Druckartikel: "Ohne Lesen geht gar nichts"

"Ohne Lesen geht gar nichts"


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Freitag, 17. November 2017

Die Grundschule St. Hedwig organisiert zum sechsten Mal einen Vorlesetag.
Seit Jahren überzeugter Vorleser in der St.-Hedwig-Schule: Autor Bernd Klaube.


Mucksmäuschenstill ist es in der evangelischen Kirche. Dabei sitzen an diesem Freitagvormittag rund 20 lebhafte Kinder in dem großen Raum. Doch die Jungen und Mädchen lauschen wie gebannt den Worten von Pfarrer Uwe Bernd Ahrens. Es ist Vorlesetag an der St. Hedwig-Grundschule. Die Schüler und ihre Betreuer schwärmen zu spannenden Kitzinger Örtlichkeiten aus.

Seit sechs Jahren gibt es an der Schule den Arbeitskreis „Buch“, der Jahr für Jahr den Vorlesetag organisiert. „Das Ziel des Arbeitskreises ist es, das Buch im Zeitalter von Spielekonsolen, Handys, Computer oder e-books, wieder mehr in den Vordergrund zu stellen“, erklärt Schulleiterin Andrea Lorey. Außerdem soll Kindern mit Migrationshintergrund der Zugang zu deutschsprachigen Büchern erleichtert werden.

Jedes Jahr im November lädt der Arbeitskreis zum großen Vorlesetag ein. In diesem Jahr lautete das Motto: „Lesen und Lesen lassen – Märchenhafte Geschichten“. Den Anfang machten etliche Mittelschüler aus der benachbarten D. Paul-Eber-Schule, die in der zweiten Stunde den „Kleinen von nebenan“ Geschichten vortrugen.

Dann übernahmen prominente Vorleser aus Stadt und Landkreis Kitzingen. Autor Bernd Klaube und Stefanie Heigl, Weinprinzessin aus Sickershausen beispielsweise, die ins Schulgebäude kamen. Einzelne Klassen machten sich selbst auf den Weg zu spannenden Vorleseorten: Städtisches Museum, Papiertheater, Fastnachtmuseum, Feuerwehr: Schon die ungewöhnliche Umgebung regte die Fantasie der Kinder an. Und die Vorleser gaben wieder mal ihr Bestes.

„Ohne Lesen geht gar nichts“, antwortete Autor Bernd Klaube auf die Frage, warum er sich seit Jahren am Vorlesetag engagiert. Lesen sei für ihn und für die ganze Gesellschaft ein Riesenthema. Gerade in der heutigen Zeit. Andrea Lorey kann da nur zustimmen. „Es war noch nie so wichtig, gut mit den verschiedensten Texten umgehen zu können wie heute.“ Die „Computergeneration“ sei schließlich textbezogen. Verstehendes Lesen sei im Alltag und im Beruf überlebenswichtig.

Für Klaube, dessen Sohn in die 4. Klasse der St.-Hedwig Schule geht, ist Lesen sogar gleichbedeutend mit Leben. „Durchs Lesen öffnet sich ein Mensch“, meint er. Und ein Buch könne die Welt für einen Menschen öffnen.

Während Klaube im „Gripsarium“ der Schule aus dem Buch „Troll“ von Rolf Lidberg vorlas, stellte Pfarrer Uwe Bernd Ahrens rund hundert Meter Luftlinie entfernt ein ganz anderes Buch vor: „Die Bibel ist eigentlich eine Sammlung von Büchern“, erklärte er den Grundschülern, die auf den vordersten Kirchenbänken Platz genommen hatten und gespannt lauschten. Nur: Alle 66 Bücher könne er nicht vortragen. „Dann sind wir bis Weihnachten nicht fertig“, meinte er mit einem Schmunzeln. Ahrens entschied sich für die Geschichte von David auf der Flucht.

An Flucht dachte keines der Kinder, die sich derweil in der Fahrzeughalle der Kitzinger Feuerwehr versammelt hatten. Inspektor Markus Ungerer hatte für sie die Geschichte vom Kater Mikesch ausgesucht. Die verfolgten die Kinder nicht auf langweiligen Schulbänken, sondern auf der Ladefläche eines knallroten Einsatzfahrzeuges. Alleine dafür hatte sich der Vorlesetag für einige schon gelohnt. Bundesweit beteiligten sich in diesem Jahr mehr als 160 000 Vorleser an der Aktion, die vor 14 Jahren von der ZEIT, der Stiftung Lesen und der Deutsche Bahn Stiftung aus der Taufe gehoben worden war. Schon 15 Minuten Vorlesen am Tag würden die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Kinder später selber gerne lesen, heißt es in einer Pressemitteilung der Stiftung.

Allen Kindern würden so Bildungschancen eröffnet. Gleichzeitig stärke das Vorlesen ihre sozialen Kompetenzen.

Andrea Lorey kann das nur unterstreichen. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, den Kindern die Vielfältigkeit des Lesens nahe zu bringen“, erklärt sie die Motivation des gesamten Lehrergremiums – vor allem der Hauptorganisatorinnen, Lesebeauftragte Micha Pfeuffer und Barbara Lehnert vom Arbeitskreis Buch. Loreys Wunsch für den Vorlesetag dürfte jedenfalls in Erfüllung gegangen sein – wie ein Blick in all die zufriedenen Kindergesichter zeigte: „Der Tag soll motivieren, Interesse wecken und das Vertrauen in die eigenen Lesefähigkeiten stärken.“