Druckartikel: Sonnenschein für die Senioren

Sonnenschein für die Senioren


Autor: Daniela Röllinger

Mainstockheim, Dienstag, 15. August 2017

Projekt „Inklusiv!“: Marie Dürner arbeitet als Stationshelferin im Schloss Ebracher Hof
Marie Dürner kennt die Gewohnheiten der Senioren und weiß, wie Karoline Fritz ihren Kaffee mag.


Marie lächelt. Marie lacht. Die Augen strahlen. Die Fröhlichkeit der jungen Frau ist es, mit der sie vom allerersten Tag an die Bewohner und Mitarbeiter begeistert hat. Seit Januar ist die 22-Jährige im Rahmen des Projektes „Inklusiv! Gemeinsam arbeiten“ der Mainfränkischen Werkstätten im Seniorenheim Schloss Ebracher Hof in Mainstockheim tätig.

Erst mal werden die Senioren versorgt. So wie immer. Jeder bekommt seinen Kaffee, jeder seinen Kuchen. Marie Dürner weiß genau, wer an welchem Platz sitzt, wer seinen Kaffee mit Milch mag, wer mit Zucker, wer ihn lieber schwarz trinkt. Sie spricht mit den Senioren, lacht mit ihnen, manchmal streicht sie jemandem über den Arm, die Stimmung ist gelöst. Erst wenn alle versorgt sind, setzt sich die junge Frau selbst an den Tisch. Jetzt ist Zeit, der Presse etwas über ihre Arbeit zu erzählen.

„Hier darf ich so sein, wie ich bin. Hier muss ich mich nicht verstellen.“
Marie Dürner, Stationshelferin

Marie Dürner kommt aus Reupelsdorf. Sie ist, wie man gemeinhin sagt, behindert. Als Kind hat sie verschiedene Schulen durchlaufen, es war nicht immer einfach. Andere Kinder haben sie geärgert, gepiesackt, sogar mit Nadeln sei sie gestochen worden, erzählt sie. Dann kam sie in die Mainfränkischen Werkstätten, hat verschiedene Praktika ausprobiert. Im Januar hat sie im Seniorenheim Mainstockheim angefangen und sich schnell eingewöhnt. Hier wird sie nicht geärgert, erzählt sie. „Hier sagen sie: Du bist so, wie du bist. Ich muss mich nicht verstellen.“

„Marie ist cool“, sagt Gabriele Brandner. Sie ist die Chefin in Mainstockheim und hat bereits vor vielen Jahren damit angefangen, behinderte Menschen zu beschäftigen, was sicherlich damit zu tun hat, dass einer ihrer Söhne sich aufgrund einer Gehirnblutung bei der Geburt anders entwickelte als andere Kinder. Seine Entwicklung zu sehen, mitzuerleben, was er alles gelernt hat und dass er heute zum Beispiel selbst Auto fahren kann, fand sie faszinierend. „Es ist schön, dass sich etwas bewegt“, sagt sie.

Als Brandner vom Konzept „Inklusiv! Gemeinsam arbeiten“ erfuhr, entschied sie sich, eine neue Mitarbeiterin als Stationshelferin einzustellen. Dass es Marie Dürner geworden ist, freut beide Seiten. Nett und freundlich sei die junge Frau, bestätigt eine Bewohnerin. „Die rennt. Die macht das sehr gut.“

Es sind Komplimente, die Marie Dürner sichtlich freuen. Jetzt will das Strahlen gar nicht mehr aus ihrem Gesicht verschwinden. „Bin ich cool?“, fragt sie eine der Mitarbeiterinnen. „Klar bist du cool!“, antwortet die, und jetzt leuchten die Augen noch mehr. Dabei war vor allem der Einstieg an der neuen Arbeitsstelle gar nicht so einfach. Sie musste sich erst an den neuen Tagesablauf gewöhnen, an die ihr zugeteilten Aufgaben. Auf einem Plan hat sie gelb markiert, was sie wann und wo erledigen muss. Einmal in der Woche kommt Integrationsbetreuer Michael Roth vorbei, schaut nach dem Rechten. Er hat mit Marie auch das Busfahren geübt. Von Rüdenhausen nach Mainstockheim zu kommen, ist nicht ganz einfach, da ist Umsteigen angesagt. Vor ihrer Arbeit in Mainstockheim ist die junge Frau nicht alleine Bus gefahren – jetzt hat sie diese Hürde geschafft.

Elf Mitarbeiter der Mainfränkischen Werkstätten sind über das Projekt dauerhaft in Arbeitsstätten im Landkreis ausgelagert. Neben dem Seniorenheim Schloss Ebracher Hof sind das ASB-Altenheim in Volkach, das Wilhelm-Hoegner-Haus in Kitzingen, der evangelische Stiftungskindergarten, die Tyremotiv GmbH, das Haus St. Elisabeth, die Schreinerei Ott, die Firma Knauf PFT und der Golfplatz Kitzingen dabei, außerdem zwei Einkaufsmärkte in Gerolzhofen.

Ziel des Projektes ist es, erwachsene Menschen mit Behinderung auf ihrem Weg in die Arbeitswelt zu unterstützen, wie Projektleiterin Madeleine Leube erklärt. Dabei werden Stärken und Fähigkeiten des Mitarbeiters herausgestellt und dann Kontakt zu geeigneten Betrieben hergestellt. Im Fall von Marie Dürner war es das Seniorenheim, in dem auch ihre Mutter arbeitet.

Gabriele Brandner hat es mit der jungen Frau probiert und schnell festgestellt, dass sie gut ins Team passt. Jetzt ist Marie Dürner Stationshelferin, deckt den Tisch, teilt Kaffee und Kuchen aus, sammelt Wäsche ein und teilt sie wieder aus und vieles mehr. Was neu war, hat Michael Roth mit ihr eingeübt, gemeinsam wurde, wie er sagt, „die Brücke zum Personal geschlagen“. Bei dem kommt Marie Dürner gut an, nicht nur wegen ihrer positiven Ausstrahlung, sondern weil sie viele Hilfstätigkeiten übernimmt und damit Freiraum für das Fachpersonal schafft, seinen eigentlichen Aufgaben noch besser nachzukommen. „Sie wurde schnell herzlich im Team aufgenommen“, sagt Gabriele Brandner. Auch Marie hat sich entwickelt, seit sie in Mainstockheim arbeitet: „Sie ist viel selbstbewusster geworden, ist jetzt ohne jede Angst.“

Die Mainfränkischen Werkstätten, das Projekt „Inklusiv! Gemeinsam arbeiten“ und die Integrationsbegleiter stellen die Weichen für die Inklusion – und um das tun zu können, brauchen sie Gleise. Deshalb hat Madeleine Leube dem Seniorenheim Schloss Ebracher Hof in Mainstockheim ein Stück Gleis mitgebracht, das sie Gabriele Brandner als Auszeichnung überreichte. Und was hat Marie ihrer Chefin bei dieser Gelegenheit zu sagen? Ein einziger Satz, eine Umarmung, ein Lachen und die strahlenden Augen bringen es auf den Punkt: „Danke, dass Sie mich genommen haben!“