Sie hatte bereits ihre Beerdigung geplant: Jetzt schlägt in der Brust der Fränkin das Herz eines Toten
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Samstag, 16. April 2022
In Brigitte Meisters Brust schlägt seit zehn Jahren das Herz eines Toten. "Sein Organspendeausweis hat mein Leben gerettet", sagt die 65-Jährige aus Rüdenhausen.
Sie hatte ihre Beerdigung geplant, die Lieder, die Texte. Brigitte Meister wollte zwar nicht aufgeben, sie wollte kämpfen. Aber ihr war klar, dass die Chancen täglich schlechter wurden. Sie fühlte es genau. "Ich konnte nicht mehr laufen, nicht mehr richtig atmen, zum Schluss nicht mehr sprechen." Im Frühjahr 2012 war die Beerdigung organisiert. Doch dann, urplötzlich, begann ihr zweites Leben. Das Leben mit einem neuen Herzen, dem Herzen eines Verstorbenen.
14 Jahre alt war Brigitte Fischer, wie sie damals hieß, als sie mit ihren Eltern aus Mannheim nach Marktbreit kam. Sie lernte erst Zahnarzthelferin, später Arzthelferin. Zwischendurch führte sie mit ihrem damaligen Ehemann eine Tankstelle. Anfang der 80er-Jahre bekam die zweifache Mutter eine schwere Erkältung. "Ich wollte damals nicht ausfallen, weil ich die rechte Hand der Chefin war und wirklich gebraucht wurde", erzählt die 65-Jährige heute. "Und da ich ja in einer Arztpraxis gearbeitet habe, hab' ich mich selbst mit Antibiotika behandelt." Ein Fehler, wie sie heute ahnt.
Ein "Defi" in der Brust
Um die Jahrtausendwende begannen Brigitte Meisters gesundheitliche Probleme: Wassereinlagerungen am Herzschleimbeutel und in der Lunge machten ihr zu schaffen. War die verschleppte Erkältung schuld daran? Niemand kann das mit Sicherheit sagen. "Aber wahrscheinlich ist es schon", sagt Meister. 2003 bekam sie einen Defibrillator, einen Herzschrittmacher, eingepflanzt. So ein kleines Gerät in der Brust gibt elektrische Impulse ab und sorgt dafür, dass der normale Rhythmus des Herzens erhalten bleibt. Sechs Jahre lang funktionierte Meisters "Defi" gut, dann brauchte sie einen neuen.
Auch das zweite Gerät leistete gute Dienste. Für Brigitte Meister begann eine schöne Lebensphase: Sie lernte ihren zweiten Mann kennen, Wolfgang Meister, zog zu ihm nach Rüdenhausen. Auch gesundheitlich ging es ihr gut. Doch 2011 verschlechterte sich ihr Zustand. "Ich bekam Wassereinlagerungen, brauchte Sauerstoff." Im August 2011 wurde ihr Name auf die zentrale Liste der Menschen gesetzt, die ein neues Herz brauchen.
Es folgten Klinikaufenthalte, Entwässerungen, Biopsien. Intensivstation, Normalstation, wieder Intensivstation. Hoffen, Bangen. "Meine Herzleistung sank immer weiter. Die Ärzte gaben mir nur noch wenig Zeit." Im Februar 2012 wurde das Herz der Fränkin ganz schwach, hatte nur noch zehn Prozent Leistung, die Fachleute sprachen von schwerer Herzinsuffizienz. "Mein Name kam auf die Hochdringlichkeitsliste für eine Organtransplantation." Brigitte Meister machte ihr Testament. "Ich habe schon Todesangst gehabt", erzählt sie heute von dieser schweren Zeit, in der sie nicht mehr sprechen und auch nicht mehr aus dem Bett aufstehen konnte.
Im Traum Omas Stimme gehört
"Dann hatte ich diesen Traum. Ich saß in einem Kahn auf dem Wasser und fuhr darin durch ein Tor. Hinter dem Tor höre ich meine Oma, die schon vor langer Zeit gestorben ist, sagen: 'Jetzt kriegste ein Spenderherz'." Wenige Tage später, "mein Mann war gerade aus der Klinik heimgefahren", kam der behandelnde Arzt zu Brigitte Meister ins Zimmer. "Er hat gesagt: 'Wir haben ein Herz für Sie.'" Das Herz eines hirntoten Organspenders stehe zur Verfügung, er werde gleich hinfliegen, sich das Herz anschauen und es, wenn alles passt, mit nach Würzburg bringen. "Mir sind die Tränen runtergelaufen. Noch in der Nacht wurde ich operiert. Am 4. April, einem Mittwoch, das weiß ich noch haargenau."
Drei Tage lang lag Brigitte Meister im künstlichen Koma. Am 7. April – ihrem 54. Geburtstag – ließen die Ärzte sie aufwachen. "In meinem Kopf war nur ein Gedanke: Ich lebe ja noch! Ich lebe ja wirklich noch!", erzählt Brigitte Meister heute. "Die Schwester kam rein und sagte: 'Herzlichen Glückwunsch, Sie haben heute Geburtstag.' Und ich sagte: 'Ich weiß!', die Worte habe ich gleich rausgekriegt."