Myrrhe: Einst zum Lustgewinn aufs Bett geträufelt, ist das traditionelle Aphrodisiakum auch eine vielseitige Arzneipflanze.
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Montag, 04. Januar 2021
Elke Puchtler ist von dem Baumharz begeistert.
Sie steckt in Räuchermischungen, in Zahnpasta und Mundwasser: Myrrhe ist nicht nur das Geschenk eines Weisen aus dem Morgenland ans Jesuskind. Die promovierte Biologin Elke Puchtler aus Adelsdorf (Kreis Erlangen-Höchstadt) weiß, warum der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde, dem sie angehört, die Myrrhe zur „Arzneipflanze des Jahres 2021“ gewählt hat. Myrrhe ist ein Multitalent – mythologisch und medizinisch.
ELKE PUCHTLER: Die Myrrhe ist ein maximal vier Meter hoher Baum oder Strauch mit Dornen an den Ästen. Wird die Rinde verletzt, tritt als Wundverschluss ein gelbgolden bis braunrotes Harz aus. Drei bis vier Kilo Myrrhenharz kann ein Baum pro Jahr erzeugen. Allerdings kann man das Harz nicht fortlaufend ernten: Nach ein paar Jahren braucht der Baum eine Erholungsphase.
Wo wächst die Myrrhe? Gibt es auch in Franken Exemplare zu sehen?PUCHTLER: Die Myrrhe ist ein ausgemachter Spezialist für Trockenheit. Sie gedeiht im Oman, im Jemen und in Ostafrika. Bei uns gibt es keine Myrrhenbäume – sie wachsen hier einfach nicht, nicht mal in botanischen Gärten.
PUCHTLER: Die Myrrhe ist eine der ältesten Heilpflanzen der Welt. Tatsächlich war sie einst wohl ähnlich wertvoll wie Gold. Auch heute ist die echte Myrrhe noch kostbar, auch wenn sie nicht mehr mit Gold aufgewogen wird. Das beste Harz ist das aus Wildsammlungen, aber das meiste kommt aus Myrrhe-Kulturen.
PUCHTLER: Es gibt sie als Resinoid, also Extrakt aus Harzen, das reich an ätherischen Ölen ist. Zudem als Tinktur in unterschiedlichen Qualitäten, als Salbe und Salböl. Außerdem ist das gemörserte Harz eines der ältesten Räuchermittel; es wird als solches schon im 3500 Jahre alten „Papyrus Ebers“ erwähnt.
Was heißt Räuchermittel?PUCHTLER: In Tempeln und Kultstätten hat man im Altertum Rauch-Zeremonien abgehalten. Es ging darum, Gottheiten zu ehren und anzubeten, aber auch selbst in einen meditativen Zustand zu kommen und sich mit Gott zu verbinden.
Wie riecht Myrrhe?PUCHTLER: Ziemlich süßlich – ich finde sehr angenehm – , balsamisch und auch ein bisschen würzig. Mein Mann sagt, der Duft erinnere ihn an eine Kosmetikabteilung. Meistens wird Myrrhe aber gar nicht einzeln verwendet, sondern in Kräutermischungen, etwa mit Weihrauch und Gewürzen, mit denen sich Myrrhe sehr gut ergänzt.