"Sprachlich sind wir unterwürfig"
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Mittwoch, 21. Februar 2018
Bernhard Sturn über die Bedeutung der Muttersprache, Globish und dreckigen Rabatt.
Kitzingen Rund 6000 Sprachen werden heute weltweit gesprochen. Die Hälfte von ihnen ist nach Einschätzung der Unesco vom Aussterben bedroht. Auf diese Problematik macht alljährlich am 21. Februar der Tag der Muttersprache aufmerksam. Ein Tag, der auch Dr. Bernhard Sturn am Herzen liegt. Der Kitzinger, der lange als Arzt in Wiesentheid praktizierte, ist Regionalleiter Würzburg des Vereins Deutsche Sprache.
Frage: Heute ist Welttag der Muttersprache. Was bedeutet dieser Begriff für Sie?
Dr. Bernhard Sturn: Die Muttersprache ist das ureigene Anliegen unseres Vereins, der 1997 als Bürgerinitiative gegründet wurde, um dem Ungeist entgegen zu wirken, unser ganzes Leben nur noch auf Englisch umzustellen. Das ist eine Riesenbedrohung für unsere Sprache. Für mich persönlich bedeutet die Muttersprache Heimat. Ich denke und fühle in meiner Muttersprache, nur in ihr kann ich meinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck verleihen.
Auch innerhalb der deutschen Sprache gibt es viele Varianten. Oberbayerisch, Sächsisch, Platt, unser Fränkisch – die Dialekte unterscheiden sich stark. Ist das nicht die eigentliche Muttersprache?
Sturn: Der Dialekt verstärkt noch einmal das Heimatgefühl und drückt eine besondere Verbundenheit aus. Es ist schön, dass es sie gibt, aber als Muttersprache empfinde ich den großen deutschen Sprachraum.
Wir nutzen häufig Anglizismen, ohne es überhaupt zu merken. Wissen wir unsere Sprache nicht mehr zu schätzen?
Sturn: Wir sehen es in unserem Verein als großes Problem, dass wir unseren Sprachschatz gedankenlos offen auf dem Scheiterhaufen der Globalisierung opfern, um es überspitzt auszudrücken. Wir sind uns dessen nicht bewusst, was wir hergeben. Auch wenn wir Englisch können, werden wir englischen Muttersprachlern nie das Wasser reichen können. Einem Vortrag können wir folgen und auch selbst einen Vortrag halten. Aber in der anschließenden Diskussion sind wir zweit- oder drittklassig. Ich habe den Eindruck, dass wir da viel von unserem Potenzial vergeben. Ein anderes Beispiel: In Europa sprechen die meisten Muttersprachler Deutsch, der Eurovision Song Contest wird trotzdem nur auf Englisch und Französisch moderiert. Wir Deutschen sind von einer sprachlichen Unterwürfigkeit beseelt.