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Kinder und Medien: Stärken statt kontrollieren


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Montag, 07. Februar 2022

Viele Eltern sind unsicher, wenn es um den Medienkonsum ihrer Kinder geht. Sie wünschen sich klare Handlungsanweisungen.
Kathrin Ziegler: „Jede Familie ist anders, jedes Kind ist anders. Also brauchen wir auch einen ganz individuellen Umgang mit den Medien.“


Kitzingen Youtube, WhatsApp, TikTok, Snapchat – und das ist noch längst nicht alles. Die digitale Medienwelt ist vielfältig und entwickelt sich ständig fort. Eltern sind nicht selten überfordert und suchen nach dem bestmöglichen Medien-Umgang in der Familie. Diplom-Sozialpädagogin und Elterntrainerin Kathrin Ziegler hat wertvolle Tipps.

Frage: Welche Sorgen treiben die Eltern im Bezug auf den Medienkonsum ihrer Kinder vor allem um?

Ziegler: Die Unsicherheit ist bei vielen sehr groß. Am häufigsten wünschen sich Eltern einen Plan, den sie nur noch umsetzen müssen, eine genaue Handlungsanweisung. Aber die kann ich nicht bieten.

Warum nicht?

Ziegler: Jede Familie ist anders, jedes Kind ist anders. Also brauchen wir auch einen ganz individuellen Umgang mit den Medien.

Das macht die Sache nicht einfacher.

Ziegler: Nein, aber wenn das eine Kind von sich aus gerne nach draußen geht, um beispielsweise Fußball zu spielen, während das andere sich lieber hinter seinem Smartphone verkriecht, dann müssen wir unterschiedliche Lösungen finden.

Und das zweite Kind zum Spielen animieren?

Ziegler: Wir sollten auf jeden Fall hellhörig werden, wenn ein Kind sich immer mehr zurückzieht, wenn es keine Lust mehr hat, Freunde zu treffen.

Was raten Sie den Eltern in so einem Fall?

Ziegler: Offen zu kommunizieren, den Kindern erklären, warum man sich solche Sorgen macht. Argumente für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Medien gibt es genug.

Zum Beispiel?

Ziegler: Das Gehirn braucht auch mal Stille, um zu funktionieren. Wenn ich nach dem Lernen direkt an die Playstation gehe, bleibt das Erlernte nicht im Gedächtnis. Diese – und viele andere Dinge – kann ich klar benennen.

Aber sie führen nicht automatisch zu einer Verhaltensänderung.

Ziegler: Deshalb brauche ich klare Regeln, die sich überprüfen lassen. Das Problem ist ja, dass ein Smartphone quasi immer verfügbar ist und Laptops auch für die Hausaufgaben gebraucht werden.

Das machte eine Überwachung nicht einfacher.

Ziegler: Überwachung ist ein schreckliches Wort. Eltern können nicht immer nur Kontrolleure sein. Viel besser ist es, wenn sie ihre Kinder im Umgang mit den Medien stärken, wenn die Kinder lernen, deren Gefahren und Risiken selbst einzuschätzen.

Ab wann sollte der Medienkonsum frühestens beginnen?

Ziegler: Bis zum dritten Lebensjahr sollte es möglichst gar keinen Kontakt geben. Und danach auch nur so wenig wie möglich.

Wie können Eltern dieses Ziel erreichen?

Ziegler: Am besten ist es, die Kinder zu begleiten, selbst zu schauen, was sie auf dem Tablet oder Smartphone spielen, was sie sich dort anschauen, wem sie folgen.

Mit zunehmendem Alter nimmt auch der Wunsch zu, Medien zu konsumieren. Irgendwann führt doch kein Weg daran vorbei?

Ziegler: Mit dem Übertritt an eine weiterführende Schule lässt sich auch ein regelmäßiger Medienkonsum nicht mehr vermeiden. Der Druck der jeweiligen Peergroup nimmt zu und gleichzeitig erweitert sich ja auch der Horizont der Kinder. Sie sind neugierig auf die Welt. Wir können sie nicht vor den neuen Medien bewahren, aber wir können sie in deren Gebrauch stärken.

Verbote bringen nichts?

Ziegler: Besser ist ein bewusster Umgang, den wir beispielsweise durch einen Mediennutzungsvertrag festschreiben können.

Wie soll der aussehen?

Ziegler: Es wird darin festgeschrieben, welche Medien genutzt werden, wann und wie lange. Gute Vorlagen finden sich im Internet unter www.mediennutzungsvertrag.de. Bei all dem dürfen wir aber nie die Vorbildfunktion der Eltern vergessen.

Die manchmal selbst abhängig sind von ihren Smartphones.

Ziegler: Oder stundenlang vor dem Fernseher sitzen.

Corona hat die Lage nicht gerade vereinfacht.

Ziegler: Natürlich nicht. Durch das Homeschooling ist die Verfügbarkeit von Medien erhöht worden. Früher war ein einziger Regentag für Kinder schon schwierig, weil sie nicht raus zum Spielen durften. Corona fühlt sich für viele Familien wie ein Dauerregen an. Und dennoch: Es gibt Alternativen zum Smartphone und Laptop. Und die gilt es, gemeinsam zu entdecken.

Zur Person

Kathrin Ziegler ist Diplom-Sozialpädagogin und leitet die katholische Schwangerschaftsberatungstelle in Schweinfurt. Seit neun Jahren ist sie zertifizierte Elterntrainerin.

Termine der vhs Kitzingen: Dienstag, 29. März, 19.30 bis 21 Uhr: „Bis hierhin oder doch weiter?!“ – Grenzen und Konsequenzen im Alltag“ Und: „Pubertät - der ganz „normale Wahnsinn“, 3. Mai, 19.30 bis 21 Uhr. Jeweils in der Alten Synagoge.