Schneiden, verbinden, schützen
Autor: Daniela Röllinger
Geesdorf, Montag, 21. Januar 2019
Beim Obstbaum-Veredeln beweisen die Minigärtner Fingerspitzengefühl. Der "Familienbaum" sorgt für Staunen
Vier Sorten Äpfel. Alle auf einem Baum. Geht das überhaupt? Die Europa-Minigärtner Wiesentheid wissen die Antwort: Ja, es geht – und sie wissen auch, wie man das macht. Alfons Weiglein, Seniorchef bei Pflanzen Weiglein, hat es ihnen gezeigt.
Klirrend kalt ist es beim ersten Termin der Minigärtner-Gruppe im neuen Jahr. Sie treffen sich bei Pflanzen Weiglein in Geesdorf, um eine Arbeit kennenzulernen, die in der kalten Jahreszeit erledigt werden muss: Obstbäume veredeln. Denn es ist gar nicht so leicht, beispielsweise Apfelsorten zu vermehren. Wer einfach einen Kern seiner Lieblingssorte in die Erde steckt, ihn hochpäppelt und später die Früchte erntet, wird sich wundern: So wie die ursprüngliche Sorte schmeckt der nicht. Wenn man Pech hat, können sogar Äpfel mit bitterem Geschmack darunter sein, erfahren die Nachwuchsgärtner von Sabine Lang von Pflanzen Weiglein und Minigärtner-Projektleiterin Margot Burger.
Um genau die Sorte Äpfel von einem ausgesäten Apfelbäumchen zu ernten, die man haben will, muss veredelt werden: Man nimmt einen Zweig – Reiser genannt – vom Baum, dessen Sorte man haben will. Den setzt man dann auf einen anderen Baum oder Zweig, die so genannte Unterlage.
Seniorchef Alfons Weiglein zeigt den Kindern, wie die Reiser angeschnitten werden: Ein schräger Schnitt, um eine möglichst große Oberfläche zu bekommen, die Schnittfläche muss gerade sein. Beide Zweige, die vereint werden sollen, müssen den gleichen Durchmesser haben. Die Schnittflächen und das Kambium, die hellgrüne dünne Linie unter der Rinde, müssen ganz genau aufeinander passen, damit sie später richtig zusammenwachsen.
Wie sie verbunden werden, führt Sabine Lang den Minigärtnern vor: Wenn die Flächen passgenau übereinander liegen, wird ein Gummi darum gebunden. Hier sind Fingerspitzengefühl und Kraft gleichermaßen gefragt. „Nicht fest genug“, sagt Sabine Lang deshalb immer wieder, wenn die Kinder ihr die Reiser zur Kontrolle hinhalten. Mal verrutschen die Flächen, mal wackelt das Konstrukt, mal will der Knoten am Gummi einfach nicht halten.
Nach mehreren Versuchen haben dann doch alle Minigärtner ihre Zweige fertig. Diese werden dann in flüssiges Wachs getaucht, um die Verbindungsstelle zu schützen. Im Frühjahr werden die verbundenen Zweige ausgepflanzt, damit sie Wurzeln bilden können. Etwa im Mai, Juni wird dann die Wachsschicht wieder entfernt.
„Reine Übungssache“, sagt Alfons Weiglein über den richtigen Schnitt und das richtige Verbinden. Bei ihm geht das alles in kürzester Zeit vonstatten. „Bei Äpfeln funktioniert es in 99 Prozent aller Fälle“, erklärt er den Kindern. Walnüsse dagegen sind wesentlich schwerer zu veredeln. „Das ist eine Wissenschaft für sich.“