Sittich hatten, der in einem Kochtopf brütete.

Iris von Crailsheim: Kurz vor der Hochzeit mit meinem Craffti (Crafft von Crailsheim, Anm. d.Red.) war ich wild entschlossen zu lernen, wie man eine gute Landhausfrau wird. Dass es in Rixdorf, wo man mir Kochen und alles Wichtige beibringen sollte, den Betriebszweig Pferde gab, ahnten wir nicht, auch nicht, dass gerade niemand dort für die Ausbildung der jungen Pferde zuständig war. So nahm das Schicksal seinen Lauf. Und das mit dem Kochen, naja... (lacht) Also für Kinder koche ich zumindest gut – da können Sie gern mal die Teilnehmer unserer früheren Reiterferien fragen.

Aber einen bestimmten Topf durften Sie nicht zum Kochen verwenden...

Iris von Crailsheim: Stimmt, und zwar den Kochtopf, den „Piep-Piep“ – ein Nymphensittich, der uns zugeflogen war – sich als gemütliche Brutstätte ausgesucht hatte. „Piep-Piep“ setzte sich einfach auf die leeren Spelzen seines Futters, die wir im Topf sammelten, und legte ein Ei...

Für wen haben Sie das Buch geschrieben?

Iris von Crailsheim: Eigentlich nur für mich, um meine Erinnerungen und Gedanken, die mich selbst überrascht haben, nicht zu vergessen. Naja, und vielleicht auch für meine fünf Kinder und die Enkel? Im Prinzip wohl für alle, die Tiere lieben und sich an den Geschichten mit ihnen freuen können.

Apropos freuen. Wer viele, auch kranke Tiere hat, der muss leider auch oft Abschied nehmen. Wie geht es Ihnen damit?

Iris von Crailsheim: Die meisten unserer Lieblinge haben wir im Park hinter dem Schloss begraben – mittlerweile haben wir einen großen Tierfriedhof. Das Trauern um einen tierischen Freund wird im Alter zunehmend schlimmer. Ich träume manchmal davon, irgendwann im Himmel wieder bei ihnen zu sein – ein schöner Traum.

Ihre Tiergeschichten begannen in den 50er-Jahren. Was hat sich im Umgang mit Haus- und Nutztieren seitdem verändert?

Iris von Crailsheim: Es ist vermutlich als Zeichen des Wohlstands zu werten, dass Tiere sowohl als Fleischlieferanten als auch als Familienmitglied industriell und kommerziell sehr stark ausgenutzt werden. Qualzuchten, Tiertransporte, Massentierhaltung – auch Zuchthunde in Vermehrer-Händen fallen darunter. Man denke nur an das Wort „Tierproduktion“ für ein Lebewesen, das wie wir Menschen zur Welt kommt.

Aber früher war doch auch nicht alles besser, oder?

Iris von Crailsheim: Nein, damals gab es Kettenhunde und Ackergäule, die man als Alarmanlagen und Arbeitsgeräte nutzte. Überzählige Welpen wurden oft ertränkt oder erschlagen. Dass Tiere fühlende Wesen sind, war auch damals vielen Menschen egal. Heute haben wir in vielerlei Hinsicht eine Tierindustrie, die auf andere, anonymere Art rücksichtslos agiert.

Was soll „Bleistift statt Mistgabel“ bei den Lesern bewirken?

Iris von Crailsheim: Ich würde mich freuen, wenn das Buch dazu beitragen könnte, dass Menschen mitfühlender und verständnisvoller werden, dass sie sich zum Beispiel kein Tier anschaffen, dessen Grundbedürfnisse sie nicht erfüllen können.

Wenn Sie das bordeau-rote, 190 Seiten starke Werk in der Hand halten, was fühlen Sie da?

Iris von Crailsheim: Das Aufschreiben der Erinnerungen mit den Fotos und auch den Bildern, die zusätzlich in meinem Kopf entstanden, war ein wunderbares, nicht erwartetes Heimkehren in die Jugend und Kindheit. Das Buch ist wie ein kleiner Freund, vielleicht wie ein Tier. Es hat mich wieder zu dem Kind gemacht, das ein todgeweihtes Kätzchen vom Misthaufen holte, wohin es geworfen worden war. Angst und Trauer fühlte ich fast körperlich bei den Erinnerungen – und auch die Liebe zu dem Tier, über das ich gerade schrieb.

Bleistift statt Mistgabel: Lesung am Welttag des Buches

Lesung: Am Samstag, 23. April, dem „Internationalen Tag des Buches“, ist Iris Freifrau von Crailsheim in Rüdenhausen zu Gast, wo sie ab 18 Uhr im „Weinkeller am Schloss“ einige Passagen aus ihrem Buch liest. Der Eintritt kostet inklusive Abendessen (Bratwürste mit Kraut & Bauernbrot/ Käseplatte) zwölf Euro. Platzreservierung unter Tel. 09383/7044 oder per Mail: karl@castell-ruedenhausen.de

Buch: Iris von Crailsheims Buch „Bleistift statt Mistgabel - Ich schreibe, bis ich meine Karre wieder schieben kann“, ISBN 978-3-00-071644-7, ist für 20 Euro in Kitzingen bei der Buchhandlung Schöningh (Marktplatz) und im Buchladen am Markt zu haben, in Wiesentheid bei der Hofbuchhandlung Heinlein (Schönbornstraße) und in Iphofen bei der Buchhandlung „Buchstäblich“ am Kirchplatz. Bei der Lesung am 23. April gibt es das Buch zum Sonderpreis von 15 Euro. (ldk)