Steinernes Gedenken

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Ein schauriges Symbol am Ortsrand von Euerfeld: Bis zum Kopf soll hier einst ein Grenzfrevler in den Acker eingegraben worden sein. Dann, so heißt es, sei dem Mann der Kopf abgepflügt worden ...
Fotos (2): Dr. Hans Bauer
So versteckt, dass es leicht übersehen wird: Im Einersheimer Tor in Iphofen erinnert ein Steinkreuz an den Tod des Ratsherrn, der 1632 um Gnade für die Stadt bitten wollte, als schwedische Truppen ...
Foto: Daniela Röllinger
Das kleine steinerne Kreuz vor dem „Hohen Kreuz“ bei Euerfeld ist leicht zu übersehen.
Dr. Hans Bauer

Mord und Totschlag: Kreuze in den Fluren erinnern an manch' grausigen Vorfall.

Die Vorstellung lässt das Blut in den Adern gefrieren: Bis zum Hals in den Boden eingegraben. Als lebender Grenzstein missbraucht. Und dann zu Tode gepflügt. Eine grausige Strafe, die doch einst vermutlich auf einem Gerichtsurteil beruhte, und an die noch heute ein kleines Steinkreuz in der Euerfelder Flur erinnert.

Meist registriert man sie gar nicht. Grau, unscheinbar, oft tief in den Boden eingegraben und nicht sehr hoch, manches Mal zwischen Büschen und Bäumen versteckt: Steinkreuze, die in der Flur stehen und mit Sagen und Geschichten verbunden sind, die noch immer für Gänsehaut sorgen.

Steinkreuze werden gemeinhin als Denkmäler bezeichnet, auch wenn nur manche unter Denkmalschutz stehen. Doch sie alle erfüllen die Funktion eines „Denk-Mals“: Sie erinnern an Geschehnisse und Traditionen vergangener Zeiten.

Vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wurden die „eigenartigen Denkmäler“, wie Kreisheimatpfleger Dr. Hans Bauer die Steinkreuze im „Großen Landkreisbuch“ bezeichnet, aufgestellt. „Es war üblich, dass an der Stelle, wo ein Mensch eines gewaltsamen, nicht beabsichtigten Todes starb, ein Steinkreuz aufgestellt wurde“, so Bauer. Der Tod im Affekt war im Mittelalter eine Privatfehde, die Hinterbliebenen einigten sich in einem Sühnevertrag. Darin waren verschiedene Dinge festgeschrieben, die der Täter abzuleisten hatte. Dazu konnte nicht nur die Übernahme der Kosten für Begräbnis und Leichenschmaus gehören. Manch einer musste ein Leben lang einen Eisenring um den Hals tragen. Zudem war am Tatort auch ein Steinkreuz zum Gedenken aufzustellen. Wer daran vorbeikam, sollte niederknien und ein Gebet für den Verstorbenen sprechen.

Heimatkundliche Veröffentlichungen berichten von einer ganzen Reihe blutiger Vorfälle, die durch die Aufstellung von steinernen Kreuzen gesühnt werden sollten. In Iphofen, so heißt es, habe ein Mann einen Hasen gewildert. Als er ihn auf einer Schubkarre nach Hause transportieren wollte, wurde er von einem Flurschütz erwischt. Mit der Sense soll der Wilddieb dem Flurschütz den Kopf abgeschlagen haben.

Im Einersheimer Tor in Iphofen erinnert ein Steinkreuz an den Tod des Ratsherrn, der 1632 um Gnade für die Stadt bitten wollte, als schwedische Truppen eindrangen. Er wurde von einem Söldner erstochen.

Während die Kreuze in Iphofen nicht unter Denkmalschutz stehen, ist eines an der Friedhofsmauer von Abtswind in der Liste enthalten: 1695 soll dort ein Bauer in der Dämmerung vorbeigefahren sein und sich über den Ruf eines Käuzchens geärgert haben. Er holte mit der Peitsche aus, doch er traf nicht den Vogel. Die Peitschenschnur wickelte sich in die Speichen der Kutsche. Als der Bauer die Schnur befreien wollte, fiel er vom Wagen und wurde überrollt.

Die grausigsten Erinnerungen aber ruft jenes Steinkreuz am Rand von Euerfeld hervor. Auch dieses Steinkreuz könnte man fast übersehen, selbst wenn der Bereich als Grünfläche gestaltet ist. Angezogen aber wird der Blick von einem großen, metallenen Kreuz am Rande des Ackers. Das Steinkreuz davor verschwindet dagegen bis zu den Armen im Boden, ein Sinnbild vielleicht für das, was damals laut einer Sage geschah: Ein Dieb soll dort eingegraben und ihm der Kopf abgepflügt worden sein, so Dr. Bauer. Was durchaus der Wahrheit entsprechen könnte, denn laut Bauer belegt ein Gerichtsurteil von 1580 aus der Nähe von Gerolzhofen, dass man auch dort einen Grenzfrevler „anstatt des Marksteins in dieselbe Stelle der Erde grabe, mit dem Pflug vor und zu ihm fahre, biß er vom Leben zum todt gebracht werde.“

Manchmal ist es mit den Erinnerungen auch nicht getan – die Geschehnisse wirken noch nach. Solch eine Sage rankt sich um das Kreuz in der „Wildmannskammer“ bei Hüttenheim: Dort sollen zwei Metzgerburschen in Streit geraten sein, als es darum ging, wer einen Stier führen muss. Der eine erstach den anderen, starb aber selbst ebenfalls an seinen Verletzungen. „Am 1. Mai eines jeden Jahres – so sagt man nun – verlasse der Mörder das Grab und man könne ihn beobachten, wie er da auf dem Kreuze sitze. Alt sei er geworden, das weiße Haar hänge ihm in langen Strähnen herunter und immer murmele er unverständliche Worte vor sich hin.“ Der Markt Willanzheim verweist auf seiner Homepage auf die Geschichte – zu finden unter dem Punkt „Sehenswertes“.